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Vodafone bietet o2 Zugang zum fusionierten Kabel-Netz an

Um den möglicherweise steckengebliebenen Fusionsdeal zwischen Unitymedia und Vodafone zu retten, bietet Vodafone der Telefónica einen Zugang zum fusionierten Kabel-TV-Netz an.
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Vodafone möchte die Übernahme von Unitymedia durch ein Angebot an Telefónica retten. Vodafone möchte die Übernahme von Unitymedia durch ein Angebot an Telefónica retten.
Bild: Picture-Alliance/dpa
Aktuell steht bei der EU-Kommis­sion die geplante Über­nahme des Kabel-TV-Anbie­ters Unity­media durch Voda­fone auf dem Prüf­stand. So ganz beden­kenlos sieht man das in Brüssel wohl nicht.

Auf dem deut­schen Markt ist die gewünschte Fusion bei den Mitbe­wer­bern "heiß" umstritten, allen voran die Deut­sche Telekom, aber auch viele mittel­stän­di­sche Kabel­netz­be­treiber und der BEKO-Verband sehen ein neues Nach­fra­ge­mo­nopol, das sich bei den Programm­lie­fe­ranten (sprich TV- oder Radio-Sender, und Content-Anbieter wie Sky etc.) wohl "Vorzugs­kon­di­tionen" aushan­deln könnte, weil sie ja viel mehr Kunden haben.

Über­ra­schungs-Coup mit o2

Vodafone möchte die Übernahme von Unitymedia durch ein Angebot an Telefónica retten. Vodafone möchte die Übernahme von Unitymedia durch ein Angebot an Telefónica retten.
Bild: Picture-Alliance/dpa
Nun hat Voda­fone völlig über­ra­schend einen Vertrag mit seinem Mitbe­werber Telefónica Deutsch­land (bekannt als o2) geschlossen. Der sieht konkret so aus: Voda­fone öffnet sein Kabel­netz bundes­weit für Telefónica Deutsch­land und macht Telefónica "damit zum weiteren natio­nalen Kabel-Wett­be­werber". Im Rahmen des Unity­media-Über­nah­me­ver­fah­rens hat Voda­fone der EU-Kommis­sion ein Maßnah­men­paket (Fach­be­griff "Reme­dies") vorge­schlagen. Das Paket soll in Deutsch­land für "mehr Wett­be­werb im Breit­band- und mehr Unab­hän­gig­keit" im Fern­seh­markt sorgen.

Geneh­migt ist noch nichts. Das Maßnah­men­paket steht unter dem Vorbe­halt der Geneh­mi­gung durch die EU-Kommis­sion. „Unser Maßnah­men­paket hebt den Wett­be­werb in Deutsch­land auf eine ganz neue Stufe. Es ist gut für den Verbrau­cher. Gut für den Wett­be­werb. Und gut für die Fern­seh­sender“, glaubt Voda­fone Deutsch­land CEO Hannes Amets­reiter. Und weiter: „Mit der Über­nahme von Unity­media werden wir zum ersten, bundes­weiten Infra­struktur-Wett­be­werber der Telekom. Darüber hinaus öffnen wir unser Kabel­netz für einen weiteren, starken, bundes­weiten Wett­be­werber – die Telefónica Deutsch­land. Wir bieten unserem neuen High­speed-Partner Geschwin­dig­keiten an, die schneller sind, als das schnellste VDSL-Angebot der Telekom. Zudem schaffen wir noch bessere Distri­bu­ti­ons­wege für alle TV-Sender und machen sie so noch unab­hän­giger von unserem TV-Kabel­netz.“

Nach Über­nahme mehr Wett­be­werb gegen die Telekom?

Mit der geplanten Über­nahme der Unity­media will Voda­fone den Wett­be­werbs­druck im Markt deut­lich erhöhen und erst­mals neben der Telekom einen zweiten, bundes­weiten Fest­netz-Anbieter schmieden. Das damit wieder­ver­einte TV-Kabel­netz (das vor der Libe­ra­li­sie­rung des Marktes der Deut­schen Bundes­post Telekom gehörte) will das Unter­nehmen in allen Bundes­län­dern der Repu­blik aufrüsten – und so bis 2022 schnelle und "bezahl­bare" Gigabit-Anschlüsse für 25 Millionen Haus­halte schaffen.

