Telekom: "Wir jagen Funklöcher" zeigt Ausmaß der Misere
Alle Netzbetreiber haben den Netzausbau auf ihre Fahnen geschrieben. Die Telekom hatte eine originelle Idee, bei der Jagd nach Funklöchern die betroffenen Gemeinden aufzufordern, sich zu melden. Der Trick dabei: Die Gemeinden mussten einen Gemeinderatsbeschluss mitliefern, in dem sich die Gemeinde für Mobilfunk Ort ausspricht und (mindestens) einen genehmigungsfähigen Standort anbieten.
Der Erfolg war klar: In drei Monaten hat es 624 Bewerbungen gegeben. Bis zur letzten Stunde der Bewerbungsfrist am 30. November gingen Bewerbungen aus allen Teilen Deutschlands ein. Allein in der letzten Woche der Bewerbungsphase waren es rund 250. Besonders viele Bewerbungen kamen dabei aus Rheinland-Pfalz (133), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (95) und Bayern (70). 539 Kommunen meldeten 624 Bewerbungen, einige Kommunen meldeten gleich mehrere Ortsteile an.
Liebenau schnellste Kommune
Mit der Aktion "Wir jagen Funklöcher" hat die Telekom ins Schwarze getroffen. 624 bzw. 539 Anträge von Gemeinden, die ihre Funklöcher gestopft haben möchten
Foto: Telekom
Die erste Kommune, die sich um einen Platz beworben hatte, war das hessische Liebenau (34396) mit dem Stadtteil Zwergen (bei Kassel in Nordhessen). Deren Bewerbung ging kaum mehr als 24 Stunden nach dem Start der Aktion ein. Die Last-Minute-Bewerbung kam aus dem brandenburgischen Temnitztal (16845, bei Neuruppin). Sie traf am 30. November, 23.55 Uhr, fünf Minuten vor Toresschluss, ein.
„‘Wir jagen Funklöcher‘ zeigt, dass Mobilfunkausbau anders gehen kann, wenn alle an einem Strang ziehen“, freut sich Walter Goldenits, Technikchef der Telekom Deutschland. „Wir haben sehr viel Begeisterung und Engagement der Bewerber-Kommunen gespürt. Wir haben ein Interesse und die Kommunen haben ein Interesse – und das Ergebnis ist: Ein Funkloch weniger. Es zeigt sich, dass es sich lohnt, neue Wege zu gehen. Pragmatismus zahlt sich aus. Jetzt ist es an uns, die Gewinner zu küren und dort so schnell wie möglich LTE in Betrieb zu nehmen".
Mehr als 50 Stationen
Wie schon berichtet, gilt als sicher, dass es mehr als 50 neue Stationen geben wird. "Wir werden die Chancen, sofort bauen zu können, natürlich nutzen", betonen Telekom-Technikchef Goldenits und sein Telekom-Deutschlandchef Wössner.
Die ersten Kommunen werden voraussichtlich schon im 1. Quartal 2020 einen LTE-Mobilfunkmast der Telekom erhalten. Bis Ende 2020 sollen alle 50 Funklöcher geschlossen sein.
And the Winner is... Vielbach
Die rheinland-pfälzische Gemeinde Vielbach (56244, eigenständige Gemeinde) bei Ransbach-Baumbach, unweit der Autobahn A3 ist die erste Gewinnerin der Aktion.
Weitere 18 Gemeinden sind bereits ausgewählt. Bei ihnen fehlt noch der letzte formale Schritt, eine Unterschrift unter dem Mietvertrag für das Grundstück, auf dem dann der zukünftige Mobilfunkstandort stehen wird. Es handelt sich dabei um die folgenden Orte:
- 99713 Abtsbessingen bei Ebeleben (Kyffhäuserkreis Thüringen)
- 17039 Beseritz bei Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern)
- 53547 Breitscheid bei Neustadt/Wied (Rheinland-Pfalz)
- 97273, 97279, 97337 Dettelbach (Landkreis Kitzingen, Bayern)
- 6556 Eltz (bekannt durch Burg Eltz auf dem Geldschein, Gemeinde Wierschem, Rheinland-Pfalz)
- 91238 Engelthal (Ortsteil von Offenhausen, bei Nürnberg, Bayern)
- 36355 Grebenhain (bei Fulda, Hessen)
- 37308 Heilbad Heiligenstadt (Ortsteil von Bernterode, Thüringen)
- 55758 Hottenbach (Ortsteil von Wirschweiler bei Idar-Oberstein, Rheinland-Pfalz)
- 56290 Lieg (Orsteil von Gödenroth bei Kastellaun, Rheinland-Pfalz)
- 14715 Milower Land (Kreis Havelland, Brandenburg)
- 17039 Neverin (zu Beseritz, bei Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern)
- 57629 Norken (bei Hachenburg, Rheinland-Pfalz)
- 06721 Osterfeld (zu Meineweh, bei Naumburg, Sachsen-Anhalt)
- 19339 Plattenburg (zw. Kyritz und Perleberg, Brandenburg)
- 16775 Sonnenberg (zu Gransee, bei Neuruppin, Brandenburg)
- 94436 Markt Simbach (bei Passau, Bayern)
- 06536 Südharz (bei Nordhausen, Sachsen-Anhalt)
In den kommenden Wochen werden die Experten der Telekom die Bewerbungen prüfen und dann die 50 Gewinner der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ bekannt geben.
