Brandbrief

Verbände lehnen Fusion Vodafone & Unitymedia massiv ab

Die Verbände Breko, Buglas (breitbandige Glasfaser), Vaunet (private Radio­anbieter) und die Deutsche Netz Marketing Ge­sellschaft (200 Kabel­netz­be­treiber) fürchten nach der Vodafone-Unitymedia-Fusion ein neues Monopol.
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Die Fusion von Vodafone und Unitymedia stößt nicht überall auf Zustimmung. Die Fusion von Vodafone und Unitymedia stößt nicht überall auf Zustimmung.
Fotos: Vodafone/Unitymedia, Montage: teltarif.de
Lange Zeit war es um die geplante Fusion von Vodafone und Unitymedia recht ruhig. Die letzten Wasserstandsmeldungen besagen, dass die federführende EU-Kommission im April ein Urteil fällen wolle. Wie das ausgeht, bleibt im Moment unklar, da alle Beteiligten sich strengstes Stillschweigen auferlegt haben. Selbst wenn die EU-Kommission grünes Licht gibt, könnte das deutsche Kartellamt noch bestimmte Auflagen diktieren, etwa dass die fusionierte Vodafone-Unitymedia ihre Kabelnetze im Rahmen eines "Vorleistungsproduktes" auch für "Drittanbieter" öffnen müsse. Im Klartext: Einen "Kabelanschluss" mit der Technik von Vodafone/Unitymedia könnte der Kunde dann beispielsweise über die Deutsche Telekom oder private Anbieter wie Gelsen.Net oder Entega etc. bestellen und hätte als Endkunde vertraglich mit Vodafone gar nichts zu tun.

Netz- und Programm-Anbieter haben starke Bedenken

Die Fusion von Vodafone und Unitymedia stößt nicht überall auf Zustimmung. Die Fusion von Vodafone und Unitymedia stößt nicht überall auf Zustimmung.
Fotos: Vodafone/Unitymedia, Montage: teltarif.de
Nun melden sich der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas), der Verband Privater Medien (Vaunet) sowie die Deutsche Netzmarketing GmbH DNMG (sie vertritt 200 Kabelnetzbetreiber) deutlich zu Wort und warnen eindringlich vor den Folgen einer möglichen Fusion von Vodafone und Unitymedia.

Mit der Übernahme von Unitymedia strebe Vodafone die Re-Monopolisierung des Kabelmarktes in Deutschland an, befürchten die Kritiker. Kleinere Wettbewerber würden dadurch – auch zu Lasten der Kunden – aus dem Markt gedrängt. Zudem würde der zukunftssichere Glasfaserausbau in Deutschland erheblich verzögert.

Auswirkungen auf Wohnungswirtschaft und Mieter

Zwanzig Jahre nach der Liberalisierung des Marktes liege damit ein Fusionsvorhaben bei der EU-Kommission zur Prüfung, das einen Mega-Player mit über 14 Millionen angeschlossenen Haushalten oder rund 30 Millionen Nutzern auf etwa 80 Prozent Marktanteil im Breitbandkabelmarkt kommen würde. Kleinere Wettbewerber würden dadurch aus dem Markt gedrängt, zum Schaden der Endkunden.

Der Zusammenschluss würde den "Gestattungswettbewerb" gefährden, worüber die Wohnungswirtschaft günstige Infrastruktur- und Medienversorgung zugunsten der Mieter realisieren kann. Ohne diesen "Gestattungswettbewerb" werde das zusammengeschlossene Unternehmen "Vodafone-Unitymedia" nicht bereit sein, in den Glasfaserausbau von Mehrfamilienhäusern (FTTB/FTTH) zu investieren. Dadurch werde die künftige Glasfaseranbindung und neutrale Medienversorgung der Mieter in Frage gestellt. Mittelfristig müssten die Mieter mit Preiserhöhungen rechnen.

Zudem berge der geplante Zusammenschluss erhebliche Gefahren für die Medienvielfalt in Deutschland. Er lasse einen "Gatekeeper" (= Türwächter) entstehen, der bei fast der Hälfte der deutschen Fernsehhaushalte den Zugang zu Medieninhalten kontrollieren würde. In diesem Verhältnis müssten TV- oder Radio-Sender und andere Inhalteanbieter die von Vodafone-Unitymedia diktierten Konditionen akzeptieren, um überhaupt noch verbreitet zu werden.

Neben einer Erhöhung der Einspeiseentgelte rechnen die Anbieter insbesondere mit einer Verschlechterung der Nutzungsbedingungen, etwa bei der Verbreitung von HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) oder dem Zugang zu erhobenen Nutzungsdaten. Zudem könnte das fusionierte Unternehmen durch die Quasi-Monopolstellung eine dominante Position auf dem Rechtemarkt einnehmen und sich sukzessive exklusiven Content (z.B. begehrte Sportrechte) sichern. Wenn der kleine Kabel-Anbieter "XY-Kabel" attraktive Fußballspiele nicht (mehr) zeigen könne, würden viele Kunden wo immer möglich zur größeren Vodafone/Unitymedia wechseln.

