3. Börsengang

Editorial: Klage bis ans Ende aller Zeiten

Der dritte Börsen­gang der Telekom erfolgte vor über 16 Jahren - und bis heute ist kein Ende der Prozesse darum abzu­sehen. Wie könnte die Justiz in Rich­tung einer kürzeren Prozess­dauer refor­miert werden?
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Telekom an der Börse: Aus dem Fall lassen sich interessante Rechtsfragen ableiten Telekom an der Börse: Aus dem Dauerprozess lassen sich interessante Rechtsfragen ableiten
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Lang, lang ist's her: Im Juni 2000, beim Dritten Börsen­gang der Deut­schen Telekom, machte der Bund ein glän­zendes Geschäft: 200 Millionen T-Aktien, die bei der Kredit­anstalt für Wieder­aufbau lagerten, wurden für 66,50 Euro pro Stück verkauft. Zum Vergleich: Beim ersten Börsen­gang der Telekom 1996 waren pro Aktie gerade einmal 28,50 DM (14,57 Euro) erlöst worden - die Rabatte für Klein­anleger, die die Aktie lange hielten, noch nicht einge­rechnet. Binnen weniger als vier Jahren hatte sich der Wert der Tele­kom­muni­kati­ons­sparte der ehema­ligen Bundes­post also mehr als vervier­ein­halb­facht.

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Was folgte, ist bekannt: Auf den Höhen­flug, der das Papier sogar in der Spitze auf über 100 Euro trieb, folgte der jähe Absturz auf unter 10 Euro. Aktuell notiert die T-Aktie bei 16 Euro. Die Wert­stei­gerung liegt bei mageren 10 Prozent - gerade einmal ein halbes Prozent pro Jahr. Da ist die Geld­ent­wer­tung durch Infla­tion deut­lich höher gewesen. Ande­rer­seits hat die Deut­sche Telekom die meisten Jahre eine gute Divi­dende ausge­schüttet. Addiert seit dem Börsen­gang sind es 11,19 Euro. In Summe - Wert­stei­gerung plus Divi­dende - ergibt sich seit dem ersten Börsen­gang also ein deut­lich höherer Zins­satz, als in Spar­buch oder Lebens­ver­siche­rung gebracht hätten.

Wer also die T-Aktie beim ersten Börsen­gang gekauft und seitdem gehalten hat, hat also kein schlechtes Geschäft gemacht. Er hat aber ein sehr gutes Geschäft verpasst, nämlich den Verkauf der T-Aktie rund um ihren Höchst­stand. Wer während der Euphorie einge­stiegen ist, hat hingegen viel Geld verloren.

Einen Teil ihrer Verluste wollen die Anleger, die beim dritten Börsen­gang einge­stiegen waren, sich von der Telekom über eine Klage zurück­holen. Denn damals verschwieg der Verkaufs­pro­spekt nach Ansicht der Anleger einige wich­tige Risiken. Insbe­son­dere war der Wert der von der Telekom gehal­tenen Immo­bilien, insbe­son­dere zahl­reiche Vermitt­lungs­stellen, in den Bilanzen wohl recht opti­mis­tisch ange­setzt worden, um es mal vorsichtig auszu­drü­cken.

Haupt­ursache für den Kurs­rutsch der T-Aktie waren aber sicher nicht ein oder zwei Milli­arden Euro hin oder her bei der Immo­bili­enwer­tung, sondern das Platzen der dot-com-Blase, die zuvor so gut wie alle Telekom- und Internet-Aktien auf unrea­lis­tische Höhen getrieben hatte. Zudem muss man ganz offen fragen, wie viele der Klein­anleger, die sich damals von der Hoff­nung treiben ließen, dass der Höhen­flug ewig weiter­gehen würde, den Prospekt über­haupt gelesen und verstanden und zur Grund­lage ihrer Kauf­ent­schei­dung gemacht hatten.

Dauer­pro­zess

Am Ende haben also beide Seiten - Telekom wie die durch einen Anwalt gesam­melt vertre­tenen Klein­anleger - gute Argu­mente für ihren Stand­punkt, warum aufgrund des fehler­haften Prospekts (k)ein Scha­dens­ersatz gezahlt werden sollte. Wie in solchen Fällen üblich, landete die Sache vor Gericht. Ein Ende des Prozesses ist bis heute nicht absehbar. Im Gegen­teil, jüngst haben beide Seiten ange­kün­digt, erneut die Revi­sion eines Entscheids des Ober­lan­des­gerichts Frank­furts in einem Muster­ver­fahren beim Bundes­gerichtshof zu begehren.

Schon die erneute Revi­sion dürfte ein bis zwei weitere Jahre dauern. Erfolgt dann erneut die Rück­ver­wei­sung zum OLG Frank­furt, gehen weitere ein bis zwei Jahre ins Land, bis dann hoffent­lich dieser eine Muster­pro­zess endlich abge­schlossen ist, also ca. 20 Jahre nach dem Börsen­gang. Schlimmer noch: Bleibt es bei der Aussage aus dem aktu­ellen Muster­ver­fahren, dass die Frage, ob der Prospekt vom Anleger über­haupt beachtet worden ist, pro Anleger geson­dert entschieden werden muss, dann werden die derzeit ruhenden Einzel­ver­fahren der einzelnen Anleger alle einzeln entschieden werden müssen. Da stellen sich dann durchaus inter­essante Rechts­fragen, wie die, ob die dann zum Zeit­punkt des Einzel­pro­zesses 80-jährige Ehefrau und Allein­erbin des zwischen­zeit­lich im Alter von 75 Jahren verstor­benen Anle­gers sich über­haupt daran erin­nern kann, ob ihr Mann damals, als sie 55 Jahre alt war, einen bestimmten Prospekt gelesen hat oder nicht.

Mit anderen Worten: Gewiss ist bis heute ledig­lich, dass die Aktio­närs­klage gegen die Telekom mehreren Anwälten ein auskömm­liches Einkommen beschert hat. Alles andere ist einein­halb Jahr­zehnte später weiterhin offen. Die deut­sche Justiz arbeitet zwar gründ­lich. Aber extrem langsam.

Zu fordern ist, dass wich­tige Prozesse wie dieser hier, wo es um Millionen Euro für eine große Gruppe von Geschä­digten geht, schneller erle­digt werden. Zum einen müssten dazu die Gerichte die wich­tigen Verfahren vorziehen, zum anderen müsste die Gebüh­ren­ord­nung so modi­fiziert werden, dass es sich für die Anwälte nicht lohnt, zeit­ver­zögernde Anträge zu stellen. Einfach ist eine solche Reform der Justiz sicher nicht. Wünschens­wert im Sinne der Verbrau­cher und der Rechts­sicher­heit aber schon!

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