Technik

Handy-Kameras: Klein und scharf passt nicht zusammen

Licht lässt sich nicht einsperren. Was wie eine Binsen­weis­heit klingt, hat drama­tische Folgen für Kamera-Handys: Ein anschau­liches Expe­riment von teltarif.de mit einem Laser zeigt, dass Fotos um so unschärfer werden, je mehr man die Kamera verklei­nert.
Von / Julian Ruecker

Die Kamera fehlt heut­zutage an fast keinem Mobil­telefon mehr. Zwei Merk­male stellen viele Hersteller in ihrer Werbung beson­ders gerne heraus: So wird auf die relativ geringe Größe des Geräts aufmerksam gemacht und auf eine beson­ders hohe Anzahl an Mega­pixel.

Aber es stellt sich die Frage: Inwie­weit ist es über­haupt möglich, Kameras immer kleiner und immer hoch­auflö­sender zu machen? Wo liegen hier die Grenzen?

Licht lässt sich nicht einsperren

Um zu zeigen, was passiert, wenn man eine Kamera immer weiter verklei­nert, führen wir ein klas­sisches Expe­riment durch: Ein Laser­strahl wird durch einen engen Spalt geschickt. Hinter dem Spalt steht ein Schirm (das kann aber auch eine weiße Wand sein) und wir machen bei unter­schied­lichen Einstel­lungen des Spalts jeweils ein Foto, wie der vom Laser­strahl erzeugte Fleck auf dem Schirm bzw. der Wand aussieht. Wir wollen nun beob­achten, was passiert, wenn wir diesen Spalt immer kleiner machen.

Zunächst aber ist der Spalt bzw. die Blende weit geöffnet. Der Laser­strahl kann unge­hindert hindurch­scheinen. Auf dem Schirm bzw. der Wand sieht man einfach einen hellen Fleck. Die wolkige Struktur rund um den zentralen hellen Punkt kommt daher, dass Laser nicht perfekt sind und ein kleiner Teil des Lichts etwas seit­lich vom Haupt­strahl fällt. Das aller­meiste Licht ist aber wirk­lich im hellen Punkt in der Mitte gebün­delt. Und jenseits der "der-Laser-ist-nicht-perfekt"-Wolke ist alles dunkel.

Im nächsten Schritt machen wir den Spalt dünner, sodass er weniger breit ist als der Laser­strahl dick. Der Laser­strahl wird damit vom Spalt links und rechts beschnitten. Die Verwun­derung jedoch beim Blick auf den Schirm: Mitnichten ist dort der zentrale Licht­fleck links und rechts beschnitten. Im Gegen­teil, der Strahl wurde nach links und rechts aufge­weitet und beleuchtet den Schirm jetzt sogar in Berei­chen, die vorher dunkel waren!

Der Versuch, den Licht­strahl mit dem Spalt in hori­zontaler Rich­tung einzu­sperren, führte dazu, dass der Licht­strahl sich hori­zontal verbrei­tert hat. Schuld daran ist die Wellen­natur des Lichts: Wird es eng, wird die vorher gleich­mäßige Ausbrei­tung der Wellen­front gestört und es bilden sich neue Wellen in seit­licher Rich­tung.

Je enger man den Spalt stellt, desto stärker wird die Beugung, die den Licht­strahl aufweitet. Die stärksten Beugungs­effekte gibt es, wenn der Spalt kaum noch breiter ist als die Licht­wellen­länge: Der zentrale helle Punkt ist komplett verschwunden. Statt eines einzelnen hellen Punktes gibt es nun einen hellen Streifen, der von einzelnen dunklen Punkten unter­brochen wird. Extremer könnte die Verwand­lung kaum sein, und das nur durch Verklei­nerung des Spalts, durch den das Licht fällt!

Mitt­lerweile nähert sich die Größe der Pixel auf dem Sensor moderner Kamera-Handys bereits bedenk­lich stark der Licht­wellen­länge. Wenn 2048 mal 1536 Pixel (das sind knapp 3,2 Mega­pixel) auf einen nur 4 mal 3 Milli­meter großen Chip gequetscht werden, dann sind die Pixel gerade noch 2000 Nano­meter lang. Wird der Sensor bei glei­cher Größe auf 8 Mega­pixel gestei­gert, schrumpft die Pixel­länge gar auf 1200 Nano­meter. Zum Vergleich: Die Licht­wellen­länge beträgt je nach Farbe 400 bis 700 Nano­meter.

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Wenn die Kamera zu klein wird

Um über­haupt scharfe Bilder schießen zu können, benö­tigt eine Kamera eine Linse: Diese sammelt das vom foto­grafierten Gegen­stand ausge­hende Licht und fokus­siert es auf den Film bzw. Sensor. Im Ideal­fall kommen alle Licht­strahlen, die von einem Objekt­punkt ausgehen, auf dem Film bzw. Sensor wieder in genau einem Punkt zusammen.

