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IMB5: Nächster Anlauf für Fernsehen auf dem Handy

Im neuen Anlauf soll es klappen, Fernsehen auf das Handy zu bringen. Ein deutsches Forschungsprojekt will für einen Standard im kommenden 5G-Netz sorgen. Es soll eine Weiterentwicklung von LTE Broadcast sein.
Aus Berlin berichtet Thorsten Neuhetzki

Verschiedene TV-Sender auf dem Handy - per Broadcast, nicht per Stream Verschiedene TV-Sender auf dem Handy - per Broadcast, nicht per Stream
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Es gibt viel verbrannte Erde, wenn es um das Thema Fernsehen auf dem Handy geht: DVB-H, MediaFLO oder DMB sind nur einige der Stichworte und Entwicklungen, über die auch teltarif.de in den vergangenen Jahren berichtet hat und die verschiedene Interessengruppen versucht haben, im Markt zu platzieren - erfolglos. Jetzt soll es einen neuen Anlauf geben - getrieben von der Mobilfunk-Industrie und den öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern gleichermaßen. Das Forschungsprojekt IMB5 [Link entfernt] samt seiner Ergebnisse unter Koordination des IRT wurde vergangene Woche in Berlin vorgestellt.

Bei IMB5 geht es vor allem um die auf LTE folgende Mobilfunkgeneration 5G. Dieser Standard wird aktuell vom globale Mobilfunk-Standardisierungsgremium 3GPP (3rd Generation Partnership Project) spezifiziert. Das Ziel: Die Forschungsergebnisse und weitere Forschungen sollen in den Standard einfließen und so Fernsehen über 5G ermöglichen. Dabei geht es nicht um einen Stream, wie er schon heute möglich ist, sondern um eine Broadcast-Lösung. Der Unterschied: Bei einem Stream belegt jeder Zuschauer für sein Signal eine bestimmte Bandbreite, werden es zu viele Zuschauer, ist die Netzzelle überfordert. Bei einem Broadcast-Netz gibt es hingegen keine Limitierung.

LTE Broadcast als Vorstufe

Verschiedene TV-Sender auf dem Handy - per Broadcast, nicht per Stream Verschiedene TV-Sender auf dem Handy - per Broadcast, nicht per Stream
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Eine Vorstufe dessen, was IMB5 erreichen will, ist mit evolved Multimedia Broadcast Multicast Service (eMBMS) schon heute bei LTE verfügbar, wird jedoch faktisch nicht genutzt. Die Standard-Erweiterung ermöglicht es, TV-Kanäle gleichzeitig an viele Empfänger zu verteilen.

Erprobt wurde dies in Deutschland bisher vor allem von Vodafone unter dem Stichwort LTE Broadcast. Eine wichtige Funktionalität von eMBMS ist die Übertragung in einem Gleichwellennetz, bei dem mehrere Basisstationen synchronisiert und zu Funkzellengruppen zusammengefasst werden. Damit können in mehreren Funkzellen gleiche Inhalte auf einer Frequenz gleichzeitig übertragen werden. Das Prinzip entspricht dem im Rundfunk bekannten Gleichwellenbetrieb bei DVB-T/T2 und DAB+. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden zudem in München und Erlangen zwei Gleichwellen-Testnetze aufgebaut.

Verbreitung mit wenigen Türmen und viel Leistung denkbar

Je mehr Nutzer Streaming nutzen, desto mehr Kapazität wird im Netz gebraucht. Je mehr Nutzer Streaming nutzen, desto mehr Kapazität wird im Netz gebraucht.
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
IMB5 soll die Brücke zwischen Rundfunk- und Mobilfunktechnologie schlagen. "Wir konnten nicht nur die prinzipielle Funktionsweise der Fernsehübertragung in zwei großflächigen LTE-Netzen im eMBMS-Gleichwellenmodus bestätigen, sondern auch dank der Koordination durch die Europäische Rundfunkunion (EBU) und Mobilfunkausrüster erste Standardisierungsbeiträge in 3GPP für die Rundfunkanforderungen in 5G, wie beispielsweise die großflächige Versorgung, leisten", sagte Jochen Mezger, Geschäftsfeldleiter für Programmverbreitung am IRT.

