Erlaubnis oder nicht?

Vodafone und Unitymedia: Entscheidung in Brüssel?

Die Entscheidung über die gewünschte Fusion zwischen Unitymedia und Vodafone Germany könnte scheitern.
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Ein vertrauliches Papier der Deutschen Telekom listet auf, weiß das Handelsblatt, dass Vodafone nun die Kunden auf der Kabelplattform binden könne und so „konkurrierende Glasfaser-Investments behindert“. Hier sei die nötige kritische Masse nicht zu erreichen, der "Start der überlegenen Technologie" werde verzögert. Bei den genutzten Rechten für Pay-TV käme ein Marktanteil von rund 40 Prozent zustande, der später dann wahrscheinlich stark ansteigen werde.

Die Telekom fürchtet sogar, dass der Konkurrent Vodafone eines Tages womöglich die Live-Rechte an der Fußball-Bundesliga exklusiv kaufen könnte. Unitymedia hatte vor einigen Jahren mit seiner damaligen Tochter „Arena“ diese Idee schon einmal ausprobiert.

Der Telekom kommt ein erstarkter Wettbewerber ungelegen. Im Mobilfunk ist Vodafone der Telekom "dicht auf den Fersen". Mit einem deutschlandweiten Angebot mit Kabel-TV und Kabel-Internet könnte Vodafone zum "ebenbürtigen Konkurrenten" aufsteigen.

Die TV-Kabel-Anbieter haben einen wichtigen Vorteil. Sie bieten schon heute mit einer relativ kostengünstigen Aufrüstung Internetgeschwindigkeiten bis zu einem Gigabit pro Sekunde. Das können die dünnen Kupferdrähte der Telekom-Telefonkabel momentan nicht. Die Telekom muss langfristig Glasfaser bis ans Haus legen.

Warnungen berechtigt?

Unitymedia Chef Winfried Rapp. Wird er länger im Amt bleiben (müssen), als geplant? Unitymedia Chef Winfried Rapp. Wird er länger im Amt bleiben (müssen), als geplant?
Foto: Picture Alliance / dpa
Sind die Warnungen vor der Fusion berechtigt? Oder sind es nur übersteigerte Ängste? Auf Handelsblatt-Anfrage kontert Vodafone die vielen Anwürfe aus der Branche. Man presse zum Beispiel den Sendern nicht mehr Geld ab, sondern das neue Vergütungsmodell mit ARD und ZDF sähe geringere Zahlungen vor.

Dieses neue Modell biete man inzwischen auch allen Privatsendern an. Anders als Telekom oder Telefónica Group produziere man keine eigenen Inhalte und strebe auch nicht danach. Der Kauf der TV-Bundesliga ist demnach kein Thema. Vodafone sieht sich als „digitalen Medienkiosk“.

Durch den Kabel-Deal bekomme die Telekom erst richtig Konkurrenz. Vodafone argumentiert: Es entstehe ein „zweiter, starker Infrastrukturwettbewerber“, wie er in vielen EU-Ländern den ehemaligen Monopolisten gegenüberstehe.

Tatsächlich käme ein genehmigtes Vodafone/Unitymedia-Verbundunternehmen im gesamten Breitband-Markt für schnelleres Internet auf 30 Prozent Marktanteil. Der Telekom-Anteil ist knapp unter 40 Prozent gefallen. Der Bonner Konzern, zu 32 Prozent im Staatsbesitz, hat aber bereits 500 000 Kilometer Glasfaser in Deutschland verlegt, Vodafone kommt im Vergleich nur auf 100 000 Kilometer.

Widerstand gegen „Gigabit“-Marketing

Der britische Konzern kündigt an, Glasfaser dort auszubauen, wo es „am nötigsten ist“, also auf dem Land und in Industrieparks. Vodafone Deutschlandchef Hannes Ametsreiter stellte 25 Millionen Gigabit-Anschlüsse bis 2022 in Aussicht und spricht von einer neue „Gigabit-Gesellschaft“. Kenner bezweifeln allerdings, ob Vodafone Lust hat, in bislang komplett unerschlossene Regionen vorzustoßen oder eher beabsichtigt, die bestehenden und zugekauften Kabel-TV-Netze nur auf höhere Geschwindigkeiten hochzurüsten.

Gegen das „Gigabit“-Marketing des Konzerns und die geplante Fusion formiert sich Widerstand an einer weiteren Stelle. Alternative Netzbetreiber, besonders regionale Stadtwerke, haben in den vergangenen Jahren den Glasfaserausbau bis ans Haus vorangetrieben. Sie fürchten, dass ihnen ein Duopol aus Telekom und Vodafone gegenüberstehen könnte. Die Branchenverbände Buglas und Breko lehnen den Unitymedia-Deal daher ab.

In Holland wurde das Duopol reguliert

Auch in den Niederlanden, wo Vodafone das Kabelnetz von Ziggo kaufte, entstand ein solches Duopol. Auf der anderen Seite die ehemalige staatliche niederländische PTT Telekom (heute KPN) Die holländische Wettbewerbsbehörde ACM griff durch: Alternative Anbieter sollen das niederländische Kabelnetz von Vodafone nun ebenfalls nutzen können.

In den anstehenden Kartellverhandlungen wird es auch um solche Ideen gehen („Kapazitätseffekt“). Wie im deutschen Telefonnetz der Telekom müssten sich dann auch Dritte ins Vodafone-Kabelsystem einmieten können. „Eine Genehmigung der Fusion ohne Auflagen ist nicht denkbar“, resümiert Wohnungsverbandschef Gedaschko. Die Details könnten komplex werden.

Vodafone gut vorbereitet

Den Gang zur EU-Wettbewerbskommission hat Vodafone mit einer Schar externer Anwälte generalstabsmäßig vorbereitet. Im Aufsichtsrat von Vodafone Deutschland sitzt der gut vernetzte Ex-CDU-Politiker Roland Koch. Auch kein Nachteil, dass passend am 1. Oktober der Volkswirt Reinald Krueger von der EU-Kommission zu Vodafone in London als „Group Public Policy Development Director“ gewechselt ist.

Entscheidung erst nach dem Brexit?

Eine endgültige Entscheidung dürfte im April fallen, möglicherweise nach dem Brexit, dem angedachten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Würde der Brexit stattfinden, wäre Vodafone gesellschaftsrechtlich nicht mehr Mitglied der Union, die EU-Kommission nicht mehr zuständig. Doch die Lage in England ist unübersichtlich.

Aus eingeweihten Kreisen ist zu hören, dass Vodafone intern schon länger überlegt habe, den Hauptsitz der Vodafone plc aus London weg zu verlegen. Auf der britischen Insel winkte man ab: „Wir haben keine Pläne, unseren Standort zu verlagern“, hieß es. Der Brexit werde „keine signifikanten Auswirkungen“ auf das Geschäft haben. Falls er denn überhaupt stattfindet.

Trotzdem laufen nach dem Handelsblatt und teltarif.de unabhängig voneinander vorliegenden Informationen schon länger Planspiele über einen Umzug des Vodafone-Hauptquartiers in die EU. Eine Möglichkeit wäre, in die Deutschlandzentrale in Düsseldorf zu gehen. Auch Amsterdam ist im Gespräch, wo große Steuervorteile nutzbar wären. Eine Idee könnte auch Brüssel sein.

Die EU-Wettbewerbshüter haben bei der geplanten Übernahme von Unitymedia durch Vodafone nach den heutigen Beratungen große Bedenken geäußert. Es wurde eine vertiefte Prüfung eingeleitet.

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