Editorial: Festplatte an Bord
Kostenlose Inhalte im ICE-WLAN
Billd: dpa
Die Versorgung der Fahrgäste mit mobilem Internet an Bord der
Fernzüge der Deutschen Bahn lässt weiterhin zu wünschen übrig.
So besteht an Bord der ICE-Züge zwar die Möglichkeit zum Surfen
in einem zumindest im Bereich der 1. Klasse kostenlosen WLAN-Netz.
Doch dieses ist oft stark ausgelastet, teils sogar extrem überlastet.
Nachdem sich Anfang 2015 durch den Wechsel vom proprietären und
veralteten OFDM-Netz zum deutlich leistungsfähigeren
LTE-Netz die verfügbaren Datenraten
deutlich gebessert hatten,
explodierte die Nutzung geradezu: Von
15 TB im Monat, die Mitte 2014 noch gemessen wurden, auf
105 TB im Oktober 2015. Das blieb nicht ohne Folgen für das
WLAN im ICE: Die Verstopfung ist zurückgekehrt. Abends im nur noch
spärlich besetzten ICE funktioniert das WLAN noch ganz gut. Morgens
oder tagsüber in vollen Zügen kann schon das Aufrufen normaler
Nachrichten-Websites zur Qual werden.
Wenn in absehbarer Zeit kostenloses WLAN auch für die 2. Klasse freigeschaltet wird, wird der Datenbedarf nochmals sprunghaft steigen. Zusammen mit der "normalen" Steigerung des Datenverkehrs seit Oktober letzten Jahres dürfte der Traffic aller ICEs zusammen bereits in die Nähe von einem Petabyte pro Monat kommen. Das sind 1.000 Terabyte oder 1.000.000 Gigabyte.
Ein nicht unerheblicher Teil des mobilen Datentraffics im ICE kommt von Nutzern, die zumindest versuchen, unterwegs Video zu schauen. Zwar geben die meisten Videoschauer wegen hängenbleibender Streams schon nach kurzer Zeit wieder auf. Doch bis zur Aufgabe sind meist dennoch schon zig Megabyte übertragen worden - zum Leidwesen auch der Nutzer, die weniger datenhungrige Anwendungen nutzen wollen.
Maxdome kostenlos an Bord!?
Kostenlose Inhalte im ICE-WLAN
Billd: dpa
Von daher klingt es erstmal wie eine Schnappsidee, dass die Bahn nun auch
noch das Internet-Videoportal Maxdome im ICE
kostenlos anbieten will. Doch in Wirklichkeit
ist das ein cleverer Schachzug: Denn Maxdome wird eigene Server in die
ICEs einbauen. Dadurch werden die Maxdome-Streams den LTE-Internetzugang
der ICEs nicht belasten. Dass die von Maxdome im ICE gestreamten Videos
auch an den gewohnten Schwachstellen des Internets in ICE (etwa im Tunnel
und in der Nähe vieler Bahnhöfe) nicht ruckeln, dürfte sich unter den
Fahrgästen schnell herumsprechen. So profitieren am Ende alle:
- Die Fahrgäste bekommen endlich zeitgemäße Bordunterhaltung.
- Maxdome erhält für geschätzte Investitionskosten im niedrigen einstelligen Millionenbereich kostenloses Marketing mit dem vielfachen Wert.
- Die Bahn verbessert ihr Image und verringert dank sinkendem oder zumindest weniger schnell steigendem Datenvolumen ihre Kosten für den Internetzugang an Bord der ICEs.
Leider könnten mit der Maxdome-Einführung nun Bordnetz und die WLAN-Access-Points des ICE ebenfalls zum Engpass werden. Maxdome gibt für Filme im HD-Ready-Format (720p) eine Datenrate von 6,5 MBit/s an. Da das Bordnetz wahrscheinlich auf der Basis von Gigabit Ethernet aufgebaut ist, das Netto-Datenraten von ca. 900 MBit/s zulässt, dürfte bei ca. 130 gleichzeitigen Streams Schluss sein. Angesichts von über 700 Sitzplätzen in einem ICE 1 kann also nur ein Teil der Fahrgäste des Videoangebot nutzen. Pro Wagen, wo es m.W. jeweils zwei WLAN-Zellen gibt, ist sogar bereits nach einer deutlich geringeren User-Zahl jeweils Schluss.
Aufrüstung im ICE
Andererseits: Sollte das Maxdome-Angebot so gut angenommen werden, dass es auch bei diesem zu Engpässen kommt, sollte es mit begrenzten Investitionskosten möglich sein, die Engpässe zu beseitigen, ob nun durch mehr oder breitbandigere WLAN-Zugangspunkte oder gar durch mehrere Maxdome-Server pro ICE. ICE 2 und 3 fahren zudem von vornherein mit deutlich kürzeren Einheiten als der ICE 1 und entsprechend geringerer Überlastgefahr.
Das Maxdome-Portal ändert aber nichts daran, dass auch der mobile Internetzugang im ICE und erst recht im Intercity drastisch verbessert werden muss. Denn selbst, wenn eine ICE-Strecke durchgehend mit Datenraten von 100 MBit/s versorgt ist: Bei tausend aktiven Geräten (300 Laptops und 700 Smartphones) eines vollbesetzten ICE entspricht das gerade mal 100 kBit/s pro Gerät. Das liegt nur wenig über dem "Drosseltempo" von 32 bis 64 kBit/s, das meist nach Verbrauchen des Datenvolumens gilt, und reicht heutzutage den Kunden schon lange nicht mehr.