Umgeladen

Editorial: Macht das Laptop-Verbot in der Kabine das Fliegen unsicherer?

Bisher sollten Laptops wegen der Gefahr von Akkubränden nicht ins Aufgabegepäck. Jetzt sollen sie wegen der Terrorgefahr sogar dorthin. Ist das die richtige Entscheidung?
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Flugzeuge der Emirates Airline Flugzeuge der Emirates Airline
Foto: dpa
Künftig müssen Passagiere, die aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien, Ägypten, Tunesien oder Saudi Arabien in die USA oder nach Großbritannien fliegen, Laptops und Tablets einchecken. Nur noch Smartphones, die nicht größer als 16 x 9,3 x 1,5 cm³ sind, dürfen mit in die Kabine genommen werden. Für Abflüge von Kuwait, Marokko, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten gilt das Tablet-, Laptop-, E-Reader-, Gaming-Konsolen- und vermutlich auch Kamera-Verbot nur, wenn das Reiseziel in den USA liegt. Mit dieser Maßnahme soll die Gefahr terroristischer Anschläge reduziert werden. Es gäbe geheimdienstliche Erkenntnisse, wonach Terroristengruppen weiterhin Anschläge auf die zivile Luftfahrt planen würden, und insbesondere versuchen würden, Sprengstoffe in Verbrauchergeräten an Bord zu schmuggeln.

Leider erhöht die Maßnahme aber die Gefahr eines unkontrollierten Feuers an Bord der Flugzeuge. In den letzten Jahren sind zwei Boeing-747-Frachtmaschinen abgestürzt, weil die Ladung Feuer gefangen hatte, wobei in beiden Fällen das Feuer in der Nähe von geladenen Lithium-Akkus ausbrach: Flug OZ-991 der Asiana von Seoul nach Shanghai am 28. Juli 2011 und Flug 5X-6 von UPS von Dubai nach Köln am 3. September 2010.

In beiden Fällen kamen die beiden Piloten ums Leben, sonst waren jeweils keine Menschen an Bord. Zwar konnte die genaue Brandursache bei beiden Abstürzen nicht restlos geklärt werden, dass die Lithium-Akkus in beiden Fällen aber zumindest einem kurz vorher anderweitig entstandenen Feuer kräftig Nahrung boten und sich so dieses rasch weiter ausbreitete, steht außer Zweifel. Es gibt zahlreiche Sicherheitswarnungen der FAA bezüglich des Umgangs mit Lithium-Akkus. Darüber hinaus hat letztes Jahr die UN den Transport von Lithium-Akkus als Frachtgut in Passagiermaschinen sogar komplett verboten.

In Elektronikgeräten werden Lithium-Akkus an Bord von Flugzeugen noch toleriert, wohl vor allem, weil die Geräte auch noch andere Komponenten außer Akkus enthalten, die meist nicht ganz so gut brennbar sind wie die Akkus. Allerdings gehen die Empfehlungen bezüglich des Umgangs mit Consumer Elektronic an Bord von Flugzeugen bisher ausdrücklich dahin, die Geräte in der Kabine und nicht im Gepäckraum zu transportieren, um im Falle des Durchgehens eines Akkus schnell reagieren zu können. Etliche Airlines haben Akkus im Aufgabegepäck komplett verboten. Beim Flug zum Mobile World Congress nach Barcelona wurde der Autor dieser Zeilen bei der Gepäckabgabe beispielsweise ausdrücklich danach gefragt, ob er Akkus oder Elektronikgeräte mit Akkus im Koffer hat. Gilt das jetzt alles plötzlich nicht mehr?

Experten-Warnung

Flugzeuge der Emirates Airline Flugzeuge der Emirates Airline
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Simon Hradecky, Autor der Flugsicherheits-Website avherald.com, schreibt in für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlicher und kommentierender Sprache: "This order thus puts all flights out of those countries/airports destined for the USA or UK at substantial risk of an inflight cargo fire in case of a thermal runaway of Lithium batteries assembled into such devices, that can no longer be contained due to lack of inflight access to cargo holds. At the same time this order does not reduce/mitigate any risk of such an explosive device detonate in flight by various means like time or barometric detonator, remote control or others [...]".

Sprengstoffanschläge sind ebenfalls real

In der Tat gab es in den letzten Jahren zwei Sprengstoffanschläge auf Flüge aus Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung: Am 31. Oktober 2015 auf Flug 7K9268 von der Sinai-Halbinsel in Ägypten nach St. Petersburg mit 224 Todesopfern und am 2. Februar 2016 auf Flug D3-159 von Mogadischu nach Dschibuti mit einem Todesopfer, dem vermutlichen Attentäter. Die Anschlagsgefahr ist also real!

Andererseits stellt sich die Frage, ob die Anschlagsgefahr wirklich schon dadurch gebannt wird, dass Elektronikgeräte für Abflüge aus bestimmten Ländern ins Aufgabegepäck verbannt werden. Wer genug Expertise besitzt, eine Bombe so in einem Laptop zu verstecken, dass sie von den Röntgengeräten bei der Kontrolle des Handgepäcks nicht entdeckt wird, der besitzt ziemlich sicher auch genug Expertise, diese Bombe mit einem Zeitzünder auszustatten, der auch im Gepäckraum funktioniert. Es war beispielsweise eine Bombe im einem elektronischen Gerät (nämlich einem Kassettenspieler) in eingechecktem Gepäck im Gepäckraum, die am 21. August 1988 über Lockerbie in Schottland eine Boeing 747 auf dem Flug PA103 von London nach New York zerfetzte und 270 Menschen in den Tod riss.

Zudem kann ein Terrorist den Laptop-Bann im Handgepäck einfach umgehen, indem er einen Zwischenstopp in einem der von Großbritannien oder den USA als "sicher" eingestuften Flughäfen einplant. Meist wird beim Umsteigen das Handgepäck nicht erneut durchleuchtet.

Geht man hingegen davon aus, dass das Hauptproblem an mangelhaften Sicherheitskontrollen in den genannten Ländern liegt, dann beseitigt man die Anschlagsgefahr erst recht nicht dadurch, dass man Laptops und Tablets ins Aufgabegepäck verbannt. Schließlich würde eine mangelnde Sicherheitskontrolle den Sprengstoff genauso wenig finden, wenn er in einem Schuh oder einem der zahlreichen beliebten touristischen Mitbringsel versteckt ist.

Löschanlage an Bord

Produktionsfehler sind bei Lithium-Akkus auch bei namhaften Herstellern nicht auszuschließen, wie jüngst das berüchtigte Galaxy Note 7 von Samsung gezeigt hat. Zudem wird so gut wie jeder Lithium-Akku bei Misshandlung zur Brandgefahr. Der Frachtraum von modernen Flugzeugen ist zudem in der Regel mit einer Löschanlage ausgestattet. Hoffen wir daher, dass wir in den kommenden Monaten "nur" die Meldung in den Medien lesen, dass so ein Löschsystem nach einem Feuer ausgelöst hat, und nicht, dass dabei Menschen zu Schaden gekommen sind.

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