LoRaWAN arbeitet ohne SIM-Karten
Auf dem Mobile World Congress konnte man sich am Stand der Lora-Alliance einen guten Überblick verschaffen.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Das Internet der Dinge gilt als wesentlicher Aspekt des zukünftigen Mobilfunks. Bald sollen mehr "Geräte" als Menschen mit Handys im Netz sein. Ist der Wassertank noch voll, wo gibt es freie Parkplätze, wo ist mein LKW mit den dringend benötigten Waren? Geht es der Baumaschine gut? Ist die Waschmaschine daheim noch dicht oder die Wäsche schon trocken? Alles Themen für IoT.
Um diese Informationen zu übermitteln, wird ein Netz gebraucht. Das "eigene" Netz von Sigfox nach dem hauseigenen "0G"-Standard haben wir schon vorgestellt. Ein anderer, im Prinzip aber ähnlicher Ansatz ist "LoRaWAN". "LoRa" steht für "Long Range" (große Reichweite) und "WAN" für Wide Area Network. Der LoraWAN-Standard setzt wie bei den Kollegen von SigFox auf lizenzfreie Funkfrequenzen, wo man sofort losfunken kann und niemand um Genehmigung fragen oder Frequenzen teuer erwerben oder mieten muss. Solche Frequenzen sind praktischerweise weltweit geregelt. LoRaWAN konzentriert sich dabei beispielsweise auf 868 MHz (für SRD = Short Range Devices) oder 915 MHz (je nach Land oder Region)
Allianz der Willigen
Auf dem Mobile World Congress konnte man sich am Stand der Lora-Alliance einen guten Überblick verschaffen.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Nutzer von LoRaWAN haben sich in der gleichnamigen Allianz zusammengeschlossen, zu der im letzten Jahr alleine 71 Neumitglieder und 38 neue Netzbetreiber dazu stießen. Für die Zonen RU864-870 (Russland) wurden Kanalpläne erarbeitet, ebenso für Lateinamerika.
In mehr als 100 Ländern wurden lokale LoRaWAN-Netze durch lokale Netzbetreiber ausgerollt und im letzten Jahr seien 61 Prozent mehr Betreiber von LoRaWAN-Netzen dazu gekommen. Weltweit sollen bereits 80 Millionen kompatible Geräte "ausgerollt" sein, 60.000 Entwickler hätten für 10.000 Einzelnetzwerke passende Anwendungen entwickelt. Die Einzelnetzwerkbetreiber arbeiten vor Ort und sind über die LoRaWAN-Allianz miteinander verbunden. Das bedeutet: Wenn ein Gerät das Gebiet eines bestimmten Netzbetreibers verlässt, kann es im Gebiet eines anderen Netzbetreibers "roamen". Bis auf Grönland und weite Teile Afrikas (rund um den Äquator) ist LoRaWAN "weltweit" vertreten, was aber nicht bedeutet, dass es dort eine 100 Prozent Flächendeckung gibt.
Keine SIM-Karte
LoRaWAN arbeitet ohne SIM-Karten mit einer zentral verwalteten ID, womit das einzelne Gerät erkannt und adressiert werden kann. Dazu werden ein "AppKey" und ein Network-Key ("NwkKey") verwendet. Jeder Funkverkehr wird durch zwei Session-Keys geschützt. Die Nutzlast ("Payload") ist mit AES-CTR verschlüsselt und überträgt einen Rahmen sowie eine Prüfsumme (Message Inegrity Code - MIC), der mit AES-CMAC berechnet wurde, um zu vermeiden, dass Pakete geknackt oder verfälscht werden. In einem Infoblatt geht die Allianz sehr genau auf die Sicherheitsproblematik ein und hat für die Zukunft zwei Master-Keys vorgesehen, einer für das Netzwerk der andere für die Anwendungen. Das Schlüssel-Rechenzentrum könnte auch unabhängig vom örtlichen Netzbetreiber aufgestellt sein, um Daten zu schützen. Bei LoRaWAN hat man an die Zukunft gedacht. So sind Firmware-Updates für die Endgeräte durchaus über Funk (FUOTA) möglich, sofern die Funkstrecke die notwendige Kapazität bereitstellt und das Endgeräte genügend Batteriespannung hat.
LoRaWAN-Endgeräte ("Devices") sollen auch eine Ortsbestimmung [Link entfernt] ermöglichen. Dazu wird die Stärke des empfangenen Signals (RSSI) für eine grobe Ortsbestimmung und die Zeitdifferenz, bis das Signal angekommen ist (TDOA) verwendet. Das soll Genauigkeiten von 20 bis 200 Meter erlauben.
