Das TV-Bild des Senders ist unantastbar
Der Medienstaatsvertrag ist die Fortentwicklung des Rundfunkstaatsvertrags, der in Zeiten von YouTube und Netflix zu stark auf das lineare Fernsehen zentriert ist und damit die wachsende non-lineare Nutzung zum Beispiel durch Mediatheken oder Video on Demand (VoD) nicht abdeckt. Das soll sich mit dem Medienstaatsvertrag nun ändern. Da jedoch immer mehr Unternehmen um die Gunst des Zuschauers buhlen, wird mit harten Bandagen gekämpft. Die TV-Sender liegen mit den Anbietern von Medienplattformen wie etwa Kabelnetzbetreiber, IPTV-Anbieter oder Smart-TV-Hersteller über Kreuz. Es geht um die Regelungen zur Überblendung und Skalierung des Fernsehbilds.
Wird das Bild zur Einblendung eigener Inhalte skaliert, ist für die TV-Sender alles in Ordnung. Aber wehe, ein Dritter skaliert das Bild aus eigenen Interessen.
ZDF
Der jetzige Entwurf des Medienstaatsvertrags
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sieht in § 52a einen Signalschutz für die TV-Sender vor. Der Paragraf verbietet Überblendungen und Skalierungen ohne die Zustimmung des jeweiligen Programmanbieters. Eine Ausnahme bilden lediglich Überblendungen und Skalierungen zum Zweck von Empfehlungen oder Hinweisen auf TV-Inhalte, die durch den Nutzer im Einzelfall veranlasst werden.
Technologischer Rückschritt?
Der Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber ANGA, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), der Verband der Internetwirtschaft (eco) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) kritisieren den Signalschutz. Aus Sicht der Verbände werden die Interessen von Medienplattformen und Nutzern nicht hinreichend berücksichtigt. „Funktionen wie Bild-in-Bild oder Split-Screen, bei denen der Nutzer zwei Programme gleichzeitig ansehen kann, wären nach dem jetzigen Wortlaut nicht mehr ohne Erlaubnis der beteiligten Sender zulässig“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände.
Carine Chardon, Leiterin Medienrecht/Medienpolitik im ZVEI, spricht von einem technologischen Rückschritt für Smart-TVs
ZVEI
Die Regelung ist den Kritikern zu restriktiv, die Ausnahme im Einzelfall zu wenig. Der ZVEI etwa spricht von einem technologischen Rückschritt für Smart-TVs im Vergleich zu Smartphones, Tablets oder PCs. „Damit widerspricht der derzeitige Entwurf des Medienstaatsvertrags dem individuellen Bedürfnis der Verbraucher und deren Nutzungsinteressen“, erklärt Carine Chardon, Leiterin Medienrecht/Medienpolitik im ZVEI.
Die Herren der Signale
Die TV-Sender hingegen begrüßen das Verbot für Überblendungen und Skalierungen. Ohne die Zustimmungsregelung sehen sie die Gefahr, dass Dritte ihre Reichweite zu eigenen Werbezwecken ausnutzen. Insbesondere die Betreiber von Medienplattformen könnten mit Überblendungen und Skalierungen auf ihre eigenen Inhalte hinweisen und so den Nutzer vom TV-Sender weglocken. In Kombination mit der Durchsuchung von EPG-Daten könnten sie zum Beispiel über die Inhalte der TV-Sender Werbung für den eigenen VoD-Dienst einblenden und den Nutzer, in einer Stellungnahme von ProSiebenSat.1 ist bereits vom Kunden die Rede, direkt zu den eigenen Angeboten umleiten. „‘Herr‘ des Signals sollte stets der Sender bleiben“, heißt es daher in einer Stellungnahme des Privatsenderverbands Vaunet.
Vom Zuschauer über den Nutzer zum Kunden
Die Argumentation der TV-Sender offenbart, worum es in dem Streit wirklich geht: für die Programmanbieter um die Wahrung bestehender und für die Betreiber von Medienplattformen um die Möglichkeiten neuer Geschäftsmodelle. Der Zuschauer wurde zum Nutzer und ist letztendlich nicht mehr als ein Kunde, um dessen Aufmerksamkeit aber mit allen Mitteln gekämpft wird. Als Sieger wird der hervorgehen, der dem Kunden die besten Inhalte und den komfortabelsten Weg anbietet, diese zu finden und zu konsumieren. Dafür muss der Medienstaatsvertrag die passende Basis liefern und zwar dergestalt, dass der Nutzer entscheidet, was er sehen will und was nicht.