Editorial: Ohne Hotline geht es (noch) nicht
Egal ob E-Plus oder o2: An der Telefónica-Hotline geht derzeit oftmals nichts mehr.
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Es ist ein Trauerspiel, das
Telefónica/o2 derzeit seinen Kunden
bietet: Die Kundenhotline ist schon
seit Monaten so gut
wie dauerbesetzt. Durchkommen
ist Glückssache. Dabei dürfte das Bedürfnis der Kunden nach
telefonischem Service schon aufgrund der laufenden
Netzintegration eher zu- denn
abgenommen haben. Zwar ist Telefónica durchaus zu bescheinigen,
dass die Netzzusammenlegung insgesamt gut vorankommt. Aber wo gehobelt
wird, da fallen bekanntlich Späne, und so ist es vollkommen normal,
dass im Rahmen der Netzfusion Kunden plötzlich vor Problemen stehen,
die sie vorher nicht hatten, und die sie gerne zusammen mit der
Hotline lösen würden.
Wie genau es zu dem Hotline-Debakel kommen konnte, ist unklar. Fest steht nur, dass der aktuelle Vertrag zwischen Telefónica und dem bisherigen Betreiber der Hotline, der Servicegesellschaft Arvato, zu Ende Juni 2017 ausläuft. Aus Branchenkreisen ist diesbezüglich zu hören, dass o2 derart harte Vorgaben bei der Neuausschreibung des Vertrags machte, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato diese nicht mehr erfüllen konnte oder wollte. Künftig will Telefónica die Hotline selber betreiben. Aber die Umstellung von der externen auf eine interne Hotline geht natürlich nicht an einem Tag.
Es dürfte in der aktuellen Situation auch so gut wie unmöglich sein, von extern herauszufinden, ob Telefónica tatsächlich zu harte Vorgaben macht, oder ob die Hotline-Mitarbeiter von Arvato angesichts des absehbaren Jobverlusts in einen wilden Bummelstreik getreten sind. Vermutlich ist es am Ende auch ein bisschen von beiden: Größere Erwartungen treffen auf ein schlechter motiviertes Team. In letzterem ist der Krankenstand höher, die Mitarbeiter machen mehr Pause und komplizierte Service-Fälle werden vielleicht erst im dritten oder vierten Anlauf erledigt statt bisher (durchschnittlich) im zweiten.
Wichtig ist für o2, dass sie das Problem nun schnell wieder unter Kontrolle bekommen und einen Service bieten, der diesen Namen auch verdient hat. Denn entnervte Kunden, die die Hotline wochenlang nicht erreichen können, schicken am Ende noch genau ein Schreiben an ihren Anbieter: Die Kündigung. Sind die Kunden dann erstmal weg und woanders gut versorgt, könnte es entsprechend lange dauern, sie zurückzuholen.
Unter den Kunden machen inzwischen Geheimtipps die Runde: Die Bestellhotline anzurufen, und sich dann mit der Service-Hotline verbinden zu lassen, soll ganz gut funktionieren. Nur müssen in der Folge die Kunden, die solche Tricks nicht nutzen, entsprechend noch länger warten. Eine Lösung auf Dauer sind solche Tricks also nicht.
Weg von der Hotline
Egal ob E-Plus oder o2: An der Telefónica-Hotline geht derzeit oftmals nichts mehr.
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Generell geht der Trend nicht nur bei Telefónica/o2/E-Plus weg vom
Service über die teure und schulungsintensive Hotline, hin zum
Selbst-Service über das Online-Portal. Doch letzterer scheitert oft
daran, dass in der Vergangenheit komplizierte Produkte und Tarife
verkauft worden sind. Insbesondere, wenn die Sonderfeatures dann auch
noch kombiniert werden, kommt es schnell zu Problemen:
Homezone-Telefonate mit der auf das Handy geschalteten
Festnetznummer über VoLTE in einem Vertrag mit Multicard funktionieren
vermutlich noch bei keinem Anbieter so richtig. Um auch in solchen
Fällen gute Lösungen für die Kunden zu finden, braucht es die Kompetenz
der Hotline.
"Weniger Hotline" heißt also auch "weniger Tarifvielfalt", wenn man nicht die Kunden ins Chaos stürzen lassen will. Das erhöht am Ende aber den Konkurrenz- und Preisdruck, weil die Anbieter austauschbarer werden, und senkt damit die Kosten für die Kunden. Das mit der Rationalisierung der Hotline ersparte Geld landet also nicht unbedingt in den Taschen der Anbieter, zumindest zum Teil dürfte es auch in den Taschen der Kunden bleiben - in Form von ersparten Entgelten. Das ist immerhin ein kleiner Trost.
Inzwischen hat übrigens auch die Bundesnetzagentur angekündigt, dass sie zumindest prüfen will, ob und welche Maßnahmen gegen Telefónica möglich sind.