5G: Vom Hype zur Ernüchterung
Man wird versuchen, auf möglichst niedrigen Frequenzen (hierzulande am tiefsten bei 700 MHz) möglichst große Flächen mit 4G/5G-Mobilfunk-Signalen abzudecken. Für die buchstäbliche Milchkanne, die ihren Füllstand oder die Temperatur an die Zentrale funken möchte, würde das absolut ausreichen. Überall da, wo viele Nutzer mit großem Datenbedarf zu finden sein werden, wird man auf höheren Frequenzen verdichten, sprich Sender dazu stellen, die dann auf 1800, 2600 oder 3,4-3,8 GHz funken.
Der größte Treiber für die 5G-Entwicklung ist die Produktionsindustrie. Wenn eine Firma heute dies und morgen das produzieren will, muss sie ihre Fließbänder anhalten und umbauen und alle Geräte frisch verkabeln. Das kostet viel Zeit und Geld. Da wäre es doch schön, wenn man die Kabel sein lassen und alles "drahtlos" machen könnte.
"Drahtlos" heißt auf englisch "Wireless". WiFi (Wireless Fidelity) oder WLAN (Wireles Local Area Network) funkt nach Standards bei 2,4 GHz oder 5 GHz, aber diese Bänder sind hoffnungslos verstopft mit Fernsteuerungen, Kopfhörern, Computer-Tastaturen oder Mäusen, und alles ist ungeregelt. Viele Firmen versuchen sich auf WLAN, haben aber oft Probleme.
Was Eigenes, bitte
Zu den 3 etablierten Netzbetreibern kommt für 5G noch ein 4. Anbieter dazu.
Fotos: Telekom/o2/Vodafone, Montage; teltarif.de
Also möchte die Industrie Frequenzen haben, wo klar geregelt ist, wer wann wie funken kann und darf. Da der Mobilfunkausbau in Deutschland so unendlich langsam vom Fleck kommt, verlor die Industrie die Geduld und fragte nach eigenen Frequenzen, um in Eigenregie schneller ausbauen zu können. Die Idee der Campus-Frequenzen wurde geboren, die es so nur in Deutschland gibt.
Wie sieht der Fahrplan aus?
Die großen Mobilfunkanbieter bauen in Großstädten mehr oder weniger koordiniert 5G-Stationen aus, befinden sich aber momentan noch im Experimentier- und Versuchsstadium. Die ekelhaft hohen Frequenz stecken voller Überraschungen. Wer schon ein 5G-fähiges Smartphone mit freigeschalteter SIM-Karte hat, wird einige Überraschungen erleben. Die oft propagierten 1 GBit/s Download-Rate bei 5G sind nur unter absolut idealsten Bedingungen möglich, d.h. freie unbelastete Zelle und freie Sicht auf die Antenne und kein anderer Nutzer, der per "Beamforming" das Hauptsignal bekommt.
Die Industrie wird bauen
Interessierte Industriebetriebe werden Campus-Netze mit 5G-Technik aufbauen. Teilweise auf den exklusiven Campus-Frequenzen, teilweise auch auf "öffentlichen" Frequenzen mit Hilfe eines etablierten Netzbetreibers wie Telekom, Vodafone oder Telefónica und künftig (irgendwann) vielleicht auch 1&1-Drillisch.
Und wir Kunden?
Für Mobilfunkkunden, die vor der Entscheidung für ein Neugerät stehen, offen für neue Technik sind und dafür auch Geld ausgeben können oder wollen, kann die Kaufentscheidung für ein 5G-Gerät interessant sein, um am Puls der Zeit dabei zu sein. Die ausgelieferten Geräte werden einige Updates bekommen, bis die Hardware nicht mehr geeignet ist, die Technik ist schnelllebig.
Wer ein Handy als Arbeitswerkzeug sieht, braucht 5G im Moment noch nicht. Man sollte unbedingt darauf achten, dass das gewünschte Gerät 4G (LTE) beherrscht, und zwar nicht nur für LTE-Daten, sondern auch VoLTE (Sprache über LTE) und VoWiFi (Sprache über WLAN), und der gebuchte Tarif das auch beherrscht.
Wo gibt es 5G?
In Deutschland wird 5G derzeit von zwei Netzbetreibern angeboten, nämlich Telekom und Vodafone. Bei beiden Anbietern braucht man einen aktuellen Laufzeit-Tarif, der für 5G (meist ohne Aufpreis) freigegeben ist, eine 5G-fähige SIM-Karte (das sollte jede SIM-Karte sein, die 3G/4G unterstützt, ältere SIM-Karten müssen ggf. ausgetauscht werden) und ein 5G-fähiges Endgerät. Das Angebot ist derzeit noch überschaubar, aber ständig kommen neue Modelle dazu.
5G mit Prepaid gibt es versuchsweise bei Vodafone, kann aber jederzeit wieder abgeschaltet werden.
Der Netzbetreiber Telefónica (o2) hat den 5G-Start für 2020 auf der Agenda. Wir erwarten Stationen in Berlin, München und weiteren Ballungsgebieten. Daneben wird Telefónica den Ausbau mit 4G in der Fläche vorantreiben müssen, wobei auch das eigene Verbindungsnetzwerk, das die Signale von und zu den Sendestationen transportiert aufgebohrt werden muss, denn "LTE" alleine, bedeutet nicht automatisch beste Datenraten.
Rätselraten um Nummer vier
Der Netzbetreiber "1&1-Drillisch" wird mit "ausgeliehenen" Frequenzen von o2 bei 2600 MHz anfangen. Diese Frequenzen eignen sich nur für stark besuchte Bereiche (Fußgängerzonen, Bahnhöfe, Einkaufszentren). Durch die Partnerschaft mit o2 ist davon auszugehen, dass 1&1-Drillisch schon zum Netzstart eine relativ gute Verfügbarkeit für 2G-3G-4G-Sprachtelefonie haben wird. Die mögliche Datenversorgung wird der des o2-Netzes entsprechen. Bis es eine nennenswerte 5G-Versorgung geben wird, kann es noch dauern.
Auch gilt es nicht als ausgemacht, ob 1&1-Drillisch überhaupt mit 5G an den Start geht, wenn sich aufgrund einer politisch schwer abschätzbaren Regulierung von Lieferanten (Bedenken gegen "Made in China") die geplanten Geschäftsmodelle nicht mehr rechnen sollten. Als Neueinsteiger hat 1&1-Drillisch nur Chancen über den Preis, der muss also spürbar günstiger sein als alles, was bisher da gewesen ist. Warum sollte sonst jemand dorthin wechseln?
Nach der Betrachtung der 5G-Lage in Deutschland werfen wir einen Blick über die Grenzen und räumen mit bestimmten Mythen über 5G auf und werfen einen kurzen Blick auf 6G.