Angeschrien

o2-Chef Haas wegen Funklöchern "fast angeschrien"

o2 Chef Haas wurde schon fast angeschrien, wenn es in seinem Netz ein Funkloch gibt. 20 CEOs der deutschen Industrie üben massive Kritik am zögerlichen Netzausbau aller drei deutschen Netzanbieter.
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Führende Industrie-Manager kritisieren die Netzbetreiber wg. schlechtem Ausbau Führende Industrie-Manager kritisieren die Netzbetreiber wg. schlechtem Ausbau
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In Deutschland gibt es trotz Mobilfunkpakt und LTE-Ausbau immer noch viel zu viele Funklöcher. Sie zu schließen sei kaum möglich, sagt der Chef von Telefónica-o2 Markus Haas im Gespräch mit der Sonntags-Ausgabe der Tageszeitung DIE WELT. Haas findet, die Gründe dafür lägen in der Vergangenheit.

"Mobiles Telefonieren an jedem Ort in Deutschland wird es auch künftig nicht geben." Und weiter: „Wir werden wahrscheinlich keine hundertprozentige Flächenabdeckung in Deutschland erreichen können“, sagte Markus Haas, Chef der Telefónica Deutschland, im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.

Für eine komplette Abdeckung fehlten ein paar Tausend Antennen in Deutschland, findet Haas. Auch die Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen für die nächste, fünfte Netzgeneration (5G) werde daran nichts ändern. Allerdings werde es möglich sein, die Bevölkerung (nicht die Fläche) nahezu vollständig zu versorgen.

Nach Haas‘ Aussage liegen die Gründe für viele Funklöcher in der Vergangenheit: „Das liegt zum Teil auch daran, dass Deutschland lange Zeit so skeptisch der Technologie gegenüber war.“ Vor 15 Jahren habe niemand eine Antenne in seiner Nähe haben wollen, es habe Proteste gegeben. „Heute werde ich fast angeschrien, wenn es keinen Empfang gibt.“

Industrie setzt auf 5G

Führende Industrie-Manager kritisieren die Netzbetreiber wg. schlechtem Ausbau Führende Industrie-Manager kritisieren die Netzbetreiber wg. schlechtem Ausbau
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Dabei würde die vernetzte Wirtschaft gerne mit 5G durchstarten. Doch der Ausbau des Mobilfunkstandards kommt nur schwer in Gang. Mehr als 20 CEOs aus der Industrie fordern nun ein radikales Umdenken, das berichtet das in Düsseldorf erscheinende Handelsblatt.

Telekom Chef Timotheus Höttges hatte auf der Digitalmesse Dmexco in Köln den kommenden Mobilfunkstandard 5G als "die Zukunft" vorgestellt. „100 mal mehr Kapazität, zehnmal mehr Geschwindigkeit und Datenübertragung in Echtzeit“, schwärmte Höttges. Die neue Technik bringe bahnbrechende Veränderungen. In diese Lobeshymnen hatten auch die Netzbetreiber Vodafone und Telefónica mit eingestimmt. Wenn es aber um konkrete Bauvorhaben oder Termine geht, hört man wenig Genaues.

Das bringt die CEOs der Deutschen Industrie in Rage: "Die Netzbetreiber sprechen zwar viel über 5G, unternehmen aber zu wenig. Anstatt konkrete Pläne für den Ausbau der Zukunftstechnik vorzulegen, versuchten sie sich gegenüber der Politik bei den Ausbauverpflichtungen herauszuwinden." Und die Bundesregierung lasse sich zu stark davon beeinflussen.

Die deutsche Wirtschaft fordert daher nun ein radikales Umdenken. Mit deutlichen Worten bekräftigen mehr als zwei Dutzend Führungskräfte, dass die Bundesrepublik alles unternehmen müsse, um den Anschluss bei der Spitzentechnik nicht zu verlieren. Von VW, Audi über die Deutsche Bank und die Commerzbank bis hin zu Mittelständlern und Start-ups sind sich die Firmenchefs einig: Es muss etwas passieren.