Damit wären dann theo­re­tisch "zwei Drittel der Bevöl­ke­rung" mit "Gigabit" zu errei­chen. Dafür würde das Unter­nehmen in den nächsten Jahren rund 12 Mrd. Euro in das Kabel­netz und damit in den Wirt­schafts­standort Deutsch­land inves­tieren.

Im soge­nannten "Phase 2-Verfahren" hat die EU-Kommis­sion die geplante Über­nahme der Unity­media in Deutsch­land durch Voda­fone einer inten­siven Prüfung unter­zogen. Mit dem der EU-Kommis­sion vorge­stellten Maßnah­men­paket hofft Voda­fone, eine Lösung für eine poten­zi­elle "Vermin­de­rung des Wett­be­werbs" durch Voda­fones DSL-Ange­bote im Unity­media-Gebiet sowie Bedenken hinsicht­lich mögli­cher Wett­be­werbs­be­schrän­kungen im Fern­seh­markt anbieten zu können.

Zudem hatte Voda­fone bereits zuvor verspro­chen, künftig keine Erhö­hungen von soge­nannten Einspeise-Entgelten vorzu­nehmen, die von den Sendern zu entrichten sind. Dies scheinen die Haupt­be­denken der Euro­päer zu sein, die Voda­fone zerstreuen möchte.

Voda­fone schnürt zwei­tei­liges Paket

Teil 1: Voda­fone öffnet sein Kabel­netz für die Telefónica Germany. Dazu hat Voda­fone einen Kabel-Groß­han­dels­ver­trag mit Telefónica Deutsch­land geschlossen. Diese Part­ner­schaft würde es Telefónica erlauben - nach geneh­migter Fusion durch die EU - eigene Telefon/Internet/TV-Ange­bote über die verei­nigten Kabel­netze an dann (theo­re­tisch) 23,7 Mio. Haus­halte zu verkaufen. Telefónica würde von Down­load-Geschwin­dig­keiten bis zu 300 MBit/s profi­tieren, im Gegen­satz zu den aktuell schnellsten VDSL-Ange­bote der Telekom, die maximal 250 MBit/s mit SVDSL bieten.

Der o2-Voda­fone-Deal könnte auch das neue o2-TV-Angebot der Telefónica stärken. Nur: Wenn ein o2-Kunde einen Kabel-TV-Anschluss bucht, der tech­nisch im Netz von Voda­fone (inkl. Kabel­deutsch­land/Unity­media) liegt, wird er sich viel­leicht über­legen, ob er nicht die darin enthal­tenen TV-Ange­bote gleich mitnutzt oder viel­leicht sogar direkt zu Voda­fone wech­selt, je nach Preis.

Der Kabel-Groß­han­dels­ver­trag von Voda­fone ist lang­fristig ausge­legt, wobei sich Telefónica Deutsch­land verpflichtet, während der Vertrags­lauf­zeit ein Mindestmaß an Kunden zu errei­chen. Das wird span­nend, ob die ange­peilten Kunden dabei "mitspielen" oder viel­leicht eher versu­chen, auf "noch güns­ti­gere" Ange­bote (z.B. via Satellit) auszu­wei­chen.

Teil 2: Vorteile für Programm­an­bieter?

Die zweite Maßnahme im Wett­be­werbs-Paket zielt auf den Fern­seh­markt, wo der Zuschau­er­trend (langsam) in Rich­tung online geht. Mit dem Gigabit-Ausbau und der Part­ner­schaft mit Telefónica will Voda­fone die Grund­lage für eine schnel­lere und bessere TV-Verbrei­tung sowie für neue Distri­bu­tions-Möglich­keiten für TV- (und Radio-) Sender schaffen. Sender könnten die Kunden­be­zie­hungen völlig unab­hängig von Voda­fone und seiner TV-Platt­form über das schnel­lere Internet eingehen. Die Frage ist, ob sich das für den Kunden rechnet, weil er weitere Abon­ne­ments (Netflix, Sky, Disney etc.) abschliessen müsste.

