Bord-WLAN

Editorial: Schon wieder Datenstau im ICE

Das Multiprovider-WLAN brachte nur kurz gute Datenraten für das WLAN an Bord der ICE. Doch wenn man diese dauerhaft sichern will, wird es teuer.
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Schon wieder Datenstau im ICE Schon wieder Datenstau im ICE
Bild: dpa
Vor gut einem halben Jahr begann die Deutsche Bahn mit den Tests für das neue Multiprovider-WLAN an Bord ihrer ICE-Züge. Das neue System verwendet die LTE-Netze von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica/o2 gleichzeitig, um die WLAN-Daten in den Zug zu übertragen. Dabei wird die Hauptlast der Datenübermittlung automatisch immer auf das Netz gelegt, das aktuell die meisten freien Kapazitäten hat.

Vor der Einführung des Multiprovider-Systems war allein die Deutsche Telekom für die Versorgung des Bord-WLANs zuständig. Die Datenrate war im Verlauf der Zeit immer schlechter geworden. Letzten Sommer beurteilten zahllose Bahnkunden das Bord-WLAN als unbrauchbar. Dazu im Vergleich war das Multiprovider-System ein riesiger Schritt nach vorne. Der Fahrgastverband der Bahn zeigte sich zufrieden. Und auch im Test der teltarif-Redaktion bekam das neue WLAN gute Noten.

Doch das Glück des zuverlässigen und performanten ICE-WLANs währte offensichtlich nicht lange: Aktuell häufen sich schon wieder die Leserbeschwerden über den langsamen Aufbau von Webseiten beim Surfen im Zug. Manche Leser empfinden gar den ICE-Hotspot derzeit als "völlig nutzlos", weil selbst WhatsApp-Nachrichten im Datenstau stecken bleiben. Besonders überraschend: Es kommt sogar vor, dass das Bord-WLAN im Laptop mal wieder hängt, während das Handy guten LTE-Empfang meldet und beim mobilen Surfen zwar keine überragenden, aber immerhin brauchbare Datenraten liefert. Wie kann das sein?

Kampf um ein Netz

Schon wieder Datenstau im ICE Schon wieder Datenstau im ICE
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Möglicherweise wird eine weitere Optimierung der mobilen Versorgung im ICE dem Bord-WLAN zum Verhängnis: Die alten Handy-Repeater, die nur die GSM-Netze bei 900 und 1800 MHz unterstützten, werden nämlich sukzessive durch neue Repeater ersetzt, die zu GSM, UMTS und LTE kompatibel sind, und das bei 800 MHz (LTE), 900 MHz (GSM, kleiner Anteil LTE), 1800 MHz (GSM und LTE) und 2100 MHz (UMTS). Entsprechend sind an Bord von ICEs mit den neuen Repeatern viel mehr Smartphones im LTE-Netz eingebucht als bisher. Und diese konkurrieren mit dem Multiprovider-WLAN-System um die knappen Resourcen der Mobilfunkzellen, durch die der ICE fährt. Je mehr Fahrgäste das Bord-WLAN genervt wieder ausschalten und stattdessen das mobile Internet aktivieren, desto weniger Kapazität bleibt anteilig für das Bord-WLAN übrig.

Die Lösung für die Versorgung der ICE mit schnellem Bord-WLAN ist am Ende natürlich ganz einfach, aber leider nicht billig: Netzausbau, Netzausbau, Netzausbau. Besonders ungünstig ist dabei das Lastprofil der 250 bis 300 km/h schnellen ICE: Zum Durchqueren einer Mobilfunkzelle brauchen sie gerade mal ein bis zwei Minuten. Selbst bei ICE-Strecken, die mit drei Zügen pro Stunde und Richtung relativ dicht befahren sind, befindet sich somit nur 10 bis 20 Prozent der Zeit ein ICE in der Zelle. Die meiste Zeit wartet die teure Funkzelle also darauf, dass der nächste Zug kommt. Daher rechnet sich der Netzausbau entlang der Bahnstrecken nicht sonderlich. Und so werden wohl auch künftig Bahnfahrgäste darauf warten müssen, dass das nächste Datenpaket kommt.

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