Meist direkt hinter der Linse sitzt die Blende. Das ist eine Scheibe mit einem Loch in der Mitte. Durch dieses Loch erfolgt die Aufnahme. Der Rest der Scheibe verdeckt hingegen Licht­strahlen aus den beson­ders stark verzer­renden Außen­berei­chen der Linse oder regelt bei größeren Kameras über seine Größe auch die insge­samt einfal­lende Licht­menge.

Die Blen­denöff­nung wirkt nun wie der Spalt in dem auf der vorher­gehenden Seite darge­stellten Expe­riment und beugt das Licht. Aller­dings erfolgt die Aufwei­tung sowohl nach links/rechts als auch nach oben/unten, da der Blen­denring das einfal­lende Licht sowohl hori­zontal als auch vertikal begrenzt.

Am Ende treffen sich die Strahlen, die von einem Objekt­punkt ausge­gangen sind, nicht mehr in einem Punkt auf dem Film, sondern in einem kleinen Fleck. Dieser wird als Beugungs­scheib­chen bezeichnet.

Beugung an der Linse bzw. an der Blende: Unschärfe unver­meidbar

Eine typi­sche Blende mit der Blen­denzahl von 2,8 verur­sacht bei gelb-orangem Licht (590 Nano­meter Wellen­länge) auf dem Sensor 4000 Nano­meter große Beugungs­scheib­chen. Das ist doppelt so hoch und doppelt so breit wie die oben genannte Pixel­größe einer kleinen 3,2-Mega­pixel-Handy-Kamera! Da aller­dings neben­einan­derlie­gende Pixel immer verschie­dene Farben aufnehmen, beträgt das effek­tive Pixel­raster eben­falls 4000 Nano­meter (für rote und blaue Pixel) bzw. 2800 Nano­meter (grüne Pixel), sodass die Beugungs­scheib­chen mit 4000 Nano­meter gerade noch akzep­tabel sind.

Stei­gert man die Auflö­sung aber von 3,2 Mega­pixel bei unver­änderten Abmes­sungen auf 8 Mega­pixel, über­deckt das Beugungs­scheib­chen bereits ca. zehn Pixel. Feine Details des Objekts werden somit zwangs­läufig unscharf auf den Sensor abge­bildet; dessen hohe Pixel­zahl kann nicht mehr zur Geltung kommen.

Mehr Raum!

Prin­zipiell gibt es eine einfache Lösung für dieses Problem: Die gesamte Kamera maßstäb­lich vergrö­ßern. Zum Beispiel wäre eine Verdop­pelung der Größe von Linse, Blende und Sensor und ebenso eine Verdop­pelung des Abstands von Linse bzw. Blende zum Sensor eine mögliche Lösung. Durch die doppelte Blen­dengröße halbieren sich die Beugungs­effekte, durch den verdop­pelten Abstand von Linse bzw. Blende zum Sensor verdop­peln sie sich aber wieder. Beide Einflüsse heben sich gegen­seitig auf, sodass die Beugungs­scheib­chen trotz "Verdopp­lung" der Handy-Kamera unver­ändert groß bleiben.

Jedoch vergrö­ßern sich mit der Kamera auch die Sensor-Pixel und folg­lich über­decken die unver­ändert großen Beugungs­scheib­chen in einer vergrö­ßerten Kamera entspre­chend weniger Pixel, wie man im Vergleich der beiden letzten Grafiken erkennt. Und so hat eine digi­tale Spie­gelre­flex­kamera mit einem Voll­format-Sensor (36 mal 24 Milli­meter) trotz 25 Mega­pixel bei Blen­denzahl 2,8 keinerlei Beugungs­probleme, während die eben­falls betrach­tete 8-Mega­pixel-Handy­kamera massiv beugungs­beschränkt arbeitet.

Es würde übri­gens reichen, Linse und Blende bei unver­ändertem Abstand zum Sensor zu vergrö­ßern, sodass die Blen­denzahl und damit auch die Größe der Beugungs­scheib­chen entspre­chend sinkt. Jedoch nimmt unter­halb einer Blen­denzahl von 2,8 der konstruk­tive Aufwand, der für ein gutes, scharf abbil­dendes Kame­raob­jektiv zu treiben ist, sehr schnell zu.

Blende und Linse wich­tiger als reine Pixel­zahl

Ein weiterer Vorteil einer größeren Blende (egal, ob nur die Linse samt Blende oder die komplette Kamera vergrö­ßert wird) ist, dass mehr Licht auf den Sensor fällt und so das Rauschen redu­ziert wird. Aufgrund der kleinen Linsen leiden prak­tisch alle Multime­gapixel-Handy­kameras unter Licht­mangel, sodass die Sensoren auch einfar­bige Flächen als bunte Pixel­gewitter "sehen".

