Abgesang

Editorial: Sterben auf Raten

Microsoft wickelt die Nokia-Hardwaresparte größtenteils ab. Ist es die richtige Entscheidung, einen kleinen Teil des Hardware-Geschäfts dennoch weiterzubetreiben?
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Das Trauerspiel geht weiter: Nokia, einst mit Abstand Weltmarktführer im Bereich Handy und Smartphone, wird abermals gerupft. Nachdem die Handy- und Smartphone-Abteilung 2013 an Microsoft verkauft worden war und 2015 die Markenbezeichnung von "Nokia" in "Microsoft" geändert wurde, folgen nun die nächsten Hiobsbotschaften: Das Smartphone-Geschäft wird so gut wie eingestellt, die Feature-Phone-Sparte geht an den chinesischen Auftragsfertiger Foxconn.

Künftig soll es nur noch Smartphones mit Continuum geben, der Microsoft-Lösung, mit der sich ein Smartphone auch als PC-Ersatz verwenden lässt. Das wird es Microsoft zwar ermöglichen, wieder erheblich höhere Margen zu erzielen als mit dem Lumia-Massengeschäft, bei dem Microsoft zuletzt nur noch über den Preis punkten konnte. Nur: wirklich beliebt werden die Continuum-Smartphones auch nicht sein. Die meisten Menschen sind doch froh, wenn sie abends das Büro verlassen können, ohne die Arbeit mit nach Hause nehmen zu müssen!

Mit Continuum arbeitet sich Microsoft also noch weiter in die Nische vor - und zwar in eine Nische, in der Research in Motion mit den Blackberry-Smartphones nur vorübergehend gut auskam. Zwar sind alle Manager der Welt froh, wenn sie im Notfall auch mal eine E-Mail vom iPhone oder Androiden aus schicken können. Sie sind aber auch froh, dass dieser Notfall klar als solcher erkennbar ist und dass der Sysadmin oft ganz gehörig schwitzen muss, um diese Notversandmöglichkeit für E-Mails überhaupt einzurichten. Denn eine nahtlose Integration von Heim- und Büroarbeitsplatz, wie sie Microsoft mit Continuum anstrebt, ist für die meisten Manager nicht Wunsch-, sondern Alptraum.

Auch und gerade die oberen Führungsetagen wissen um den hohen Wert von echter Freizeit, wenn alle Handys aus sind und man sich mit ein paar Freunden auf das konzentiert, was einem Spaß macht. Zwar wird von den mittleren und unteren Führungsebenen immer wieder gerne zeitliche Flexibilität gefordert. Das Endgerät, das diese Flexibilität ermöglicht, wird in diesen Schichten dann aber garantiert nie beliebt sein! Entsprechend stark werden sich die Mitarbeiter gegen von der oberen Führung auferlegte Continuum-Experimente wehren, und entsprechend gering wird der tatsächliche Vorteil für die Firmen ausfallen, die umstellen.

Das Ende vom Lied ist also jetzt schon absehbar: Microsofts von Nokia übernommene Handy-Sparte verliert noch mehr an Bedeutung und wird in zwei oder drei Jahren endgültig abgewickelt.

Windows 10 zurück in die Unabhängigkeit?

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Möglicherweise hofft man bei Microsoft darauf, dass andere Handy-Hersteller wieder verstärkt auf den Windows-10-Zug aufspringen, wenn Microsoft die eigene Handy-Produktion einstellt. Doch warum, bitte, sollten Samsung, Sony und Co. in Windows Mobile investieren, wenn sich Android-Smartphones vielfach besser verkaufen als Windows-Smartphones? Zumal es im Zweifelsfall immer auch auf den Smartphone-Hersteller mit zurückfällt, wenn die User wegen schlechter App-Versorgung ihr Gerät vorzeitig stilllegen.

Folglich werden es auch die anderen Hersteller nicht richten, es sei denn, Microsoft lockt sie mit Subventionen in Milliarden-Höhe. Doch wenn der Konzern bereit wäre, derart viel Geld in die Hand zu nehmen, könnte er auch die eigene Hardware-Sparte weiterführen.

Die Continuum-Entscheidung rangiert Windows 10 Mobile also endgültig aufs Abstellgleis. Von da wird Microsoft Windows 10 Mobile auch nicht mehr herunterbekommen. Je schneller und klarer Microsoft dieses akzeptiert, und ihre Mobile-Strategie dahingehend ausrichtet, dass Office und Co. im Notfall auch auf dem iOS- oder Android-Smartphone laufen, desto besser wird der Konzern dastehen. Je länger man das halbtote Windows 10 Mobile noch künstlich am Leben erhält, desto öfter werden Hiobsbotschaften durch die Medien gehen. Ein Ende mit Schrecken, nämlich die Einstellung des Projekts, wäre daher besser als der aktuelle Schrecken ohne Ende.

Nokia als Marke zurück?

Gleichzeitig melden wir, dass es demnächst wieder Nokia-Smartphones geben wird. Von Nokia ist bei diesen freilich nur die Marke, die Entwicklung der Hardware übernimmt ein Hersteller namens HMD, das Zusammenschrauben vermutlich ein Auftragsfertiger, und das Android-Betriebssystem kommt von Google. Sollte HMD gute Geräte zu einem guten Preis bauen, kann Nokia auch schnell wieder zu einem Achtungserfolg finden. Wirklich Marge wird sich auf diesem Weg aber nicht machen lassen - die Verbraucher können schon ganz gut zwischen Billig-Smartphones und hochwertigen Geräten unterscheiden. Im Smartphone-Markt verdient nur einer richtig Geld - und das ist Apple.

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