Aktion sorgt für Beschleunigung
Telekom-Teams sind unterwegs um den Ausbau der Funklöcher zu planen und zu organisieren
Foto: Telekom
Neben den (mehr als) 50 Stationen, die gebaut werden, sorgt die Aktion in einigen Kommunen für eine Beschleunigung des ohnehin geplanten Mobilfunkausbaus.
Nehmen wir die Gemeinde Sonnenberg in Brandenburg: Sie wird im Rahmen der Aktion einen neuen LTE-Sendemast erhalten. Außerdem wird die Telekom einen bereits bestehenden GSM-Funkmast mit LTE-Antennen modernisieren. In einem weiteren Ortsteil der Gemeinde wird die Telekom einen Antrag auf Mitnutzung eines Funkmasts eines Wettbewerbers stellen. Somit profitiert Sonnenberg von „Wir jagen Funklöcher“ gleich dreifach.
Unter den bisher geprüften Bewerbungen befinden sich zudem rund 60 Gemeinden, in denen die Telekom im Rahmen ihres Standardausbau-Programms in den kommenden Monaten ohnehin einen LTE-Funkmast errichtet.
Aus diesem Grund wurden diese Bewerbungen nicht zum Wettbewerb zugelassen. Eine dieser Kommunen ist die hessische Stadt Liebenau. Durch das Engagement der Stadt konnte der bereits geplante Ausbau vorgezogen und das Funkloch bereits geschlossen werden.
Was bei „Wir jagen Funklöcher“ anders ist
Normalerweise geht der Netzbetreiber auf eine Kommune zu und meldet seinen Ausbau-Wunsch an. Kommune und Netzbetreiber loten dann gemeinsam aus, ob die Kommune dem Netzbetreiber bei der Standort-Findung helfen kann. Ist das nicht der Fall, geht der Netzbetreiber alleine auf die Suche nach einem privaten Vermieter. Anschließend meldet der Netzbetreiber der Gemeinde, dass er einen Standort gefunden hat. Dieser Prozess würde im Idealfall nur acht Wochen dauern. Praktisch gehen aber oft Monate ins Land. Und hier setzt „Wir jagen Funklöcher“ an: Die Gemeinde kommt auf die Telekom mit einem klaren Versorgungswunsch zu und bietet im gleichen Zug einen konkreten Standort an. Ein monatelanges Abtasten und Abfragen entfällt. Es geht schneller und es wird echter Bedarf befriedigt - eine echte Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Eine Einschätzung
Wir haben uns diese Liste auf der Landkarte angeschaut. Das sind Orte, die man als Außenstehender gerne als "Ende der Welt" bezeichnen möchte, Orte, die teilweise berühmt und viel besucht sind (wie die Burg Eltz, die Burg, die auf dem 500 DM-Geldschein abgebildet war) und dort wird es bald (endlich) Netz geben.
Und die anderen?
Gerne würden wir über ähnliche Aktionen beim Netzbetreiber Vodafone oder Telefónica/o2 lesen. Gibt es Orte, die bislang völlig unerschlossen sind und erstmalig nur von Vodafone oder nur von Telefónica/o2 erschlossen werden?
Vielleicht gibt es solche Orte ja (wo seit kurzem nur Vodafone oder nur Telefónica funktionieren und sonst nichts und wir kennen sie nur nicht) oder schlagen die Kostenrechner bei diesen Netzbetreibern die Hände über dem Kopf zusammen ("ein Sender für eine Handvoll Einwohner rechnet sich doch nie").
Spätestens, wenn bei bestimmten Kundengruppen eine Wanderung einsetzt, weil das bislang gewählte Netz am Wunschort keine Aussicht auf Netzversorgung bietet, werden diese Kostenrechner ins Grübeln kommen. Doch dann könnte es längst zu spät sein.