Auch Google-Mitarbeiter hören Assistant-Gespräche ab
Google bewirbt die Nutzung des Assistant im Schlafzimmer - und genau da hört er auch unerlaubt mit.
Bild: Google
Erschreckend, aber nicht wirklich verwunderlich, waren die Nachrichten darüber, dass Amazon-Mitarbeiter Alexa-Sprachbefehle abhören und dass die Aufnahmen unbegrenzt gespeichert werden. Sogar Strafverfolger fordern mittlerweile Zugriff auf diese Daten.
Die Welt musste nicht lange darauf warten, bis auch Google mit seinem Google Assistant derartige Praktiken eingestehen würde. Nun ist es soweit: Ein belgisches Magazin berichtet ausführlich darüber, wie Google-Mitarbeiter selbst privateste Sprachaufzeichnungen von Nutzern zum Anhören erhalten haben.
Mehr als 1000 Aufnahmen abgehört
Das Magazin VRT NWS berichtet darüber, dass die Mitarbeiter von Google systematisch Audiodateien abhören, die von den Smart-Speakern von Google Home und der Smartphone-App von Google Assistant aufgezeichnet wurden. Weltweit sollen die Google-Mitarbeiter diese Audiodateien zu dem Zweck abhören, die Suchfunktion von Google zu verbessern. VRT NWS konnte nach eigenen Angaben mehr als tausend Aufnahmen anhören.
Die meisten dieser Aufzeichnungen wurden bewusst gemacht, der Kunde hat Google Assistant also aktiv angesprochen. Doch Google hört sich auch Gespräche an, die niemals hätten aufgezeichnet werden dürfen. Einige davon enthalten sogar vertrauliche Informationen. Nicht allen Kunden ist bekannt, dass alles, was sie ihren Google Smart Speakern und ihrem Google Assistant sagen, aufgezeichnet und gespeichert wird. Dies ist jedoch in den Nutzungsbedingungen von Google klar angegeben. Google-Mitarbeiter können darüber hinaus Auszüge aus diesen Aufzeichnungen anhören - und das ist den Nutzern sicherlich nicht bewusst, weil Google es in seinen Nutzungsbedingungen nicht erwähnt.
Ein Auftragsmitarbeiter von Google hat offenbar sehr viele Audiodateien an VRT NWS weitergegeben. In diesen Aufnahmen konnten die Journalisten Adressen und andere sensible Informationen deutlich hören. Dies machte es recht einfach, die beteiligten Personen zu finden und sie mit den Audioaufnahmen zu konfrontieren.
Pikante Inhalte: Sex, Gewalt, Berufsgeheimnisse
Google bewirbt die Nutzung des Assistant im Schlafzimmer - und genau da hört er auch unerlaubt mit.
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Um zu vermeiden, dass Auszüge automatisch mit einem Benutzer verknüpft werden, werden die Aufnahmen vor der Weitergabe an die Analysten von den Benutzerinformationen getrennt. Google löscht den Benutzernamen und ersetzt ihn durch eine anonyme Seriennummer. Offenbar war es jedoch recht einfach, anhand der Aufnahmen die Identität eines Menschen herauszufinden.
Sobald jemand in der Nähe ein Wort ausspricht, das ein wenig wie "Okay Google" klingt, beginnt Google Home mit der Aufnahme. Das führt auch zu Aufnahmen aus Schlafzimmern mit Gesprächen eindeutigen Inhalts zwischen Partnern, aber auch Konversationen zwischen Eltern und Kindern waren darunter. Es soll auch Fälle gegeben haben, wo die Google-Mitarbeiter eindeutige Fälle von häuslicher Gewalt anhören mussten.
Es stellt sich auch die Frage, was passiert, wenn ein Google Assistant in der Nähe eines Berufsgeheimnis-Trägers unbeobachtet mitlauscht. Insbesondere bei Ärzten, Juristen, Pastoren und Seelsorgern könnte dies ungeahnte Folgen haben, weil sie damit möglicherweise unbemerkt gegen ihre Schweigepflicht verstoßen hätten.
Google reagiert auf die Vorwürfe
Nachdem Google zu diesem Thema lange geschwiegen hatte, hat das Unternehmen in einem Blogeintrag nun erstmals Details zur Analyse der Sprachaufnahmen weitergegeben.
Im Rahmen der Arbeit zur Entwicklung von Sprachtechnologien für mehr Sprachen würde Google tatsächlich mit Sprachexperten auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, die die Nuancen und Akzente einer bestimmten Sprache verstehen. Diese Sprachexperten würden "eine kleine Reihe von Abfragen" überprüfen und transkribieren, damit Google diese Sprachen "besser verstehen" könne. Dies sei ein kritischer Teil des Prozesses zur Erstellung von Sprachtechnologien und für die Erstellung von Produkten wie Google Assistant erforderlich.
Google ändert nichts an der Technik, verfolgt nur die "undichte Stelle"
Google habe nun erfahren, dass "einer dieser Sprachprüfer" gegen die Datenschutzrichtlinien verstoßen habe, indem er vertrauliche niederländische Audiodaten weitergegeben habe. Die hauseigenen Sicherheits- und Datenschutz-Reaktionsteams seien zu diesem Thema aktiviert worden, würden ermitteln und weitere Maßnahmen ergreifen. Google wolle eine vollständige Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen in diesem Bereich durchführen, um zu verhindern, dass sich ein solches Fehlverhalten erneut ereignet.
Google wende eine "breite Palette von Schutzmaßnahmen" an, um die Privatsphäre der Benutzer während des gesamten Überprüfungsprozesses zu schützen. Sprachexperten würden nur etwa 0,2 Prozent aller Audio-Snippets überprüfen. Audio-Snippets würden im Rahmen des Überprüfungsprozesses nicht mit Benutzerkonten verknüpft, und Überprüfer würden angewiesen, Hintergrundgespräche oder andere Geräusche nicht zu transkribieren und nur Snippets zu transkribieren, die an Google gerichtet sind.
In seltenen Fällen sei es bei Geräten mit integriertem Google-Assistenten zu einem sogenannten "falschen Akzeptieren" gekommen. Dies bedeutet, dass im Hintergrund Geräusche oder Wörter aufgetreten sind, die von der Software als Hotword interpretiert wurden (z. B. "Ok Google"). Google habe eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass bei Kunden zu Hause derartige "Falschannahmen" auftreten. Die Kunden könnten das Speichern von Audiodaten in ihrem Google-Konto vollständig deaktivieren oder festlegen, dass Daten alle drei oder 18 Monate automatisch gelöscht werden.