Die Steu­erpro­zessoren werden von den Herstel­lern jedoch mit immer aufwän­digerer Soft­ware versehen, um trotz der genannten Probleme (Bild­rauschen, Beugungs­unschärfe) akzep­table Bilder zu erzeugen. Die Soft­ware kann jedoch keine Wunder voll­bringen. Und so verwischt so manches Detail, das hinter einer größeren Linse und einer größeren Blende bei ansonsten glei­cher Pixel­zahl noch aufge­löst worden wäre, zu einem unde­finierten Etwas.

Dennoch sind zusätz­liche Pixel im Kame­rasensor nicht grund­sätz­lich abzu­lehnen: Mehr Sensor­elemente bedeuten mehr Infor­mationen, die von den immer ausge­feil­teren Algo­rithmen zur Rekon­struk­tion des Origi­nalbildes verwendet werden können. Aber es kann nur ein Teil rekon­stru­iert werden, und so steigt die Qualität wesent­lich lang­samer als die Pixel­zahl. Ein 2-Mega­pixel-Sensor hinter einer Mini-Linse vermag zum Beispiel zirka 1 Mega­pixel scharf aufzu­lösen. Ein 8-Mega­pixel-Sensor hinter derselben Linse schafft dann effektiv nicht 4, sondern nur 2 Mega­pixel, wie das Nokia N86 in einem teltarif.de-Test.

Beugungs­problem auch bei profes­sionellen Digi­talka­meras

Auch die den aktu­ellen Entwick­lungen in der Digi­talfo­tografie kritisch gegen­über­stehende ehema­lige Seite 6mpix.org hatte zu dieser Thematik einen eigenen Artikel verfasst, der die mathe­mati­schen Hinter­gründe noch genauer erläu­terte. Die dortigen Angaben für die Beugungs­scheib­chen waren kleiner, da zum einen die Radien und nicht die Durch­messer ange­geben worden waren, zum anderen auf eine etwas kürzere Licht­wellen­länge abge­stellt wurde.

Auf der zitierten Seite zeigte sich, dass selbst profes­sionelle Kameras wie eine EOS 1Ds nicht vor dem Beugungs­problem geschützt sind. Jedoch kommt der Effekt bei dieser Kamera nur dann zum Tragen, wenn man eine sehr kleine Blende wählt. In den Auto­matik­programmen dürfte das eher selten der Fall sein, da diese bei starken Licht­verhält­nissen eher die Belich­tungs­zeit verkürzen, als die Blende verklei­nern.

Die Frage der Auflö­sung für Vergrö­ßerungen der Bilder

Für den Foto-Fan bedeutet das: Vor dem Kauf eines neuen Kamera-Handys oder einer Kamera sollte er sich fragen, wofür er die Kamera einsetzen möchte. Sollen vor allem Schnapp­schüsse entstehen und kleine Ausdrucke beispiels­weise im Format von 10 mal 15 Zenti­metern als Medium dienen, dann reichen Auflö­sungen von 2 bis 3 Mega­pixel aus, selbst, wenn nur 1 Mega­pixel effektiv ankommt. Selbst das oft als Heim­kino geprie­sene HDTV kommt in den meisten Fällen nur auf knapp über 2 Mega­pixel (Full-HD), profi­tiert aber auch noch etwas davon, dass Bewegt­bilder mit gerin­gerer Auflö­sung auskommen als Stand­bilder. Weiter­ent­wick­lungen im Bereich der hoch­auf­lösenden Wieder­gabe sind Ultra-HD/UHD (4k bzw. etwa 8 Mega­pixel) und test­weise sogar 8k bzw. etwa 33 Mega­pixel.

Wenn sich ein Kamera-Käufer die Möglich­keit offen halten möchte, Vergrö­ßerungen oder Bear­beitungen durch­zuführen, dann ergibt eine höhere Auflö­sung auch Sinn - aber nur dann, wenn sie auch effektiv in der Bild­datei ankommt. Daher ist es zumeist sinn­voller, sein Geld in größere Optik und einen größeren Sensor zu inves­tieren. Schon bei Kame­rahandys gibt es hier nicht uner­hebliche Unter­schiede und erst recht bei Digi­talka­meras.

Erst bei "ausge­wach­senen" Sensor­größen (Four Thirds, Fovean etc.) lohnt sich die Über­schrei­tung der 10-Mega­pixel-Marke wirk­lich und Voll­format-Sensoren können hinter einem guten Objektiv auch 20 Mega­pixel und mehr ausreizen. Frei­lich sind in diesem Top-Segment die Stück­zahlen so niedrig und die Preise so hoch, dass dieses profes­sionellen Foto­grafen und sehr ambi­tionierten Hobby-Foto­grafen vorbe­halten bleibt.

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