Netzausbau

Editorial: Schneller schneller werden

Wer hat Schuld am Daten­stau? In Deutsch­land wird viel disku­tiert, aber wenig beschlossen und noch weniger gemacht.
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Das Bild zeigt Arbeiten an einem Mobilfunkmast Das Bild zeigt Arbeiten an einem Mobilfunkmast
picture alliance/Daniel Reinhardt/dpa
Deutsch­land hat weiterhin die schnellsten Auto­bahnen der Welt, immer noch ohne Tempo­limit, aber die lang­samsten Fest- und Mobil­netze: Auch die Deut­sche Telekom fällt im inter­natio­nalen Vergleich immer weiter zurück, über Voda­fone und Telefónica/o2 brau­chen wir gar nicht erst zu reden. So lieferte Voda­fone zum Beispiel im Büro von teltarif.de im Kabel lange Zeit nach­mittags zuver­lässig unter 10 statt der verein­barten 100 MBit/s. Telefónica/o2 scheint selbst (oder sogar gerade?) die großen Touris­tenbrenn­punkte wie die Berliner Innen­stadt komplett von der Netz­ausbau­liste gestri­chen zu haben, sodass im Daten­stau dort oft genug gar nichts mehr geht. Dabei sollte sich dank der immer noch vergleichs­weise hohen Roaming-Gebühren der Netz­ausbau eigent­lich dort beson­ders lohnen.

Schuld­vorwürfe statt anpa­cken

Das Bild zeigt Arbeiten an einem Mobilfunkmast Das Bild zeigt Arbeiten an einem Mobilfunkmast
picture alliance/Daniel Reinhardt/dpa
Statt die Probleme anzu­packen, ergeht sich die Branche auch weiter in gegen­seitigen Schuld­vorwürfen, wie beispiels­weise diese Woche ange­sichts der 20-Jahr-Feier des Breko. Zum Feiern ist daher kaum einem zumute. Die Bundes­netz­agentur wird dafür kriti­siert, Teile der LTE-Frequenzen für Campus­netze für die Indus­trie zurück­gehalten zu haben, was dann angeb­lich die LTE-Lizenz­preise getrieben hat. Dabei ist der Stand­punkt der anderen Seite durchaus verständ­lich: Ange­sichts der schlechten Versor­gung mit 4G in Deutsch­land muss die Indus­trie eben stärker als in den Nach­barlän­dern fürchten, dass das in den kommenden Jahren auch mit 5G nichts wird. Insbe­sondere Telefónica ist auf Jahre hinaus mit dem 4G-Netz­ausbau perso­nell und finan­ziell ausge­lastet, wo sollen da zusätz­liche Ressourcen und Inves­titi­onsmittel für die 5G-Instal­lation herkommen?

In der Folge hat die Indus­trie beim Mobil­funk-Netz­ausbau das Heft anschei­nend lieber selber in die Hand und genommen und einen Teil der Mobil­funk-Frequenzen für sich reser­vieren lassen. Die zuge­hörigen Lizenzen, die hoffent­lich bald vergeben werden, wird sie am Ende wahr­schein­lich doch an die Mobil­funker weiter­reichen - gegen klare und prüf­bare vertrag­liche Verein­barungen zum Netz­ausbau an den jewei­ligen Stand­orten.

Bei den Frequenz­berei­chen, die bereits verstei­gert sind, hat die Telekom-Branche mit ihrer Lobby­arbeit hingegen klare Regeln zum Netz­ausbau erfolg­reich verhin­dert. Was, bitte­schön, bedeuten "100 MBit/s je Anten­nensektor"? Reicht es, wenn am opti­malen Standort im jewei­ligen Sektor um 4 Uhr früh die gefor­derten 100 MBit/s erreicht werden? Oder muss die genannte Bitrate auch abends um 20 Uhr zur Prime Time am Zellen­rand weiterhin als Reserve zur Verfü­gung stehen, falls ein User einen Down­load startet? Zwischen den beiden genannten Anfor­derungen liegen Welten. Die User wollen und brau­chen die Verfüg­barkeit jeder­zeit auch am Zellen­rand, die Telekom-Branche wird aber vermut­lich nur das genannte Minimum mit der guten Daten­rate zur Off-Peak-Zeit liefern.

Still­stand

Auch sonst stockt es: Um neue on-shore-Wind­räder oder neue Strom­kabel, um off-shore-Wind­strom in den Süden zu trans­portieren, wird auch lieber gestritten als gebaut. Dieselben Initia­tiven, die Wind­räder wegen "Infra­schall" blockieren, sind natür­lich auch erfolg­reich im Kampf gegen "Handy­strahlen". In der Schweiz hat man es hingegen geschafft, sich zu einigen. Zwar gelten für Basis­stationen die welt­weit nied­rigsten Emis­sions­werte, was den Netz­ausbau nicht gerade verein­facht, weil bei nied­rigerer Sende­leis­tung die Reich­weite sinkt und folg­lich mehr Antennen gebaut werden müssen. Doch ist offen­sicht­lich aufgrund der nied­rigen Grenz­werte die Akzep­tanz der Antennen in der Bevöl­kerung hoch: Die Netz­betreiber können ausrei­chend viele Stand­orte akqui­rieren und die Netz­abde­ckung ist insge­samt sehr gut.

Dasselbe tut nun für Deutsch­land Not: Aufhören zu streiten, ob VDSL-Vecto­ring oder für die Indus­trie reser­vierte Frequenzen schuld an der Misere sind. Sondern statt­dessen gemeinsam dort anpa­cken, wo die drin­gendsten Verbes­serungen nötig sind. Also inves­tieren statt lamen­tieren, um schneller schneller zu werden! Denn Funk­löcher gibt es mehr als genug.

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