Vertrauensbruch

Deutsche Internet-Firmen profitieren vom NSA-Skandal

Nach dem NSA-Skandal kämpft die Internet-Branche um das Vertrauen ihrer Kunden. Die Auswirkungen sind besonders finanziell für die Unternehmen spürbar. Daher setzen sich nun große Internetkonzerne für eine weltweite Reform zur Vertrauensgewinnung ein.
Von dpa / Jennifer Buchholz

Die Internet-Branche will das Verrtauen ihrer Kunden zurückgewinnen Die Internet-Branche will das Verrtauen ihrer Kunden zurückgewinnen
Bild: Reform Government Surveillance
In der amerikanischen Internet-Branche schlugen die Ent­hüllungen über die aus­ufernde Über­wachung durch die NSA ein wie eine Bombe. Nein, man gewähre dem US-Geheim­dienst keinen direkten Zugang zu den Servern, wiederholen Internet-Riesen wie Google, Apple, Facebook oder Microsoft gebets­mühlen­artig seit dem Sommer. Das Geschäft der Online-Giganten lebt auch vom Vertrauen ihrer Kunden. Und dieses ist nun er­schüttert.

Schlimmer noch, die Unter­nehmen mussten feststellen, dass die NSA ihnen wohl buchstäblich in den Rücken gefallen ist. Der allgegenwärtige Abhör­dienst soll sich in die Daten-Pipelines zwischen den Rechen­zentren von Google, Yahoo und möglicher­weise auch Microsoft ein­geklinkt haben.

Und während die Vordertür der riesigen Server-Farmen wie ein Bank­tresor geschützt ist, waren die Daten der Kunden im sicher geglaubten Hinterhof un­verschlüsselt unterwegs. Eine solche Über­wachung wäre empörend und wohl auch illegal, sagte Googles Verwaltungs­ratschef Eric Schmidt - die bisher schärfste Kritik aus dem Silicon Valley an die Adresse der US-Regierung. Die Konzerne arbeiten nun unter Hochdruck daran, auch den internen Daten­verkehr zu verschlüsseln.

Enthüllungen schädigen Großkonzernen auch finanziell

Die Internet-Branche will das Verrtauen ihrer Kunden zurückgewinnen Die Internet-Branche will das Verrtauen ihrer Kunden zurückgewinnen
Bild: Reform Government Surveillance
Es bleibt allerdings die Frage, ob das reicht - oder ob das Vertrauen der Nutzer schon Schaden genommen hat. Bisher gibt es nur vereinzelte Hinweise darauf, dass die NSA-Enthüllungen ins Geschäft der Unter­nehmen schneiden. So führte der Netzausrüster Cisco entgangene Aufträge in China jüngst auf die Überwachungs-Sorgen zurück. Allerdings sind in dem Riesenland mit Huawei und ZTE auch zwei der schärfsten Konkurrenten zu Hause.

Derweil gibt es immer neue Prognosen, wie groß die Einbußen für amerikanische Tech-Unternehmen am Ende werden könnten. Ende November schätzte eine Forschungsgruppe der Industrie, dass sich die entgangenen Umsätze bis 2016 auf 35 Milliarden Dollar addieren könnten. Zuvor waren auch schon 100 Milliarden Dollar höhere Schadenschätzungen im Umlauf.

Besonders bedroht sein könnten die bisher boomenden Cloud-Dienste, bei denen Daten und Software direkt aus dem Netz abgerufen werden. Hier geben bisher US-Unternehmen wie Google, Amazon und Microsoft den Ton an. Der Branchen-Verein Cloud Security Alliance stellte in einer Umfrage fest, dass jeder zehnte seiner Mitglieder außerhalb der USA Verträge mit amerikanischen Providern von Cloud-Diensten gekündigt habe. Über die Hälfte habe gesagt, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einem US-Anbieter gehen würden.

Europäische Konkurrenten wittern ihre Chance. "Die momentane Debatte hilft SAP", sagt der Co-Chef des Software-Riesen, Jim Hagemann Snabe. Man garantiere schließlich, dass die Daten dort verwaltet würden, wo der Kunde es wünsche. Die Walldorfer konkurrieren bei Cloud-Diensten unter anderem mit dem US-Erzrivalen Oracle und Anbietern wie Salesforce.com.

"Wir haben einen Wettbewerbsvorteil", erklärt auch der Chef der Telekom-Dienstleistungstochter T-Systems, Reinhard Clemens. Viele Unternehmen - darunter auch Konkurrenten - fragten, ob T-Systems für sie Dienste in Deutschland nach deutschen Datenschutz-Regelungen betreiben könne. "Dank der NSA-Diskussion verstehen die Menschen, dass man viele Sachen einfach nicht zulassen darf." Ob die "Cloud Made in Germany" das Zeug zum Exportschlager hat, versieht Clemens allerdings vorerst mit einem Fragezeichen.

Europa ist keine Konkurrenz zu den USA

Zugleich mahnt der Chef der finnischen Firma F-Secure, Christian Fredrikson, dass kaum jemand auf Dauer nur für den Standort Europa zahlen werde. "Wir müssen auch die beste Technologie liefern." Die heutige Größe der US-Wettbewerber sei kein entscheidender Vorteil: "Sie sind seit Jahren im Geschäft, müssen damit auch eine Menge älterer Technologien unterstützen. Wir in Europa sind kleiner und wendiger - und gerade in der Software-Branche ist weniger oft mehr."

Die US-Unternehmen gingen im Dezember nach kritischen Worten in Richtung NSA in die Offensive. Acht große Konzerne - darunter Google, Microsoft, Yahoo, Facebook, Twitter - forderten eine weltweite Reform der Internet-Überwachung durch Behörden mit klaren Einschränkungen.

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