Damit die Fern­seh­sender von dieser Entwick­lung profi­tieren können, verpflichtet sich Voda­fone, Sendern die Verbrei­tung ihrer Inhalte im Internet nicht einzu­schränken und die Netz­über­gänge so zu gestalten, dass ausrei­chende Über­tra­gun­gungs-Kapa­zität über das Internet vorhanden ist. TV-Sender werden damit unab­hän­giger vom klas­si­schen TV-Kabel­netz und damit von Voda­fone.

Das ist ein hehres Verspre­chen, aber wie lange will sich Voda­fone daran halten und was passiert, wenn sich die Zeiten ändern?

EU am Zuge

Das Paket dieser "Abhil­fe­maß­nahmen" einschließ­lich des Kabel-Groß­han­dels­ver­trags steht unter dem Vorbe­halt der Geneh­mi­gung der Über­nahme durch die EU-Kommis­sion. Diese wird das Paket nun einem Markt­test unter­ziehen, der voraus­sicht­lich im Mai 2019 abge­schlossen sein wird.

Voda­fone geht davon aus, dass die Euro­päi­sche Kommis­sion ihre Entschei­dung über die Trans­ak­tion bis Juli 2019 treffen wird und der Abschluss der Über­nahme dann noch in demselben Monat erfolgen könnte.

Eine Einschät­zung

Voda­fone hat spät, fast zu spät bemerkt, dass es für ein vernünf­tiges Mobil­funk­an­gebot ein vernünf­tiges Fest­netz braucht, um die Signale zu den Mobil­funk­sen­dern zu bringen. Stei­gende Band­breiten machen das "gute alte" Fest­netz wieder inter­es­sant, weil die Signale aus der echten Leitung einfach stabiler als der Mobil­funk mit seinen schwie­rigen Ausbrei­tungs­be­din­gungen sind.

Lange musste Voda­fone seine Endkunden im Fest­netz über gemie­tete Leitungen von der Telekom versorgen und da tun die TAL-Preise (für die letzte Meile), die bald wieder ansteigen könnten, richtig weh. Also sann Voda­fone schon länger auf Abhilfe. Eigene Leitungen in die Straßen zu verlegen, wäre unglaub­lich aufwendig und teuer. Also Kabel-TV. Die Netze exis­tieren schon, wo die Deut­sche Bunde­post Telekom sie damals hin gebaut hat, und teil­weise wurden die Netze auch in die Fläche erwei­tert, oft aber dann auch nicht, weil es sich nicht rechnet.

Über Koax­kabel sind höhere Daten­raten möglich, beispiels­weise 200-400 MBit/s im Down­stream, je nachdem, was der Kunde buchen möchte. Je nachdem wie gut die Kabel­netze ausge­legt sind, liegen die erziel­baren Upload-Raten oft deut­lich nied­riger, was Privat­kunden kaum stören dürfte.

Kabel-TV-Netze oft über­lastet

Wo die Kabel­netze gut gebucht sind, kommt es zur Haupt­fern­seh­zeit zu drama­ti­schen Einbrü­chen. Viele Kabel-TV-Kunden klagen über lang­sames und ruckelndes Internet. Deswegen müssen die Kabel­netz­be­treiber ihre Netze massiv umbauen und ziehen bei der Gele­gen­heit Glas­fa­sern ein, die einfach leis­tungs­fä­higer als das Kupfer-Koax­kabel sind.

Die Kabel­tech­no­logie ist ziem­lich speziell. Eine "letzte Meile" wie beim Kupfer-Netz der Telekom gibts im Kabel so nicht. Also kann Voda­fone eigent­lich nur sein Kabel-TV-Angebot an Dritte komplett weiter­ver­kaufen. Die maximal mögliche Geschwin­dig­keit pro Endkunde kann wohl indi­vi­duell einge­stellt werden, dazu die Option, ob alle oder bestimmte TV-Programme sichtbar sein werden.

Wofür Voda­fone das Netz braucht

Voda­fone braucht das Unity­media-Netz als Trans­port-Netz. Damit lassen sich die lästigen "Letzte-Meile-Kosten" sparen und Signale auch zu Mobil­funk­sen­dern (in der Stadt) und quer durchs Land bringen.

