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5G: So funktioniert der aktuelle Mobilfunk-Standard

Die logi­sche Weiter­ent­wick­lung von LTE (4G) heißt 5G. Das revo­lutio­niert die Mobil­funk­nutzung, da mit einem neuen Netz gleich mehrere Netz-Archi­tekturen gebaut und Anfor­de­rungen erfüllt werden.
Von / / Julian Ruecker

Eine andere Möglich­keit zur Stei­ge­rung der effek­tiven Band­breite zeigte Kumu Networks schon 2015 auf dem Mobile World Congress am Stand der spani­schen Telefónica:

Full Duplex, also das gleich­zei­tige Senden und Empfangen auf ein- und derselben Frequenz. In kabel­ge­bun­denen Medien, allen voran dem bekannten Ethernet, ist die Full-Duplex-Über­tra­gung bereits Stan­dard. Für Funk­me­dien ist sie aber noch neu und tech­nisch eine enorme Heraus­for­de­rung.

So ist bei kabel­ge­bun­dener Über­tra­gung über kurze Entfer­nungen das Sende­si­gnal 1 bis 3 Größen­ord­nungen (entspre­chend einem Faktor 10 bis 1000) stärker als das Empfangs­si­gnal. Bei Funk­über­tra­gung mit typi­schen Abständen zwischen Handy und Basis­sta­tion beträgt die Stärke des von der Gegen­stelle empfan­genen Signals hingegen oft nur ein Milli­ardstel des ausge­sen­deten Signals! Entspre­chend schwie­riger ist die Tren­nung der beiden Kanäle.

Zwar arbeiten in 4G-Netzen beim hier­zu­lande übli­chen FDD (frequency divi­sion duplex) schon derzeit Sender und Empfänger gleich­zeitig, aber auf unter­schied­li­chen Frequenzen.

Durch die Diffe­renz von beispiels­weise 190 MHz (bei UMTS 2100) oder 59 MHz (bei LTE 800) zwischen Uplink- und Down­link-Frequenz können Basis­sta­tion und Smart­phone jeweils das eigene Signal sicher vom Signal der Gegen­stelle trennen. Aber genau dieses Verfahren ist bei einer Full-Duplex-Über­tra­gung nicht mehr anwendbar.

Probleme und Lösungen der Full-Duplex-Über­tra­gung

Um bei einer Full-Duplex-Über­tra­gung das eigene und das fremde Signal sauber zu trennen, ist es nötig, alle Rück­kopp­lungen des eigenen Signals zu ermit­teln und vom empfan­genen Signal abzu­ziehen. Das betrifft nicht nur die Rück­kopp­lung direkt an der Antenne, auch, wenn diese ener­ge­tisch mit Abstand am höchsten ist.

Denn genauso, wie wir an geeig­neten Orten ein Echo unserer eigenen Sprache hören können, empfängt das Smart­phone auch zahl­reiche Echos seiner eigenen Aussen­dungen. Dabei sind Echos von planen Objekten, die sich näher befinden, als etwa der halbe Abstand zwischen Basis­sta­tion und Smart­phone, stärker als das erwünschte Signal des Gegen­übers, denn der Gesamtweg Smart­phone -> Echo­ob­jekt -> Smart­phone ist dann kürzer als der Weg Basis­sta­tion -> Smart­phone.

Sind die reflek­tie­renden Objekte geeignet gewölbt, in der Form eines Hohl­spie­gels, und passend ausge­richtet, können die von diesen zurück­ge­wor­fenen Echos des eigenen Signals im Einzel­fall selbst dann das direkte Signal der Gegen­stelle über­tönen, wenn sie deut­lich weiter entfernt sind als diese.

Da sich die Echo­land­schaft laufend und schnell ändert, beispiels­weise durch Körper­be­we­gungen des Smart­phone-Nutzers, durch die Verän­de­rung der Smart­phone-Ausrich­tung oder durch die Bewe­gung von Fahr­zeugen (entweder mit dem Smart­phone oder auf einer in der Nähe laufenden Straße), muss die Echo-Signatur laufend neu ermit­telt werden. Allein die dafür nötigen Berech­nungen hätten vor einem Jahr­zehnt noch die Leis­tung eines Super­com­pu­ters benö­tigt.

Hinzu kommt, dass die Voll-Duplex-Über­tra­gung nur dann eine deut­liche Stei­ge­rung der Kanal­ka­pa­zität bewirkt, wenn Up- und Down­stream ähnlich hohe Bitraten haben. Wenn die Bitraten hingegen deut­lich unter­schied­lich sind, reicht bereits der Wechsel von FDD (wo für Up- und Down­link getrennte Frequenz­bänder reser­viert werden) zu TDD (wo ein Frequenz­band im zeit­li­chen Wechsel glei­cher­maßen für Up- und Down­link verwendet wird), um den Uplink-Kanal und die dafür benö­tigte Band­breite einzu­sparen.

