Joyn: "Wollen lokaler Champion werden"
2019 ist das ultimative Streaming-Jahr. Nach dem Relaunch von 7TV zu Joyn im Juni starten
auch Apple und Disney ihre eigenen Online-Videotheken. Im Gespräch mit teltarif.de zieht
Joyn-Geschäftsführerin Katja Hofem ein erstes Fazit und erläutert, wie man sich der starken
US-Konkurrenz stellen will.
Joyn-Geschäftsführerin Katja Hofem
Foto: Joyn GmbH
teltarif.de: Frau Hofem, seit 18. Juni ist Joyn nun auf Sendung. Zeit für ein erstes Zwischenfazit:
Liegen Sie bei den Zuschauerzahlen im Plan?
Katja Hofem: Wir sind sehr stolz auf das, was wir in den ersten Monaten erreicht haben: Direkt nach
dem Launch waren wir auf Platz eins der App-Downloads im Google Play Store und nach
50 Tagen auf dem Markt hatten wir bereits mehr als vier Millionen Nutzer über alle Geräte.
Unser Ansatz, lokale Originals, exklusive Inhalte und Previews, sowie Live-TV in einer App
zu bündeln, kommt bei den Usern in Deutschland sehr gut an. Wir scheinen einen Nerv
getroffen zu haben.
teltarif.de: ProSieben-CEO Max Conze hatte bereits vor dem Start konkrete Ziele formuliert.
Joyn solle die Nummer eins unter den werbefinanzierten Streaming-Angeboten
werden. Es ist aber kein Geheimnis, dass auch Amazon gern ein großes Stück vom
deutschen Streaming-Werbekuchen abhaben möchte. Könnte ein Deutschland-Start
von IMDb-TV das Wachstumsziel von Joyn dämpfen?
Katja Hofem: Der Streaming-Markt ist hart umkämpft, aber ich finde, dass man hier
vorsichtig mit solchen Vergleichen sein sollte. Joyn unterscheidet sich stark von den
amerikanischen Anbietern: Unser Fokus liegt auf deutschen Eigenproduktionen. Mit den
Serien “jerks.”, “Singles’ Diaries”, “Die Läusemutter”, “23 Morde”
haben wir seit unserem Start im Juni bereits vier Originals gelauncht und haben mit
mehr als 10 Originals in Planung bereits eine gut gefüllte Content Pipeline. Wir wollen
der lokale “Champion of Choice” werden.
Wir sind der Meinung, dass wir als lokaler Player deutlich näher an unseren Nutzern sind als internationale Streaming-Anbieter. Über unsere Joyn Community stehen wir im regelmäßigen Austausch mit unseren Nutzern. Die Wünsche und Verbesserungsvorschläge unserer Community nehmen wir sehr ernst und prüfen sie regelmäßig auf ihre Umsetzbarkeit.
Die Unterstützung von Chromecast beispielsweise, war unser meist nachgefragtestes Feature. Ein solches Feedback nehmen wir ernst und priorisieren unsere Releases danach. Deshalb bin ich auch sehr stolz darauf, dass wir nun auch seit einigen Tagen die Google Chromecast Unterstützung für unsere Joyn-App anbieten können.
teltarif.de: Joyn war ursprünglich als eine Art deutsches „Hulu“ konzipiert. Kritiker monieren
allerdings, dass man den deutschen Markt nicht mit den USA vergleichen kann. Vor
allem die Lizenzsituation ist hierzulande sehr komplex. Hinzu kommt auch, dass die
RTL-Gruppe mit TVNOW eigene Ziele im Streaming-Markt verfolgt. Wie stehen Sie
zu diesem Thema?
Katja Hofem: Der deutsche Zuschauer ist tatsächlich nicht vergleichbar mit dem Publikum in den USA:
Zum Beispiel verbringt der Durchschnittszuschauer hierzulande mit 223 Minuten eine
Stunde weniger Zeit mit Fernsehen als die Amerikaner mit 283 Minuten im Schnitt. Aus
diesem Grund sind unsere Zuschauer auch viel selektiver bei der Programmauswahl. Und
genau da liegt der Vorteil von Joyn: Wir können unser Angebot genau auf die Bedürfnisse
der deutschen Zuschauer zuschneiden. Darüber hinaus können wir unsere App dank der
enormen Beteiligung in unserer Joyn Community stetig an die Wünsche unserer Nutzer
anpassen.
