BREKO: Lokale Frequenzen für lokale Netzbetreiber freigeben
Was ist ein "Campus"? Wer darf die dafür gedachten Frequenzen nutzen? Könnten damit auch nicht versorgte Orte erschlossen werden?
Foto: Picture Alliance / dpa
Die ewig lang dauernde 5G-Frequenzauktion in Mainz für Frequenzen bei 2,1 und 3,6 GHz endete nach fast 500 Runden schließlich Mitte Juni diesen Jahres. Wie geht es nun weiter?
Wer bekommt lokale Frequenzen?
Was ist ein "Campus"? Wer darf die dafür gedachten Frequenzen nutzen? Könnten damit auch nicht versorgte Orte erschlossen werden?
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Kürzlich wurde der Entwurf einer "Verwaltungsvorschrift für Frequenzzuteilungen für lokale Frequenznutzungen“
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veröffentlicht. Darin erklärt die Bundesnetzagentur (BNetzA), wie sich die Vergabe von Frequenzen (zwischen 3,7 und 3,8 GHZ sowie auf 26 GHz) für die "lokale Nutzung" vorstellt. Beispielsweise soll für die Betreiber "geografisch benachbarter Funknetze" ein Verhandlungsgebot für Betreiberabsprachen gelten. Klar: Die Betreiber vor Ort haben den besten Überblick. Wer aber "lokaler" Betreiber sein darf (nur Firmen mit eigenem Gelände oder auch "Dienstleister" (=Netzbetreiber, Fachbaufirmen) ohne eigenes Gelände), steht da noch nicht. Die Firmen, die einen Antrag stellen wollen, müssen Fachkunde haben und ein Frequenznutzungskonzept (sinnvoll) vorlegen. Der Antrag soll auf einem "Formblatt" im Microsoft-Excel-Format abgegeben werden.
Wer bekommt was?
Die Geschichte hat nur einen Haken. Wer bekommt diese Frequenzen, wie und wann? Die Vorfreude auf "eigene" Frequenzen wird von der Bundesnetzagentur gleich wieder "getrübt", denn "Anträge auf Frequenzzuteilung können derzeit noch nicht gestellt werden, da die Gebührenhöhe noch nicht festgelegt wurde. Der Start des Antragsverfahrens wird auf der Internetseite und im Amtsblatt bekannt gegeben".
BREKO möchte diese Frequenzen nutzen können
Die Frequenzbereiche für die "lokalen Netze" wurden aus der ewig dauernden 5G-Auktion ausgeklammert und ausdrücklich für lokale Anwendungen reserviert. Diese werden nun gesondert vergeben, was beispielsweise der Branchenverband BREKO (Breitbandkommunikation) ausdrücklich begrüßt, "um auch lokal den Eintritt weiterer Anbieter zu ermöglichen und so die Produkt- und Anbietervielfalt zu steigern."
„Die Bundesnetzagentur muss nun zeitnah die Vergabe der lokalen 5G-Frequenzen starten, damit insbesondere die zahlreichen mittelständischen Unternehmen – das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – von leistungsfähigen 5G-Lösungen profitieren können. Mit Glasfaser bis zum Unternehmen in Verbindung mit 5G als ‚mobiler Glasfaser‘ machen wir die Unternehmen fit für den Wettbewerb und stärken so den Wirtschaftsstandort Deutschland“, betont BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers.
Mittelstand möchte Frequenzen nutzen können
Prof. Dr. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) pflichtet dem BREKO bei: „Die Zukunft des Mittelstands ist digital. Die Voraussetzungen dafür müssen wir mit moderner Verwaltung, digitaler Bildung und dem Ausbau der Infrastruktur schaffen – und zwar schnellstmöglich.“ Für den Mittelstandspräsident brauchen "Schlüsseltechnologien wie autonomes Fahren, Virtual Reality oder Industrie 4.0" leistungsfähige und belastbare Netze und Anschlüsse. Aktuell gilt es vor allem, die lokalen 5G-Frequenzen an den Start zu bringen.“
Lokale Frequenzen für lokale Netzbetreiber?
„Viele unserer rund 190 Netzbetreiber bauen lokal und regional zukunftssichere Glasfasernetze bis in die Gebäude oder bis direkt zum Anschluss des Kunden. Über die Zuteilung lokaler Frequenzen können sie insbesondere Geschäftskunden maßgeschneiderte Angebote machen, die sich exakt nach deren individuellen und spezifischen Anforderungen wie etwa der Vernetzung mehrerer Standorte ("Campuslösungen") oder der Implementierung von Machine-to-Machine-Lösungen (M2M) richten und eine garantierte Netzabdeckung vor Ort bieten“, erläutert Albers.
