Kommentar

Windows Phone 8: Riskant, radikal - und zwingend notwendig

Nokia, Samsung, HTC und Huawei bleiben weiter an Bord
Von Steffen Herget

Windows Phone 8 kommt Windows Phone 8 kommt
Bild: Microsoft
Nach der Vorstellung von Windows Phone 8 am gestrigen Abend ist das Echo zum neuen Handy-Betriebssystem vom Microsoft gespalten. Während die erweiterten Hardware-Vorgaben von Microsoft im Großen und Ganzen als richtigen - und absolut notwendigen - Schritt gesehen werden, stößt die Tatsache, dass die derzeit noch aktuelle Generation von Windows Phones nicht in den Genuss eines vollständigen Updates kommen, zum Teil auf Unverständnis. Die Begründung von Microsoft: Für viele der neuen Funktionen fehlt diesen ohnehin die passende Hardware, der Rest wird in Form des Feature-Updates Windows Phone 7.8 ausgeliefert, allerdings wohl nicht für alle Modelle. Einige Hersteller haben bereits angekündigt, beim Neustart der Windows-Phone-Plattform mit an Bord sein zu wollen.

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Bild: Microsoft
So wird selbstverständlich Microsofts Exklusiv-Partner Nokia neue Smartphones mit Windows Phone 8 vorstellen. Zudem werden sowohl die Top-Modelle Lumia 800 und Lumia 900, als auch die Einsteiger-Modelle Lumia 610 und Lumia 710 zu den Handys gehören, die mit Windows Phone 7.8 auch die neue Oberfläche bekommen werden. Trotzdem hat sich etwa die Telekom dazu entschlossen, das Lumia 900 nicht ins Sortiment aufzunehmen. Auch der koreanische Hersteller Samsung wird weitere Windows Phones auf den Markt bringen, ebenso wie das chinesische Unternehmen Huawei, dessen Windows-Phone-Handys hierzulande noch nicht erhältlich sind. Vermutlich wird Huawei nun erst mit Windows Phone 8 in Deutschland einsteigen. Auch HTC bleibt Microsoft weiter gewogen, wie CEO Peter Chou betont: "HTC fühlt sich Windows Phone mehr verpflichtet denn je und wir freuen uns, unseren Kunden noch in diesem Jahr neue Windows Phone 8 Smartphones anbieten zu können", so Chou.

Hardware-Vorgaben sinnvoll gelockert, viel neue Software zu erwarten

Mit der Freigabe für Prozessoren mit bis zu 16 Kernen - getestet wurde der Kern von Windows Phone 8 auch bereits mit Multi-Core-Prozessoren mit 64 Recheneinheiten - ist Microsoft hier auf absehbare Zeit gut aufgestellt, auch die kommende Unterstützung für wechselbare Speicherkarten macht Sinn. So können die Hersteller auch Handy mit weniger internem Speicherplatz anbieten, was diese Modelle aufgrund der hohen Preise für den Flash-Speicher deutlich günstiger werden lässt. Beim Display ist die maximale Auflösung von 1 280 mal 768 Pixel derzeit standesgemäß, kommt allerdings nicht an die hochauflösenden Retina-Displays von Apple heran.

Bei der Software machte Microsoft den größten Schnitt, trennte sich vom alten Windows-CE-Kernel und setzt nun auf eine gemeinsame Programm-Kern mit Windows 8. Davon wird der Nutzer zwar unmittelbar nichts merken, es soll sich dennoch vor allem in Sachen App-Angebot auszahlen. Die vordergründigsten Änderungen gibt es bei der Metro-Oberfläche, deren Kacheln sich nun in der Größe verändern lassen - das klingt nebensächlich, wirkt sich in der Praxis aber weitreichend aus. Der Nutzer kann sein Windows Phone nun besser auf die eigenen Bedürfnisse einstellen, die Oberfläche lässt sich intensiver personalisieren. Auch die Hersteller, die häufig über die uniforme Oberfläche geklagt hatten, wird das freuen.

Echten Mehrwert auf der Software-Seite bietet die Integration von Nokia Maps und dessen Offline-Navigation in Windows Phone 8 - und beraubt Nokia gleichzeitig eines wichtigen Alleinstellungsmerkmals. Die umfangreichen NFC-Anwendungen, die Microsoft gestern gezeigt hatte, sehen gut aus, es bleibt aber abzuwarten, ob etwa die mobilen Bezahldienste auch außerhalb der USA angeboten werden. Generell werden sich die Software-Entwickler freuen, dass Microsoft ab Herbst Handy- und Computer-Betriebssystem so eng verzahnt. Apps sollen ohne große Anpassungen auf beiden Windows-Plattformen laufen - das erhöht die Reichweite und damit die Verdienstmöglichkeiten und Anreize für die Entwickler. Mit Apps und weiteren Inhalten wie Bücher, Filme, Musik und vor allem Spiele - man denke an die XBox-Integration - sowie eigener Hardware wie dem Surface-Tablet baut sich Microsoft nun tatsächlich das geplante große Ökosystem auf, das der Trumpf gegenüber der Konkurrenz werden soll.

Kommentar von Redakteur Steffen Herget
teltarif-Redakteur Steffen Herget Microsoft hat mit Windows Phone 8 auf die Fehler der Vergangenheit reagiert und erneut einen deutlichen Schnitt gemacht. Die Lockerung der Hardware-Vorgaben war dringend nötig, vor allem was Display und Prozessor angeht. Aber auch bei der Oberfläche zeigt der Konzern aus Redmond eine Reaktion auf die vielstimmige Kritik, das Betriebssystem sei zu wenig individualisierbar. Mit der gemeinsamen Code-Basis zum Desktop-System Windows 8 bekommt Microsoft zudem ein großes, gemeinsam nutzbares Ökosystem. Ordentlich vor den Kopf gestoßen werden allerdings diejenigen Kunden, die bereits ein Windows Phone mit der derzeitigen Software nutzen - sie bekommen nur ein halbes Update, und danach wohl keines mehr. Hier werden eine Menge frustrierte Käufer das Weite suchen und sich einem anderen System zuwenden. Ich vermute, bei dem noch immer recht überschaubaren Marktanteil von Windows Phone war das allerdings ein Risiko, das Microsoft eingehen musste, um mit Windows Phone 8 richtig durchstarten zu können - ob das auch passiert, bleibt abzuwarten.

Vorstellung der neuen Metro-Oberfläche von Windows Phone 8

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