In einem Szenario mit vielen, nah zuein­ander befind­li­chen Endge­räten dürfte das Full-Duplex-Verfahren zudem komplett schei­tern. Es ist daher eine span­nende Tech­no­logie-Option für Punkt-zu-Punkt-Funk­stre­cken mit symme­tri­schem Daten­ver­kehr, aber wahr­schein­lich nichts für den allge­meinen Mobil­funk.

Ok, Full Duplex bringts nicht.

Pola­ri­sie­rung: Links- und Rechts­dre­hend

Einen weiteren Trick zur Stei­ge­rung der Kanal­ka­pa­zität kennt man aus dem 3D-Kino oder vom heimi­schen 3D-Fern­seher: die Pola­ri­sa­tion. Die beiden Gläser einer 3D-Brille lassen jeweils nur rechts­dre­hendes bzw. links­dre­hendes Licht durch. Der Projektor kann so zwei Film­se­quenzen gleich­zeitig via Lein­wand zum Benutzer über­tragen - einmal den Film aus der Perspek­tive des rechten Auges und einmal aus der Perspek­tive des linken.

Dieselbe Kanal­stei­ge­rung um den Faktor 2 ist auch bei Funk­sys­temen verwendbar. Beim Satel­liten-TV ist sie bereits Stan­dard, die Kanäle sind entweder hori­zontal oder vertikal pola­ri­siert. Zwar haben H- und V-Kanäle unter­schied­liche Mitten­fre­quenzen, die Kanäle sind jedoch so breit, dass sich benach­barte H- und V-Kanäle über­lappen. Die zur Verfü­gung stehende Gesamt­band­breite wird dadurch bei Satel­li­ten­sys­temen (in etwa) verdop­pelt.

Ein 'mobiles' 5G-Endgerät, Stand Anfang 2016 Ein "mobiles" 5G-Endgerät, Stand Anfang 2016
Bild: teltarif.de
Im Mobil­funk ist die Nutzung der Pola­ri­sa­tion aber ungleich schwie­riger. Anders als Satel­li­ten­an­tennen sind Smart­phones nicht orts­fest. Ein Schwenk um 90 Grad, und die Bedeu­tung von "hori­zontal" und "vertikal" vertauscht sich genau.

Schlimmer noch, ein Schwenk um 45 Grad bewirkt, dass die Hori­zontal- und die Vertikal-Antenne jeweils das hori­zontal und das vertikal ausge­sen­dete Signal genau gleich stark empfangen - das lässt sich dann, anders als beim 90-Grad-Schwenk, auch mit der Auswer­te­elek­tronik nicht mehr ausein­ander sortieren.

Das Problem mit dem Handy-Schwenk

Verwendet man nicht ein hori­zontal und ein vertikal pola­ri­siertes Signal, sondern wie im Kino zwei zirkular pola­ri­sierte Signale, nämlich links­dre­hend und rechts­dre­hend, umgeht man das Problem mit dem Handy-Schwenk: Egal, wie stark man das Handy dreht, links­zir­kular bleibt links­zir­kular und rechts­zir­kular bleibt rechts­zir­kular.

Nur: Bei Refle­xionen an Wänden oder belie­bigen anderen Ober­flä­chen wird aus links- dann rechts­dre­hend und umge­kehrt. Und viele Smart­phones im "Funk­schatten" einer Basis­sta­tion sind über­haupt nur über Ausbrei­tungs­wege erreichbar, die eine oder mehrere Refle­xionen enthalten.

Im Worst Case kommen zwei Signale mit refle­xi­ons­be­dingt unter­schied­li­cher Dreh­rich­tung gleich stark beim Empfänger an. Ein doppelt reflek­tiertes links­dre­hendes Signal und ein drei­fach reflek­tiertes rechts­dre­hendes Signal ergeben beim Empfänger dann zusammen ein linear pola­ri­siertes Signal.

Dessen Schwin­gungs­rich­tung kann hori­zontal, vertikal oder ein belie­biger Winkel dazwi­schen sein. Wenn sich durch Bewe­gung des Smart­phones das Verhältnis der Weglängen des doppelt und drei­fach pola­ri­sierten Signals ändert, dann rotiert die Pola­ri­sa­ti­ons­ebene.

Lange Rede, kurzer Sinn: Auch, wenn einige wenige Aussteller auf dem Mobile World Congress die Nutzung der Pola­ri­sa­tion als mögliche weitere Maßnahme zur Kapa­zi­täts­stei­ge­rung nannten, ging das 5G White Paper der NGMN mit keiner Silbe darauf ein. Wahr­schein­lich zu Recht!

Gerade dort, wo die Empfangs­si­tua­tion derzeit schon schwierig ist, dürften auch mit Nutzung der Pola­ri­sa­tion keine zusätz­li­chen Bits ankommen.

Fazit: Was bringt 5G? Und sind die Ziele über­haupt erreichbar?