Dazu kommt, dass lokale, unabhängige Netze grundsätzlich sicherer als ein einziges, bundesweites Netz sind. Das betrifft nicht nur die Angriffssicherheit, sondern auch die Ausfallsicherheit, also Betriebsfähigkeit.
Gerade für mittelständische Unternehmen sind die überwiegend lokal/regional verorteten Netzbetreiber des BREKO ideale Partner zur Realisierung von 5G-(Campus-)Lösungen. Schon jetzt hat eine Vielzahl von BREKO-Netzbetreibern signalisiert, dass sie in dieses Geschäftsmodell einsteigen wollen – darunter auch der baden-württembergische Netzbetreiber NetCom BW, eine Tochter des Energieversorgers EnBW. Zurzeit befindet sich die NetCom BW in Gesprächen mit diversen Mittelständlern, die über kein spezifisches Know-how in der Planung, Realisierung und dem Betrieb solcher Funknetze verfügen.
„Lokale 5G-Lösungen ergänzen unser Dienstleistungsportfolio für Geschäftskunden optimal“, sagt Bernhard Palm, Geschäftsführer der NetCom BW und BREKO-Präsidiumsmitglied. „Wir stehen in den Startlöchern und wollen konkrete Pilotprojekte zum Aufbau von Campuslösungen realisieren. Die BNetzA muss nun zügig die Bedingungen für die Beantragung und Zuteilung der lokalen 5G-Frequenzen bekanntgeben, damit der Vergabeprozess schnellstmöglich starten kann.“
Eine Einschätzung
Die Idee der lokalen Mobilfunknetze ist nicht neu. Es gibt in Deutschland durchaus kreative Netzbetreiber wie etwa wilhelm.tel in Norderstedt bei Hamburg, die wohl in der Lage wären, relativ schnell leistungsfähige, räumlich begrenzte "Ortsnetze", vielleicht nur für Geschäftskunden, gerne auch für die Allgemeinheit, auszurollen.
Nur das gefällt den etablierten Mobilfunk-Netzbetreibern absolut nicht. Erst hat man ihnen viel zu viel Geld für die Lizenzen abgeknöpft, dann zackige Auflagen zum dichteren Ausbau ins Pflichtenheft geschrieben, die weiteres Geld kosten werden, und nun könn(t)en interessierte Industrieunternehmen auf ihrem Gelände auch "eigene" Netze aufbauen - schlimmstenfalls ohne die Netzbetreiber.
Würden dann noch kleine Stadnetzbetreiber in Ballungsräumen ihre eigene Mobilfunkversorgung (für Jedermann?) aufbauen, da bliebe für die großen etablierten Netzbetreiber nur noch die "unattraktiven", dünn besiedelten und schlecht versorgten Gebiete, wo es sich für die "kleinen" Anbieter niemals lohnen würde.
Ob es für die großen Anbieter wenigstens staatliche Behilfe als "Daseinsvorsorge" beim Netzausbau der "toten Zonen" geben kann oder wird, ist auch noch offen.
Netzausbau: Wer zahlt was?
Kostendeckende Tarife, um den gewünschten Netzausbau "eigenwirtschaftlich" zu bezahlen, sind ebenfalls nicht mehr in Sicht. Viele Anbieter wollten in der Vergangenheit lieber über Tiefstpreise möglichst schnell möglichst viele Kunden bekommen, doch wenn der nächste Anbieter nur ein paar Cent günstiger war, haben die Kunden den Anbieter gewechselt, das ist legitim. Nur damit lässt sich kaum ein nachhaltiges Netz planen oder aufbauen.
Lokale öffentliche Netze?
Lokale öffentliche Netze könnten zum Beispiel für Orte und Regionen interessant sein, wo partout kein einziger kommerzieller Netzbetreiber bauen kann oder will, weil es sich niemals rechnet (oder weil sie glauben, dass es sich nicht rechnen würde). Hier könnten örtliche Bürgerinitiativen oder dazu gegründete Genossenschaften oder örtliche Stadt- oder Gemeindewerke ihr Netz selbst aufbauen und dann betreiben (lassen) und würden damit der lokalen Gemeinschaft etwas Gutes tun.
Beispiele gibt es schon mit im Boden verlegte oder auf Masten verspannten Leitungen. Etwa im Emsland und anderswo. Über Mobilfunk ließ das die Rechtslage bislang nicht zu. Dagegen dürften auch die etablierten Netzbetreiber wenig haben, über gegenseitige Roaming-Abkommen müsste noch geredet werden.
Wir alle müssen uns überlegen, was wir wollen: Ein flächendeckendes Netz, wobei das Wort "flächendeckend" wirklich wortwörtlich zu lesen ist, oder möglichst viele Daten oder Minuten für möglichst wenig Geld? Nehmen wir dafür einige bis viele Funklöcher in Kauf, die auch mit 6G, 7G oder 8G niemals gestopft werden dürften?