Das Ziel ist es, nach Möglichkeit die TV-Sender über einige wenige LTE-Masten - vergleichbar mit den heutigen TV-Sendern - auszustrahlen, und nur vereinzelte kleine Zellen, etwa in U-Bahnen, zusätzlich anzubinden. Dieses Prinzip - von den Rundfunkern "High Tower, High Power" genannt - senkt die Kosten für die TV-Aussendung. Am Ende könnte es dann einen Mix aus flächendeckenden High-Power-Sendern und Füllsendern geben. Allerdings müsste für eine Implementierung in den Standard noch weiter geforscht werden, um die Qualität und Effizienz zu verbessern.

Genutzt werden soll also das Frequenzspektrum der Mobilfunk-Anbieter. Denkbar wären unter anderem die 700-MHz-Frequenzen, die demnächst neu genutzt werden können. Ob die Mobilfunk-Anbieter jedoch bereit sind, ihre teuer ersteigerten Frequenzen, die vormals den TV-Sendern zugewiesen waren, wieder den TV-Sendern zur Verfügung zu stellen, darf bezweifelt werden. Mezger betonte bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass es bei der Forschung explizit nicht um die Frage der Frequenzen gegangen sei. Die Geschäftsmodelle hinter dem Projekt sind vollkommen offen. In jedem Fall soll es keinen frequenz-ökonomischen Unsinn geben, bei dem jeder Mobilfunkanbieter für seine Kunden die Sender einzeln aussendet.

Geschäftsmodelle und Finanzierung vollkommen offen

Broadcast per Handynetz Broadcast per Handynetz
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Wie die Kunden das Signal am Ende empfangen können werden, ist unklar. Dadurch, dass zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Sender frei empfangbar sein müssen, dürfte es für die Mobilfunkanbieter schwer sein, Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ohne Geschäftsmodelle lohnt sich jedoch die Entwicklung der Dienste nicht und auch die Motivation, Mobilfunk-Frequenzen mit TV zu belegen dürfte gering sein. Ohnehin stellt sich die Frage nach dem Bedarf der Kunden: Lineare, mobile TV-Ausstrahlung dürfte vor allem bei Events wie Welt- oder Europameisterschaften oder zu Katastrophen interessant sein.

Zwar werden heute schon viele Bewegtbildinhalt auf mobilen Geräten konsumiert, doch handelt es sich dabei in aller Regel um On-Demand-Inhalte, die per Streaming und somit im Unicast übertragen werden. Das wäre nicht mit dem erforschten Multicast-Verfahren kompatibel. Allerdings bestünde die Möglichkeit, die Filme und Serien als Datei-Push an alle Geräte gleichzeitig zu übertragen. Zumindest die aktuellen Film- und Serien-Highlights könnten so aber - abgesehen von möglichen lizenzrechtlichen Einschränkungen - auf den Speicher des Handys gepusht werden. Hier ließe sich dann ein Pay-TV-Modell realisieren. Die Auswahl an Filmen und Serien allerdings ist dann wieder durch den Speicher des Handys begrenzt.

Implementierung in 5G-Standard würde weltweite Hardware ermöglichen

Nokia demonstriert den Unterschied zwischen Unicast und Multicast. Nokia demonstriert den Unterschied zwischen Unicast und Multicast.
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Beteiligt an dem Projekt waren unter anderem das Fraunhofer IIS, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nokia, Rohde & Schwarz der Bayerische Rundfunk sowie BMW Forschung und Technik. Auf der Präsentationsveranstaltung meldeten sich dann auch noch der VPRT und Telefónica zu Wort, die das Projekt begleitet haben. Bei allen noch unklaren Fragen schienen sich dabei alle einig: Es ist wichtig, dass ein solcher Rundfunk-per-Mobilfunk-Dienst im Standard für 5G implementiert wird. Nur dann gibt es die Chance, einen weltweiten Standard zu schaffen und die Kosten für Endgeräte und Netz-Equipment entsprechend niedrig zu halten. Für diese Standardisierung müssen jetzt die Weichen gestellt werden, 5G soll in fünf Jahren bereits im Einsatz sein.

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