Google I/O 2017

Google Daydream wird eigenständig

Nach einem beherzten Neustart von Googles VR-Plattform unter dem neuen Namen Daydream, zündet der Konzern nun die nächste Stufe. Das Smartphone wird in Zukunft obsolet bei Googles neuem VR-Headset.
Von Stefan Kirchner

Vermutet wurde es schon länger, gestern Abend zeigte Google das neue Daydream VR Headset während der Google I/O 2017 im Shoreline Amphitheatre von Mountain View, Kalifornien. Das Projekt selbst soll eine ganze Plattform werden, welche von Herstellern mit eigenen Designs bevölkert werden kann.

So hat Google als ersten Hardware-Partner Qualcomm vorgestellt. Dem kalifornischen Konzern fällt die Aufgabe zu, eine Referenzplattform zu entwickeln, die als Basis für weitere Hersteller dienen soll. Zu diesen werden Lenovo und HTC mit seiner Vive-Plattform gehören. HTC wurde zuletzt nachgesagt, an einem zweiten Headset für Virtual Reality zu arbeiten. Dabei wurde mehrfach dementiert, dass es sich um eine HTC Vive 2 handeln würde, da man erst dann einen Nachfolger entwickeln will, wenn es genügend technische Innovationen gibt.

In Kombination mit den Ankündigungen von Google am gestrigen Abend ergibt das Gerücht um ein weiteres VR-Headset von HTC deutlich mehr Sinn.

Positionstracking ohne Smartphone

Das Besondere an den Standalone-Headsets sind die Vielzahl an eingebauten Sensoren. So erfolgt das Tracking der Position im Raum weder über ein Smartphone noch über spezielle Sensoren, wie es bei VR-Headsets vom Stil einer Oculus Rift oder HTC Vive realisiert ist. Ermöglicht wird dies über das sogenannte Inside-Out-Verfahren, bei welchem etliche Kameras Objekte erfassen und deren Entfernung messen.

Google nennt die Technologie WorldSense, um Bewegungen in der realen Welt möglichst direkt in Bewegungen in der virtuellen Welt umzusetzen.

Auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, so bilden die neuen Standalone-Headsets einen Unterzweig des Daydream-Universums, keine eigenständige Geräteklasse. Das bedeutet auch, dass alle Daydream-kompatiblen Inhalte auf den VR-Headsets konsumiert werden können.

Start noch dieses Jahr

Wann die ersten beiden angekündigten Headsets der Standalone-VR-Plattform erhältlich sind und zu welchen Preisen, wollten oder vielmehr konnten weder Google noch HTC oder Lenovo sagen. Entscheidend werden letzten Endes neben einem möglichst massenkompatiblen Preis vor allem die verfügbaren Inhalte sein, ob Googles neue Vision von Mixed Reality, die Kombination aus Virtual Reality und Augmented Reality, aufgehen wird. WorldSense für Google Daydream Schematische Darstellung, wie Google WorldSense funktioniert
Foto: Google
Spätestens dann dürfte es auch nähere technische Details zu Qualcomms Referenz-Hardware geben und deren Leistungsfähigkeit. Immerhin sind aktuell sehr potente Gamer-PCs nötig, damit Spiele einigermaßen flüssig auf einem VR-Headset erlebt werden können. Ob da eine ARM-Plattform ausreicht, bleibt abzuwarten. Zumindest ist ein Snapdragon 835 leistungsfähig genug, ein vollständiges Windows 10 Pro inklusive x86-Emulation zu stemmen.

Spannend und verlockend dürfte hingegen eine kleine Randnotiz während der Keynote von Google gewesen sein: Samsungs Flaggschiff-Duo Galaxy S8 und Galaxy S8 Plus soll per Update Daydream-ready gemacht werden.

Project Tango lebt

Mit Project Tango hatte Google 2014 eine Technologie vorgestellt, mit deren Hilfe sich die Umgebung nur mit einem Smartphone digital erfassen lässt. Bisher hatten lediglich Asus mit dem Zenfone AR und Lenovo mit dem Phab 2 Pro diese Technologie aufgegriffen. Das ist Google nicht genug, weswegen die Plattform mit Google Lense aufgewertet wird.

Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um ein Navigationssystem, welches auf den Einsatz von GPS-Satelliten verzichtet. Google plant die Funktion über den Google Assistant zu implementieren, sodass man sich problemlos innerhalb von Gebäuden orientieren kann. Unter der Bezeichnung Visual Positioning Service könnte man dadurch Kunden zu einem bestimmten Produkt locken, für welches beispielsweise gerade eine Promo-Aktion durchgeführt wird.

Die Software orientiert sich dabei an den vorhandenen Objekten im jeweiligen Geschäft. Das würde dann voraussetzen, dass die Shop-Betreiber regelmäßig eine Datenbank mit Objektinformationen füttern müssten, damit das System überhaupt funktioniert. Google Project Tango Ein neues Tracking-System ermöglicht die Navigation nur anhand von Bildern und Objekten mittels Projekt-Tango-Geräten
Foto: Google

Zukunftsvision für Sehbehinderte

Dennoch könnte die Technologie enorm vielversprechend sein: Sie hätte sogar das Potenzial, auf lange Sicht einen Blindenhund zu ersetzen. Denn im Gegensatz könnte ein Smartphone direktes Nutzer-Feedback geben und per Sprache davor warnen, wenn ein größeres Hindernis auftaucht. Ein Blindenhund ist dazu nur bedingt in der Lage und muss jahrelang speziell dafür trainiert werden.

Aber noch sind das nur Zukunftsvisionen, an denen Google forscht und entwickelt. Wichtig sind daher Partner, die überhaupt entsprechende Geräte entwickeln und auf den Markt bringen.

In einer weiteren Meldung erfahren Sie, zu was der Assistent von Google bereits fähig ist.

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