Auswirkungen auf Verbraucher

Verbraucher hätten durch Preiserhöhungen und schwindende Angebotsvielfalt elementare Nachteile. Die Tendenz bei den großen Netzbetreibern gehe bereits heute zu komplexen Paket-Angeboten (Festnetz, Mobilfunk, TV, Internet). Diese seien dann problematisch, wenn sie Elemente enthalten, die der Verbraucher gar nicht wünscht und dennoch dafür bezahlen muss. Aufgrund der Marktmacht des fusionierten Unternehmens stünde zu befürchten, dass Einzeltarife, die den individuellen Bedarf von Konsumenten eher berücksichtigen, durch immer teurer werdende intransparente Bundle-Angebote ersetzt würden.

Auswirkungen auf kleinere Kabelnetzbetreiber

Der deutsche Kabelmarkt werde bereits heute von einem Duopol dominiert: Vodafone und Unitymedia. Die entstehende Marktdominanz des fusionierten Mega-Players würde die kleineren Wettbewerber in ihrem Geschäftsmodell bedrohen. Gerade die kleineren Wettbewerber seien der Motor für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur in Deutschland. Die geplante Fusion würde den Markt de facto re-monopolisieren, was das Bundeskartellamt bei den mehr oder weniger gleichen beteiligten Kabelnetzbetreibern in den letzten 14 Jahren wiederholt verhindert habe.

Auswirkungen auf Infrastrukturausbau

Von der Fusion zwischen Vodafone und Unitymedia erhofft sich Vodafone günstigeren Zugriff zu den Endkunden. Verschiedene Verbände befürchten ein Monopol. Von der Fusion zwischen Vodafone und Unitymedia erhofft sich Vodafone günstigeren Zugriff zu den Endkunden. Verschiedene Verbände befürchten ein Monopol.
Bild: teltarif.de
Der schleppende Glasfaserausbau in Deutschland sei auch darauf zurückzuführen, dass die großen Netzbetreiber ihre Bestandsnetze so lange wie möglich amortisieren wollten und zukunftsorientierte Investitionen scheuten. Ohne den Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern im wohnungswirtschaftlichen Gestattungsmarkt werde das zusammengeschlossene Unternehmen noch weniger Bereitschaft zeigen, in den wichtigen Glasfaserausbau bis mindestens ins Gebäude (FTTB/H) zu investieren. Ein neues Duopol, bestehend aus Deutsche Telekom und dem fusionierten Unternehmen Vodafone, lasse den Infrastrukturwettbewerb in Deutschland mittelfristig stagnieren.

Aufgrund dieser massiven negativen Auswirkungen halten die Unterzeichner dieser gemeinsamen Erklärung den Zusammenschluss von Vodafone und Unitymedia für nicht genehmigungsfähig. Aber auch die Deutsche Telekom hält von der Fusion nichts und hat das mehrfach durchblicken lassen.

Welche Vorteile hat die Fusion für Vodafone?

Vodafone verfolgt mit der Fusion mit Unitymedia im Wesentlichen zwei Ziele. Zum einen möchte man über das "Kabelnetz" der Unitymedia (und dem bereits integrierten Kabel-Anbieter "Kabeldeutschland") einen "eigenen" direkten Zugang zum Endkunden haben, ohne die teure "letzte Meile" bei der Telekom mieten zu müssen. Zum zweiten erhofft sich Vodafone, die eine oder andere Mobilfunksendestation über das "Netz" der Breitbandkabelanbieter erreichen und versorgen zu können, was ebenfalls die "schmerzhaften" Kosten für die schnellen Versorgungsleitungen zu den eigenen Mobilfunk-Sendestationen reduzieren kann.

Kabel war nur für analoges TV gedacht

Das verlegte TV-Koaxkabel ist für digitale Telefonie und Internet-Daten eigentlich nie gedacht gewesen. Es sollte "nur" analoge TV- und Radio-Signale transportieren und vielleicht noch einfache "Rückkanal-Dienste" ermöglichen, etwa wo Zuschauer bei einer Sendung hätten "abstimmen" können. Analoge Rückkanäle wurden aber praktisch nie realisiert.

Mit dem DOCSIS-Protokoll gelang es, die Koaxnetze halbwegs telefonie- und datentauglich zu machen, dazu mussten aber mehr Verteilpunkte für Signale an die einzelnen Endkunden ("Cluster") gebaut werden. Die Zuführung zu den Clustern wird auf die Dauer durch echte Glasfaser ersetzt, im Haus wird aber weiterhin die verlegte Koax-Leitung genutzt. Kunden von Kabelnetzen berichteten immer wieder über unerklärliche Störungen beim Telefonanschluss.

Bis zu 1 Gigabit?

Vodafone bzw. Unitymedia werben mit Gigabit-Geschwindigkeiten von bis zu 1 GBit/s, die aber nur im Downstream erreicht werden können. Der Upstream ist (mit etwa 40 MBit/s) weiterhin relativ schwach, was besonders professionelle Nutzer betrifft. Aufgrund der speziellen Infrastruktur sind bei Breitbandkabelnetzen "Bitstream"-Produkte, wie sie die Deutsche Telekom ihren Mitbewerbern verpflichtend anbieten muss, kaum zu realisieren. Vodafone behält bei der Kabel-Technologie weitgehend die Kontrolle über den Zugang zum Endkunden und lästige Konkurrenz bleibt vor der Tür.

Wie sich die EU entscheiden wird, bleibt noch spannend.

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