Was die Lizenzsituation betrifft, haben wir das Glück, dass wir von den Verträgen von ProSiebenSat.1 sowie Discovery profitieren. So können wir beispielsweise die aktuellen Folgen “Grey’s Anatomy”, ”American Housewife” und “Seattle Firefighters” sieben Tage vor und bis 30 Tage nach TV-Ausstrahlung zeigen.
teltarif.de: Womit wir beim Thema Inhalte wären. Vollständige Staffeln von US-Lizenzware sind
abseits von Eigenproduktionen bei Joyn eher Mangelware. Sind Binge-Watcher von
Netflix und Amazon bei Ihnen nicht erwünscht?
Katja Hofem: Vollständige Staffeln von US-Lizenzware sind mit unserem SVOD-Angebot für Joyn
Premium geplant. Hier werden US-Serien-Liebhaber in jedem Fall auf ihre Kosten
kommen. Bis dahin bieten wir ausgewählte US-Hits als Catchup für eine begrenzte Zeit
an: Das sind in der Regel 30 Tage, kann in Einzelfällen aber variieren. Was unsere
Angeboten von Wettbewerbern unterscheidet, sind die bereits erwähnten kostenlosen
Previews.
teltarif.de: Vermutlich wollen Sie sich vor dem offiziellen Start des Premium-Angebots noch
bedeckt halten. Dennoch, Anfang 2020 geht Disney+ mit einem Kampfpreis von voraussichtlich
unter 7 Euro inklusive 4K-Auflösung auf den Markt. Das wäre sogar noch günstiger,
als das auslaufende Standalone-Angebot von Maxdome. Hinzu kommt die
gigantische Library von Disney, Marvel, Fox und National Geographic. Bleibt da
noch viel Spielraum in Sachen Preisgestaltung?
Katja Hofem: Wann und zu welchem Preis Disney+ in Deutschland an den Markt geht, steht noch nicht
genau fest. Diese Frage kann ich deshalb nur hypothetisch beantworten. Sicher ist, dass
wir auch hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen sollten: Der Schwerpunkt liegt bei Disney+
auf internationalen Film- und Fernsehinhalten. Wir bieten hingegen lokale
Eigenproduktionen, internationale Exclusives, eine große Mediathek, sowie Live-TV.
Zudem sind trotz des lokalen Angebots Disney-Inhalte auch bei uns verfügbar. Beachtet
man diese Punkte, bleibt sehr wohl noch Spielraum in Sachen Preisgestaltung.
teltarif.de: Ihr Partner Discovery Networks kooperiert in Sachen Fußball nun umfassend mit
DAZN, womit Joyn samt dem Eurosport Player ein wichtiges Zugpferd fehlt. Wie
reagieren Sie auf diese Situation?
Katja Hofem: Durch den Wegfall der Bundesliga wird unser Erfolg nicht in Frage gestellt werden. Denn
wir werden nach wie vor ein attraktives Sportangebot anbieten können: Im Winter werden
wir den Eurosport-Player mit Kanälen wie Eurosport 1 und Eurosport 2 integrieren. Damit
bieten wir nach wie vor eine kompetente Berichterstattung zu sportlichen Ereignissen wie
zum Beispiel den Olympischen Spielen.
teltarif.de: Aktuell sind neben Joyn noch die Streaming-Apps der ProSieben-Sender verfügbar,
welche auch eigene Mediatheken enthalten. Bleiben diese Angebote parallel
bestehen oder werden sie zugunsten von Joyn eingestellt?
Katja Hofem: Diese Angebote werden erst einmal bestehen bleiben, jedoch mit einem anderen Schwerpunkt.
teltarif.de: ARD und ZDF sind mittlerweile bei Joyn mit Live-TV an Bord. Wer Inhalte aus deren
Mediatheken sehen möchte, muss aktuell jedoch deren eigene Apps installieren. Ist
diesbezüglich eine Erweiterung geplant?
Katja Hofem: Wir arbeiten stets daran, neue Mediatheken in unser Portfolio mit aufzunehmen. Natürlich
sind wir mit unseren Partnern in engem Austausch über mögliche Integrationen.