Telefónica bezieht sein Fest­netz längst ausschließ­lich über die Deut­sche Telekom, weil sich ein "eigenes Netz" nicht rechnen würde. Mit dem Kabel-Angebot der Voda­fone bekäme o2 bessere Geschwin­dig­keiten, viel­leicht zu ähnli­chen oder güns­ti­geren Preisen als bei der Telekom. Wir wissen es nicht.

Wer bei einer großen Vermie­tungs­ge­sell­schaft wohnt, bekommt Kabel­fern­sehen oft "auto­ma­tisch" über den Miet­ver­trag mitge­lie­fert, muss dafür nichts extra bezahlen. Will er auch schnelles Internet und Telefon kann er - gegen Aufpreis - das Angebot der Kabel-TV-Anbieter wählen. Oder er kann zur Telekom wech­seln, die mit Kupfer aus histo­ri­schen Gründen in fast jedes Haus hinein darf, mit Glas­faser vermut­lich nicht (das müsste der Haus­be­sitzer/Vermieter frisch geneh­migen). Deshalb hat die fusio­nierte Voda­fone hier eine große Chance.

Kleine lokale TV-Anbieter würden hier auch gerne aktiv werden, müssten aber schon ultra­güns­tige Kampf­preise bieten, bevor ein Vermieter hier zuschlägt.

Streit der Programm­an­bieter

Seit Jahren wird zwischen Programm­an­bie­tern und Kabel­ge­sell­schaften gestritten, wer welche Programme wo anlie­fern darf und wer dafür bezahlt und wer nicht. Die Kabel-TV-Anbieter wollen nämlich Geld von den Verbrau­chern und den Veran­stal­tern. Da hat ein größeres Anbieter logi­scher­weise besser Chancen.

Die Telekom sieht ihr Groß­han­dels-Geschäft mit TAL (Teil­neh­mer­an­schluss­lei­tungen) dahin schwinden. In Regionen wo die Telekom bislang "nur" 16 000er DSL anbieten kann, sind Kabel-TV-Ange­bote mit 400 MBit/s natür­lich attraktiv. Sobald ein Kunde zu Voda­fone gewech­selt ist, wird man ihm auch Mobil­funk im Kombi­paket anbieten wollen, diese Kunden gehen der Telekom zunächst einmal verloren.

Ein Problem bleibt

Ein Grund­pro­blem löst diese Unity­media-Fusion aber nicht: Der Netz­ausbau des Voda­fone Mobil­funk­netzes wird dadurch erst einmal nicht besser. Dazu müsste Voda­fone viel mehr neue Sender in Regionen aufstellen, wo sie bisher gar nicht oder viel­leicht gerade so noch mit GSM vertreten sind. Dazu müsste Voda­fone sein Tarif­an­gebot gründ­lich entrüm­peln und für die Kunden verständ­li­cher und damit attrak­tiver machen. Dafür müsste Voda­fone seine Händler unter­stützen und den extremen Druck heraus­nehmen, sound­so­viele neue Karten pro Monat zu schalten. Das hat in der Vergan­gen­heit oft dazu geführt, dass sich Kunden hinters Licht geführt fühlten, weil sie mehrere Mobil­funk­ver­träge hatten, die nur zum "Herun­ter­sub­ven­tio­nieren" eines Handys gebraucht wurden, und am Ende war der Vertrag viel viel teurer als gedacht.

Mal sehen, ob sich die EU von dem Angebot "über­zeugen" lässt oder ob Voda­fone auch dem Erzri­valen Telekom und allen anderen daran inter­es­sierten Netz­be­trei­bern ein Angebot unter­breiten und mit ihnen Verträge abschließen muss.

Die ideale Fusion wäre o2 und Voda­fone

Eigent­lich, so ein Bran­chen­kenner, sollten sich Voda­fone und o2 gleich komplett zusam­men­schließen. "Das gemein­same Mobil­funk­netz wäre ein echter Wett­be­werber gegen­über der Deut­schen Telekom". Doch dabei dürften die euro­päi­schen Kartell­wächter nicht mitspielen.

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