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Editorial: Noch mehr Preiserhöhungen im Kabelmarkt

Preiserhöhung noch vor Ende der Mindestlaufzeit und mit nur kurzer Vorankündigungsfrist: Geht das überhaupt? Und wie können sich Kunden wehren?
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Primacom-Netz wurde auf 400 MBit/s hochgerüstet Primacom-Netz wurde auf 400 MBit/s hochgerüstet
Screenshot: teltarif.de / Primacom
Letztes Jahr machte der Kabelnetzbetreiber Tele Columbus den Anfang, nun folgen Unitymedia (siehe unsere Meldung) und Primacom (siehe unsere Meldung) mit Preis­erhöhungen für Bestands­kunden mitten im laufenden Vertrag. Meist sollen die Kunden monatlich zwischen 5 und 10 Euro mehr bezahlen als bisher. Absolut betrachtet ist die Preis­erhöhung für die meisten Kunden daher überschaubar. Relativ betrachtet ist sie hingegen teils drastisch: Für Kunden, die bisher monatlich knapp 15 und künftig knapp 25 Euro zahlen sollen, steigen die Kosten um 67 Prozent!

Anders als Tele Columbus vor einem Jahr, die den Kunden weder ein Recht zum Widerspruch gegen die Preiserhöhung noch ein Sonder­kündigungsrecht einräumen wollten, weisen die Anbieter nun die Kunden in ihren Anschreiben zumindest auf einen Teil ihrer Rechte hin: Unitymedia auf ein Sonder­kündigungsrecht und Primacom (gehört mittlerweile zu Tele Columbus) auf ein Wider­spruchsrecht. Freilich ist damit nur ein Teil der Rechte der Kunden abgedeckt. Denn zum einen hat der Kunde bei ungerecht­fertigten Preis­erhöhungen während der Laufzeit nach seiner Wahl sowohl ein Widerspruchs- wie ein Sonder­kündigungsrecht. Zum Wider­spruchsrecht kommt dann noch ein Unter­lassungs­anspruch des Kunden gegen seinen Anbieter hinzu, künftig von solch frechen Preis­änderungs­versuchen verschont zu bleiben. Nutzt der Kunde das Sonder­kündigungsrecht, ist der Anbieter wiederum verpflichtet, den Anschluss auch über den Sonder­kündigungs­termin hinaus weiter­zubetreiben, wenn der Kunde bis dahin trotz aktivem Bemühens keinen Ersatzanschluss beschaffen konnte. Hat der Anbieter einen Widerspruch gegen die Preiserhöhung verweigert und der Kunde deswegen die Sonderkündigung gewählt, hat der Kunde zudem das Recht, bis zum Ende der regulären Laufzeit des Vertrags eventuell nötige Mehrkosten für einen gleichwertigen Ersatzanschluss bei einem neuen Anbieter von seinem alten Anbieter zu verlangen.

Alle diese Rechte ergeben sich aus dem BGB aus der Vertragsverletzung des Tk-Anbieters. Diese besteht darin, dass er aktiv mitteilt, dass er nicht mehr dazu bereit ist, den geschlossenen Vertrag zu den vereinbarten Konditionen weiterzuführen. Eine eventuell in den AGB eines Anbieters vorbehaltene Preis­anpassungsklausel greift nur dann, wenn es sich nachweislich um eine Preisanpassung handelt, also tatsächlich gestiegene Kosten umgelegt werden, und zugleich die im selben Zeitraum eingetretenen Kostensenkungen gegengerechnet werden. Der Hinweis eines Anbieters, dass das Netz nun auf 400 MBit/s hochgerüstet wurde und am Anschluss des Kunden diese Bitrate nun ebenfalls zur Verfügung steht, hat bei einer Preisanpassung zum Beispiel keinerlei Relevanz, weil es hier um Kosten für den Ausbau des Netzes für Premium-Neukunden und Premium-Wechslerkunden geht, aber nicht um Kosten für den Weiterbetrieb des Netzes für Bestandskunden!

Korrekt: Vertragsumstellungsangebot

Primacom-Netz wurde auf 400 MBit/s hochgerüstet Primacom-Netz wurde auf 400 MBit/s hochgerüstet
Screenshot: teltarif.de / Primacom
Will ein Anbieter die Preise außerhalb einer nachgewiesenen Preisänderung anpassen, ist der rechtlich korrekte Weg, den Kunden ein Angebot zur Vertragsumstellung zu schicken. Ebenso darf der Anbieter denjenigen Kunden, die das neue Angebot nicht annehmen, zum Ende der Laufzeit kündigen, natürlich unter Einhaltung der mit dem Kunden vereinbarten Kündigungsfrist von meistens drei Monaten. Bereits in der rechtlichen Grauzone befindet sich eine Änderungskündigung zum Laufzeitende: Der alte Vertrag läuft dann aus und es beginnt automatisch ein neuer Vertrag mit neuen Konditionen, wenn der Kunde nicht aktiv widerspricht.

Ändert der Kabelnetzbetreiber die Konditionen hingegen, wie hier geschehen, kurzfristig und erheblich, dann nutzt er nicht das Vertragsrecht der BRD, sondern einfach das Recht des Stärkeren, um seine Maßnahme durchzusetzen. Schließlich steht der Kunde im schlimmsten Fall mehrere Monate ohne Festnetz da und möglicherweise sogar dauerhaft ohne seine alte Rufnummer, wenn ihm der alte Anbieter im Streit die Leitung zur Unzeit abschaltet. Das möchten die Kunden nicht riskieren. Freilich: Am Ende fällt das rüde Geschäftsverhalten doch wieder auf die Tk-Anbieter zurück. Denn die Zahlungsbereitschaft von Kunden, die sich über den Tisch gezogen fühlen, ist entsprechend gering. Margenträchtige Zusatzdienste, wie zum Beispiel Videostreaming, werden von solch unzufriedenen Kunden dann eben von unabhängigen Dritten gekauft, zum Beispiel Netflix, statt vom Internetanbieter selber.

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