Was die Inhalte von ARD und ZDF betrifft, können wir zurzeit nichts Näheres sagen.
teltarif.de: Wie sieht Ihre weitere Plattform-Strategie insbesondere im Hinblick auf Smart-TV-
Betriebssysteme aus?
Katja Hofem: Aktuell ist Joyn mit ist Android-TV, iOS und Samsung-TV ab Modelljahr 2017 kompatibel. Unsere
technischen Features bauen wir stetig aus, so können unsere Nutzer Joyn jetzt auch über
Media Adapter wie den Amazon Fire TV Stick sowie Google Chromecast nutzen.
teltarif.de: Wie konkret wird der Wechsel zu Joyn für Maxdome-Kunden bzw. Nutzer des
Eurosport-Players ablaufen? Bleiben die bisherigen Vertragskonditionen und
Benutzerkonten erhalten?
Katja Hofem: Im Zuge der Vorbereitungen für den Launch des Premium-Angebots werden wir die
konkreten Vertragskonditionen noch genau definieren. Wir legen auf jeden Fall großen
Wert darauf, den Übergang so einfach und angenehm wie möglich zu machen.
teltarif.de: Im Premium-Angebot Ihres Kölner Mitbewerbers sind auch die Pay-TV-Sender RTL
Crime, Living und GEO Television enthalten. Dürfen sich Joyn-Nutzer dann auch auf
ProSieben FUN, Kabel1classics und Sat.1 Emotions freuen?
Katja Hofem: Langfristig denken wir natürlich auch über die Integration der Pay-TV Sender für
Premiumkunden nach.
teltarif.de: Auf welchen Geräten wird Joyn derzeit am intensivsten genutzt?
Katja Hofem: Mehr als die Hälfte unserer User nutzt unsere Joyn-App über mobile Endgeräte. Aber auch
andere Devices wie Web, SmartTVs oder der FireTV-Stick werden gut angenommen.
Zudem unterstützen wir seit neustem nun auch Google Chromecast, welches unser meist
nachgefragtestes Feature in unserer Joyn Community, aber auch in den App Stores und
auf Social Media war. Ich bin mir sicher, dass dies auch einen großen Mehrwert für unsere
Nutzer hat.
teltarif.de: Joyn ist als Plattform für alle interessierten Free-TV-Sender geöffnet. Wäre es
denkbar, künftig auch Pay-TV-Sender wie FOX, TNT Film, TNT Serie, Planet bzw.
andere Streaming-Mediatheken (Filmtastic) usw. aufzunehmen?
Katja Hofem: Joyn ist immer offen für neue Partnerschaften, das bedeutet auch, dass wir uns natürlich
auch Kooperationen mit Pay-TV Sendern gegenüber nicht verschließen.
teltarif.de: Im Zuge des derzeit niedrigen Aktienkurses von ProSieben hatte die italienische
Mediaset ein größeres Aktienpaket erworben und es wird mit einer weiteren
Anteilserhöhung der Italiener gerechnet. ProSieben-CEO Max Conze hält nach
eigenen Aussagen mittelfristig eine engere Zusammenarbeit mit Mediaset für
möglich und zudem wurde darüber gesprochen, dass Joyn ins Ausland expandieren
könnte.
Katja Hofem: Derzeit möchten wir uns darauf konzentrieren, in Deutschland ein großartiges Produkt
anzubieten und zu etablieren. Die Ausweitung von Joyn nach Österreich steht derzeit weit
oben auf unserer Agenda und ist auch schon in Planung.
teltarif.de: Frau Hofem, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Katja Hofem
Katja Hofem war bis 2006 Programmleiterin bei RTL 2. Als Co-Geschäftsführerin von Discovery Communications in Deutschland verantworte sie den Sender DMAX. Bei der ProSiebenSat.1 Media SE leitete Hofem den Frauensender Sixx und übernahm im Anschluss die Geschäftsführung von Kabel 1. 2016 wechselte sie als Chief Operating Officer in das Management von ProSiebenSat.1 TV Deutschland und verantwortete als Geschäftsführerin der ProSiebenSat.1 TV Deutschland den Bereich Small Channels sowie New Channel Development. 2019 folgte schließlich gemeinsam mit Alexander Vassilev und Dr. Jochen Cassel der Wechsel in die Geschäftsführung von 7TV bzw. nunmehr Joyn GmbH.