Eine bundesweite Handyticket-App für alle?
Alle Nahverkehrsverbünde auf einer einzigen App? Das könnte ab nächstem Jahr realistischer werden.
Foto: Picture Alliance / dpa
Immer mehr Menschen nutzen den öffentlichen Nahverkehr. Künftig sollen nur wenige Klicks in einer einzigen App genügen, um mit Bus und Bahn durchs ganze Land zu kommen. Das würde auch die Städte entlasten.
DB Navigator oder Handyticket?
Alle Nahverkehrsverbünde auf einer einzigen App? Das könnte ab nächstem Jahr realistischer werden.
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Ansatzweise kommt man derzeit mit der DB-Navigator App (erhältlich für Android und iOS) der Deutschen Bahn am weitesten. Für fast alle größeren Städte bietet die Bahn City-Tickets, womit die An- oder Abreise per Eisenbahn um eine Fahrt im örtlichen Verkehrsverbund ergänzt werden kann. Neuerdings können über die Bahn-App auch Tagestickets für beliebig viele Fahrten im Zielgebiet und bei bestimmten Verkehrsverbünden sogar Nahverkehrstickets gekauft werden.
Einen vielversprechenden Ansatz bietet handyticket.de, hat aber leider nicht alle Verkehrsverbünde im Angebot.
Für jeden Anbieter eigene App?
Außerhalb davon kann es notwendig werden, für das jeweils besuchte Gebiet die örtliche App zu laden und sich dort anzumelden. Wer viel unterwegs ist, sammelt so schnell eine Menge Anbieter auf seinem Handy.
Neben der fehlenden "Einheits-App" gibt es weitere Hürden. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs geht viel zu langsam voran. Neue Anbieter wie "Uber" möchten partout auf den Markt der Mobilität und setzen alteingesessene Anbieter wie die klassischen Taxiunternehmen mit ihrer konsequenten Ausrichtung auf digitale Möglichkeiten bei maximaler Kostenminimierung unter Druck, haarscharf an der Grenze der geltenden Gesetze, oft auch schon darüber hinaus.
Neue Verkehrsmittel wie Elektroroller (E-Scooter) nehmen vom knappen Platz auf Straßen oder Gehwegen der Städte noch mehr weg.
FAZ lud zum Round Table
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte zum Round-Table-Gesprächs „Mobilität findet Stadt“ in Kooperation mit dem Automobilclub ADAC, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und den kommunalen Spitzenverbänden im Rahmen der Initiative „Deutschland mobil 2030“ eingeladen.
Der VDV lässt sich von der Digitalisierung nicht schrecken, sondern arbeitet seit Jahren daran, dass Fahrgäste in der App ihres heimischen Verkehrsunternehmens auch Fahrkarten für Fahrten in ganz Deutschland kaufen können. Vom kommenden Jahr an soll das nun wirklich möglich sein, dass ein Frankfurter mit der App seines Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) auch Tickets für die Straßenbahnen der SSB in Stuttgart kaufen kann. Das kündigte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff an.
Zunächst seien neun Verkehrsbetriebe an Bord, unter anderem aus Frankfurt (RMV - Rhein-Main-Verkehrsverbund), Stuttgart (SSB Stuttgarter Straßenbahnen), München (MVV), Bochum (Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen/Bogestra), Dortmund (Dortmunder Stadtwerke/DSW21) und Mannheim (inkl. Ludwigshafen, Heidelberg/RNV Rhein-Neckar-Verbund) oder die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) in der Region Karlsruhe. Leipzig sei im Gespräch, dort liefen aber laut VDV noch die Entscheidungsprozesse. Auch die Deutsche Bahn sei Projektpartner. Ob sie allerdings schon ab 2020 mitmache, entscheide sich erst in den kommenden Monaten. Dann soll es möglich sein, Fernverkehrsfahrkarten über das „Mobility inside“ genannte System zu kaufen, hieß es beim VDV.
Viel Aufwand im Hintergrund
So funktioniert das städteübergreifende Konzept: Die Apps der Verkehrsbetriebe verknüpfen sich im Hintergrund. Nach einem Update kann etwa ein Frankfurter in seiner RMV-App ein Ticket für einen Bus in Karlsruhe kaufen oder sich eine Stadtbahn-Verbindung in Stuttgart anzeigen lassen.
Zweiter Teil des "Mobility Inside" genannten Projektes ist laut Wagner eine ganz neue App, in der auch Städte enthalten sind, die derzeit noch gar keine Nahverkehrs-Apps anbieten.
Das Projekt ist eigentlich gar nicht so neu: Die bereits erwähnte App "Handyticket Deutschland" sei eine Art Vorgänger-Projekt des VDV, worin Nutzer schon jetzt Tickets für verschiedene Städte buchen können. Das Angebot stamme allerdings aus einer Zeit, in der Smartphones noch nicht verbreitet waren und lässt sich laut Wagner nicht so weiterentwickeln. „Das Mobilitätsverhalten hat sich verändert und sich weit über die eigene Stadt oder Region ausgedehnt, die Verkehrsverbünde sind in ihren räumlichen Grenzen aber so geblieben, wie sie sind“, sagte RMV-Chef und VDV-Vizepräsident Knut Ringat. Deshalb müssten Fahrgäste die Möglichkeit bekommen, mit einer App durch ganz Deutschland zu fahren. Die Zahl der Fahrgäste, die in Deutschland mit Bussen und Bahnen fahren, ist letztes Jahr auf den bislang höchsten Stand gestiegen. Das Problem: Viele Verkehrsmittel sind langsam und überfüllt. „Deutschland hat zu lange Investitionspolitik nach Kassenlage gemacht“, sagte VDV-Geschäftsführer Wolff. Nun habe etwa der Bund seine Mittel für den Nahverkehr erhöht – doch bis neue Strecken fertig seien, dauere es. „Unter dem Strich muss man sagen: Wir leiden heute noch, trotz Investitionshochlauf in den letzten Jahren, unter den jahrzehntelangen Versäumnissen der Vergangenheit“, sagte Wolff.
Neue Gewohnheiten, neue Anbieter
Jetzt wo es endlich Geld gäbe, sind Bauunternehmen Mangelware, was zu enormen Preissteigerungen führt. Eine Lösung könnten die maximale Beschleunigung von Planungsverfahren und Genehmigungsprozessen sein.