Drastisch

Brasilien: Richter lässt WhatsApp tagelang sperren

Ein brasilianischer Richter will die Herausgabe von Chatprotokollen erzwingen und lässt den beliebten Messengerdienst WhatsApp für mehrere Tage sperren. Nutzer und Anbieter kritisieren diese Maßnahme als "Strafe für 100 Millionen".
Von dpa / Marie-Anne Winter

Um die Herausgabe von Chatprotokollen zu erzwingen, sperrt ein Richter WhatsApp in ganz Brasilien. Um die Herausgabe von Chatprotokollen zu erzwingen, sperrt ein Richter WhatsApp in ganz Brasilien.
Bild: dpa
Brasiliens Justiz ist nicht zimperlich, wenn sie die Herausgabe von Chats zwischen Kriminellen erzwingen will: Der in Brasilien von rund 100 Millionen Menschen genutzte Internetdienst WhatsApp ist auf Anordnung eines Richters für drei Tage blockiert worden. Das Unternehmen bezeichnete den Schritt als völlig unverständlich und überzogen.

Um die Herausgabe von Chatprotokollen zu erzwingen, sperrt ein Richter WhatsApp in ganz Brasilien. Um die Herausgabe von Chatprotokollen zu erzwingen, sperrt ein Richter WhatsApp in ganz Brasilien.
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Die Richterentscheidung war den fünf führenden Telefonanbietern des fünftgrößten Landes der Welt übermittelt worden. Damit soll wohl die Herausgabe von Chat-Protokollen in Kriminalfällen an die Ermittler erwirkt werden. Die Blockade soll bis Donnerstagnachmittag dauern.

Mutmaßlicher Drogenhändler

Der drastische Schritt wurde von dem Richter Marcel Montalvão im Bundesstaat Sergipe angeordnet, der auch die kurzzeitige Festnahme des Vizepräsidenten von Facebook für Lateinamerika, Diego Dzodan, Anfang März verfügt hatte. Dzodan wurde damals vorgeworfen, er habe sich einer richterlichen Anordnung widersetzt, Gesprächsprotokolle mutmaßlicher Drogenhändler an die Ermittler weiterzugeben. Worum es in dem aktuellen Fall genau geht, wurde zunächst nicht bekannt.

Seit Montagnachmittag funktionierte der Dienst in Brasilien nicht mehr, einzelne Ausnahmen gab es zeitweise mit Wlan-Verbindungen. WhatsApp hat die SMS-Textnachrichten weitgehend abgelöst, mit einer Internetverbindung können über den Dienst kostenlos Nachrichten, Fotos und Videos verschickt werden. WhatsApp gehört zum weltgrößten Online-Netzwerk Facebook. Der Konzern hatte WhatsApp 2014 für rund 22 Milliarden Dollar gekauft. Weltweit gibt es eine Milliarde Nutzer.

Viele gehen zu Telegram

WhatsApp reagierte mit Unverständnis - im Rahmen seiner Möglichkeiten habe man immer mit der brasilianischen Justiz kooperiert. "Diese Entscheidung bestraft mehr als 100 Millionen Brasilianer, die von unserem Service zur Kommunikation abhängen." In kaum einem Land wird WhatsApp so intensiv genutzt wie in Brasilien - sei es die Verabredung zum Strandbesuch, das Bestellen des Taxis, das Reservieren im Restaurant.

Der Konkurrenzdienst Telegram verzeichnete nach Angaben des Portals O Globo binnen kurzer Zeit eine Million neue Nutzer. Im Falle einer Weigerung zur Blockade drohen den Mobilfunkanbietern Strafen von rund 500 000 Reais (127 000 Euro) pro Tag. Brasiliens Justiz macht immer wieder Druck, um an Chatprotokolle über womöglich kriminelle Handlungen heranzukommen. Im Dezember war WhatsApp bereits für rund einen Tag blockiert worden, Facebook-Chef Mark Zuckerberg sprach von einem "traurigen Tag für Brasilien". Der Dienst stellte jüngst komplett auf die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung um, bei der auch die Betreiber keinen Zugriff auf die Inhalte der Unterhaltungen haben.

Wie die WhatsApp-Verschlüsselung funktioniert, erklären wir in einem weiteren Artikel.

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