Besonders groß ist die Sorge in der Automobilwirtschaft. „Eine rasche und möglichst flächendeckende Bereitstellung von 5G als schnelles, breitbandiges und zuverlässiges mobiles Datennetzwerk ist für die Zukunft in der Automobilindustrie ein Faktor von zentraler Bedeutung“, sagt Helmut Matschi, Vorstand des Automobilzulieferers Continental. Wolf-Henning Scheider, Chef von ZF Friedrichshafen will in Deutschland die "Mobilitätslösungen von morgen entwickeln. Ein 5G-Netz mit kurzen Latenzzeiten und Abdeckung in der Fläche ist dafür Pflicht.“

Angst, abgehängt zu werden

Im Maschinenbau wächst die Sorge, dass Unternehmen vor allem in der "Provinz" vom mobilen Hochgeschwindigkeits-Netz abgehängt bleiben könnten. Johannes Gernandt, vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), befürchtet: "Auf die Fläche der Bundesrepublik umgerechnet, bleiben hier erhebliche weiße Flecken und viele kleinere und mittlere Industriebetriebe und auch die Landwirtschaft abgekoppelt.“

Entsprechend sind auch anderen Branchen skeptisch. Commerzbank-Vorstand Martin Zielke warnt laut Handelsblatt: „Deutschland droht zurückzufallen.“ Die CTO der Deutschen Bahn Sabina Jeschke bringt es auf den Punkt: „Was nützt die beste Technik in den Zügen, wenn wir anschließend in Funklöcher fahren?“

Branchenkollege Stefan Dohler, Vorstandschef der EWE AG aus Oldenburg, kritisiert Telekom, Vodafone und Telefónica: „Das derzeit bestehende marktbeherrschende Oligopol im Mobilfunkbereich ist schädigend für die Verbraucher und für den Wirtschaftsstandort.“ Die Netzbetreiber verfolgten, so Dohler, eigene Geschäftsinteressen, die Zukunft des Standorts Deutschland hätten sie nicht im Blick. EWE ist als ursprünglich reiner Energieversorger schon länger in das Festnetzgeschäft mit Glasfaserkabel eingestiegen und strebt eine Partnerschaft mit der Telekom an.

LTE-Netze ab 2021 überlastet?

Die Zeit drängt. Früher als bislang angenommen wird das derzeitige Netz an seine Kapazitätsgrenzen stoßen, rechnet die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) in einer Studie vor, die dem Handelsblatt vorliegt „Das aktuelle 4G-Netz kann den Datenbedarf in großen Städten wie Berlin nur noch bis 2021 decken“, warnen die Experten.

Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank sieht das so: "Jetzt entscheidet sich, welchen Platz wir in fünf, zehn oder auch in zwanzig Jahren in der Weltwirtschaft einnehmen. Dafür müssen wir heute in die neuesten, besten Technologien investieren. Und 5G ist eine der Schlüsselinfrastrukturen, quasi eine Basis für die Wirtschaft. Es geht um Geschwindigkeiten, die beim Vielfachen dessen liegen, was wir heute kennen.“ Das Handelsblatt zitiert einen CEO nach dem andern, keiner lässt ein gutes Haar an den Netzanbietern.

Hohe Kosten - geringe Gewinne

Nun ist das Problem, dass die Datenmengen unendlich wachsen, dass gerade eben frisch aufgebaute teure Technik, schon überlastet und morgen total veraltet ist. Doch bei höheren Preisen winken die Kunden einstimmig ab.

Die Telekommunikationsfirmen scheuen die Investitionen, da sie trotz explodierender Datenmengen kaum mehr Gewinne machen können. Doch nur ein entschiedener Ausbau des 5G-Netzes sei die ökonomisch beste Entscheidung, argumentiert die Unternehmensberatung BCG.

Unternehmen im Wettbewerb - gemeinsame Kritik an BNetzA

Eigentlich stehen die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica in Deutschland gegenseitig im Wettbewerb, doch die Kritik an den Plänen der Bundesnetzagentur eint sie: Die Auflagen der Bundesnetzagentur (BNetzA) seien zu hart, obwohl der mit seinem Plan deutlich hinter den Forderungen der Politik zurückgeblieben war.

Anderswo zahlen die Mobilfunkkunden mehr, ohne zu Murren, beispielsweise in den USA. So hat die US-Tochter der Telekom einen 3,5 Milliarden Dollar schweren Vertrag mit dem Mobilfunkausrüster Ericsson unterschrieben, einen gleich teuren Vertrag mit Nokia. In Deutschland will die Telekom sich erst erklären, wenn alle Details der kommenden 5G-Lizenz feststehen.

Auch bei Vodafone und Telefónica hört man wenig Konkretes: Die südafrikanische Vodafone-Tochter hat im Ministaat Lesotho das erste 5G-Netz Afrikas errichten lassen (weil sie in Südafrika dafür noch keine Lizenz erhielten), Deutschlandchef Hannes Ametsreiter schwärmt lieber von seinem "Gigabit" Kabel-TV-Netz. Mit konkreten Ankündigungen für den Ausbau weißer Flecken in Deutschland hingegen hält sich Ametsreiter genauso zurück wie sein Kollege, der Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas.

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