EGMR entscheidet über Registrierungspflicht bei Prepaid-SIM
Verstößt die Registrierungspflicht bei Prepaid-SIM-Karten gegen Menschenrechte? Diese Frage sollte am Donnerstag geklärt werden.
Foto: Picture Alliance / dpa
Am Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) unter dem Aktenzeichen 50001/12 über die Frage, ob das deutsche Verbot anonymer Prepaid-Mobilfunk-SIM-Karten zulässig ist. Geklagt hat der Europaabgeordnete und Bürgerrechtler Patrick Breyer (Piratenpartei). Breyer hofft, dass der Gerichtshof ein Recht auf anonyme Kommunikation und anonymen Internetzugang anerkennt.
Patrick Breyer findet, "die von SPD und Grünen 2004 eingeführte Zwangsidentifizierung aller Nutzer von Prepaidkarten muss ebenso gestoppt werden wie die zuletzt eingeführte Ausweispflicht. Sie gefährdet die freie und unbefangene Kommunikation und Internetnutzung, die in unserer Gesellschaft unverzichtbar sind."
Viele EU-Staaten kommen auch ohne Anmeldezwang klar
Verstößt die Registrierungspflicht bei Prepaid-SIM-Karten gegen Menschenrechte? Diese Frage sollte am Donnerstag geklärt werden.
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Viele EU-Mitgliedsstaaten verfolgen Straftaten auch ohne ein Generalverbot anonymer Handykarten erfolgreich. Eine Zwangsidentifizierung bringe Strafverfolgern nichts, weil viele ausländische Prepaidkarten weiterhin registrierungsfrei genutzt oder von anderen Personen (Strohmännern) registrierte Karten weitergegeben werden können.
Wo Anonymität wichtig sein kann
Was in Deutschland (zum Glück noch) nicht so kritisch empfunden wird, kann aber im Einzelfall wichtig werden: "Anonymität sei essenziell für Presseinformanten, für die anonyme Äußerung unliebsamer Meinungen im Internet und für die vertrauliche Koordinierung politischer Proteste, für die psychologische, medizinische und juristische Beratung sowie für Selbsthilfegruppen. Ihr Fehlen kann Menschenleben kosten, z. B. wenn sich Straftäter aus Furcht vor Verfolgung nicht mehr anonym an die Telefonseelsorge wenden können."
Die Vorgeschichte
Der Beschwerdeführer Patrick Breyer ist Bürgerrechtler, Datenschützer und Europaabgeordneter der Piratenpartei. Er hatte vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits teilweise Erfolg: "In der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung."
Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Januar 2012 das Recht auf anonyme Kommunikation und einen anonymen Internetzugang nicht anerkannt hatte, soll diese Frage nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geklärt werden.
Patrick Breyer, der zusammen mit dem Rechtsanwalt Jonas Breyer Beschwerde gegen das deutsche Verbot des Vertriebs anonymer Prepaid-Handykarten eingereicht hat, rechnet sich in Straßburg gute Chancen aus. Der Europarat habe in einem Bericht bereits vor einer Entwicklung gewarnt, welche die "Kommunikationsfreiheit behindern kann, weil sie das Maß an Anonymität mindert, der sich Teilnehmer und Nutzer unter Umständen bei der Benutzung des Telefons bedienen wollen, indem sie gezwungen werden, ihre Identitäten offenzulegen."
Anonym Karten tauschen?
Aktivisten haben bereits eine Tauschbörse für Prepaid-Handykarten organisiert, die für deutsche und österreichische Karten nutzbar sein soll. Aus den Infos auf der Seite kann man aber vermuten, dass die Seite schon länger nicht mehr aktualisiert wurde, dort wird beispielsweise noch die Marke "Simyo" empfohlen.
Die Tauschseite daten-speicherung.de erklärt dazu, dass es gesetzlich nicht verboten sei, Handykarten zu tauschen. Zu beachten ist, dass die Person, welche eine Karte einschickt, die auf den Namen des Absenders, einen Vertrag mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossen hat, der auch nach Weitergabe der Handykarte fortbesteht.
Praktische Risiken der Weitergabe
Da es sich um eine Guthabenkarte handelt, entstehen daraus im Normalfall keine Verpflichtungen. Aber: Bei "unechten" Prepaidkarten könnte man für Überziehungen des Guthabens in Anspruch genommen werden. Es soll auch Anbieter geben, die mit juristisch "zweifelhaften" Klauseln Schadensersatz bei einer Kartenweitergabe fordern.
Der neue Inhaber der Karte könnte die bei der ursprünglichen Kartenregistrierung angegebenen Personalien (Name, Anschrift, Geburtsdatum) herausfinden und damit "Unsinn" anstellen. Wurde beim Anmelden eine Bankverbindung angegeben, könnte der neue Besitzer diese Karte beispielsweise zu Lasten dieses Bankkontos aufladen.
Wenn mit der Karte Missbrauch getrieben wird, kann die registrierte Person zu unrecht in den Verdacht einer Straftat kommen. Das Portal verspricht, eine Bestätigung zu verschicken, dass die alte Handykarte eingetauscht wurde (unter Angabe der Rufnummer der Karte) und dass die Karte an eine zufällige Person weiter versandt wurde.
Falls der europäische Gerichtshof die Registrierungspflicht wirklich kippen sollte, dürften solche Konstruktionen künftig für die Betroffenen nicht mehr notwendig sein.