Das Protokoll ist Open Source
Das verwendete LoRaWAN-Protokoll basiert auf dem "Open Source" Standard. So sollen etwaige Fehler schnell gefunden und beseitigt werden können. Endgeräte, die im LoRaWAN-Netz funken wollen, müssen von der Allianz "zertifiziert" sein. In Deutschland, Europa oder den USA beispielsweise nehmen DEKRA und TÜV-Rheinland solche Zertifizierungen vor, der TÜV-Rheinland ist auch für Asien und Süd-Korea zuständig. Schwerpunkt der Technik ist ein möglichst niedriger Stromverbrauch, damit die in den Modulen enthaltenen Batterien möglichst lange halten, idealerweise 5 bis 10 Jahre.
Große Hoffnung setzt die Allianz in den Austausch von Messwerten, beispielsweise den Verbrauchszählern bei Heizungen und Wasserversorgern.
Wie bei SigFox ist der "Nachteil" von LoRaWAN, dass es hier keine SIM-Karte gibt und die notwendigen Netze "von Grund auf" frisch aufgebaut werden mussten. Solange die Kosten eines LoRaWAN-Netzes günstiger als die SIM-Karten basierten NB-IoT oder LTE-M-Netze sind, mögen diese Angebote durchaus Vorteile haben. Die GSMA/NB-IoT Allianz versucht potenzielle Nutzer mit sehr günstigen Einsteiger-Tarifen zu überzeugen
Viele Hersteller fahren zweigleisig
Die Zahl und Art der möglichen Sensoren ist unüberschaubar. Verschiedene Partner bieten LoRaWAN zertifizierte Produkte an, die diesem Standard entsprechen.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Spricht man mit örtlichen Netzbetreibern oder Herstellern, Entwicklern oder Betreibern von IoT-Endgeräten, so fahren sie meist einen offenen Kurs und sind auch auf die Kollegen von NB-IoT oder LTE-M oder älteren M2M-Netzen auf GSM/GPRS-Basis oder GSM-SMS-Basis vorbereitet. Langfristig könnte das Thema NB-IoT auf die SIM-Karten-basierte Lösung hinauslaufen, da viele Mobilfunknetze auf 2G, 3G oder 4G Basis bereits für NB-IoT oder künftig auch LTE-M aufgerüstet wurden.
Wer sich für die LoRa-Allianz interessiert, findet im Internet ausführliche Informationen. Wirft man einen Blick in die Unterlagen von LoRaWAN fällt auf, dass die Schweizer Swisscom mit von der Partie ist, ferner der europäische Entsorgungskonzern Veolia. Daneben findet man auch Hardware-Hersteller wie Cisco oder Sagemcom (Frankreich), die Suchmaschine Google, den Handelskonzern AliBaba, Netzbetreiber wie KPN (Niederlande) oder Orange (Frankreich), Proximus (Belgien), SK-Telecom (Süd-Korea), die Hersteller CISCO oder den Netzwerkausrüster ZTE unter den Hauptsponsoren.
LoRa war vor NB-Iot da
Kenner der Szene erklären das damit, dass LoRaWAN zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als der GSMA/3GPP-Standard für NB-IoT noch nicht fertig gewesen sei. Langfristig darf man gespannt sein. Reichen örtliche Einfach-Netze nach einem bestimmten Protokoll aus und wird diese Protokoll wirklich weltweit eingesetzt? Oder sollte man auf einen Mobilfunkanbieter mit langjähriger Erfahrung setzen, der mit NB-IoT oder LTE-M eine von der GSMA standardisierte Lösung verwendet?
Bei Swisscom, die wir dazu befragt haben, sieht man es pragmatisch: "Das Internet der Dinge ist für Swisscom ein wichtiges Thema. Je nach Kundenbedürfnis, welches ein entsprechendes IoT-Projekt mit sich bringt, stellen wir jeweils das beste Netz zur Verfügung. Ob 3G, 4G, 5G, stromsparende Optionen wie LoRaWAN oder neue Funkstandards wie NarrowBand-IoT für mobile Anwendungen oder für die Indoor-Kommunikation. Unser Portfolio basiert auf einem Technologie unabhängigen Ansatz, damit die Kundinnen und Kunden die für sie am besten geeignete Technologie nutzen können", so ein Sprecher der Swisscom dazu.