Nervensäge

Der Frosch ist tot

Der Klingelton verliert zusehends seine Bedeutung
Von dpa / Kaj-Sören Mossdorf

Wenn es nur Kinder und Jugendliche gewesen wären. Doch im letzten Jahrzehnt spielten sich selbst Erwachsene gegenseitig Handy-Klingeltöne vor und wechselten diese teils leidenschaftlich. Auf die Frage nach dem Warum kennt Corinna Kelber, Medien- und Kulturexpertin beim Zukunftsinstitut in Frankfurt, eine Antwort: "Damals sahen die Handys alle gleich aus, also brauchten die Nutzer etwas, um sich von der Masse abzuheben, originell und individuell zu wirken." Das war "die ökologische Nische" für den Handy-Klingelton, sagt die Trendforscherin. Heute trage man eher sein schickes Touchscreen-Smartphone zur Schau.

Bis zum neuen Understatement war der Weg weit und laut. Erst piepte und fiepte es einstimmig, dann ab 2002 auch polyphon. 2004 kamen die ersten Handys, die auch MP3s abspielen und damit so richtig nervig quaken und krakeelen konnten. Plötzlich sprossen sogar eigene Labels für Klingeltöne aus dem Boden. So ging das Geschäft bis 2006 stetig bergauf. Zuletzt wurden jährlich 30 Millionen Klingeltöne verkauft, wie der IT-Branchenverband Bitkom erhoben hat.

Die Umsätze mit klassischen Klingeltönen gingen 2007 erstmals und schlagartig zurück. Den Grund kennt der Verband genau: Weil Handys und Netze leistungsfähiger wurden, luden die Nutzer immer öfter gleich ganze Songs herunter. Der Realtone löste den Ringtone ab. Songs als Klingeltöne etablierten sich neben Alben und Singles als neue Verbreitungsform von Musik und neues Unterhaltungsformat.

Kommerzialisierung schadete dem Klingelton

Gerade Jugendliche wollten oft den neusten Klingelton Gerade Jugendliche wollten oft den neusten Klingelton
Bild: Vodafone
Auch die "massive Kommerzialisierung" des Klingeltons brachte ihn schließlich an seine Grenzen und in Verruf, weiß Trendforscherin Kelber. Vertriebspraktiken wie fragwürdige Klingelton-Abos gerieten ins Visier von Jugend- und Verbraucherschützern. Die Auswüchse waren unübersehbar: Gegen Ende des letzten Jahrzehnts bestand die Musiksender-Werbung fast nur noch aus penetranten Klingelton-Clips.

Geld wird nach wie vor mit den Tönen verdient. Abgerechnet wird meist über die Mobilfunkrechnung, etwa per Premium-SMS, WAP-Billing oder Anruf bei einer 0900-Nummer. Alle diese Abrechnungswege für Dienstleistungen Dritter kann man beim Provider sperren lassen.

Denn noch immer gibt es Anbieter, die versuchen, teure Wochen-Abos mit einem zeitgemäßeren Mix aus Klingeltönen, Songs und Videos unters Volk zu bringen. Und manche Musikdownload-Seite vermarktet ein und denselben Song gleich auf zwei Wegen, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Als Handy-Klingelton deklariert kostet er 3 Euro, während sonst als normaler Download am Rechner nur zwischen 0,70 und 1,50 Euro fällig werden.

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