UMTS-Abschaltung: Gefahr für europäischen eCall-Notruf?
Das europäische eCall-Verfahren schlägt nach Unfällen automatisch Alarm, sofern es weiterhin passendes Netz findet.
Foto: ADAC e.V.
Seit 2018 ist in Europa das automatische Notrufsystem mit dem Namen eCall für Neufahrzeuge gesetzlich vorgeschrieben. Der Automobilclub ADAC kritisiert, dass die Autohersteller diese Verpflichtung nur mangelhaft umsetzen.
Bei jedem Autounfall zählt jede Sekunde. Um schneller Hilfe holen zu können, wurde der automatische eCall europaweit eingeführt. Drückt man im Auto eine Notruftaste oder lösen die Airbags aus, wird automatisch über Mobilfunk der Rettungsdienst alarmiert. Auch der Standort des verunfallten Fahrzeuges kann so direkt an den Rettungswagen übermittelt werden.
Das eCall-System funktioniert über eine spezielle SIM-Karte, die fest im Auto in einem Notrufmodul verbaut ist. Den verpflichtenden Einbau von eCall würden die Autobauer laut ADAC dadurch vermeiden, indem sie bereits bestehende Typgenehmigungen von Vorgängermodellen einfach "fortschreiben". Das sei für acht Jahre noch in Ordnung, finden die ADAC-Experten, danach müsste es aber neue Genehmigungen geben, worin dann alle dann aktuellen Standards zu berücksichtigen wären. Der ADAC schlägt vor, alle neuen Autos auf dem Markt serienmäßig mit einem eCall-Modul auszustatten.
Unterschiedliche Notrufsysteme
Das europäische eCall-Verfahren schlägt nach Unfällen automatisch Alarm, sofern es weiterhin passendes Netz findet.
Foto: ADAC e.V.
Außer dem gesetzlich definierten "eCall" haben verschiedene Hersteller schon "eigene" Notrufsysteme installiert. Der Unterschied: Ein Notruf geht dann erst einmal an den Fahrzeughersteller oder ein vom ihm beauftragtes Callcenter, welches im Falle eines Falles den "echten" Rettungsdienst alarmieren würde.
Für den ADAC ist klar: Dabei könnte nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch lebenswichtige Informationen verloren gehen. Beim Roten Kreuz sieht man das anders: Die Rettungsleitstellen könnten vom geschulten Callcenter umfassendere Informationen bekommen. Fehlanrufe würden "herausgefiltert" und die offiziellen Rettungsleitstellen entlasten.
Keine Antwort aus dem Fahrzeug?
Bei der staatlichen Variante des eCall wird bei einem Unfall automatisch eine Sprechverbindung zum Insassen des Fahrzeuges aufgebaut. Was aber, wenn aus dem Auto niemand mehr antwortet? Liegen Fahrer oder Beifahrer bereits verletzt außerhalb des Fahrzeuges? Oder geht es ihnen gut und sie telefonieren längst mit einem Abschleppunternehmen oder der Versicherung? In solchen Fällen müsste trotzdem mindestens ein Rettungswagen auf Verdacht zur Unfallstelle geschickt werden.
Was ist ohne 3G?
Wegen der langen Vorbereitungszeiten sind die verbauten Telefonmodule für eCall in den Autos schon älter. Sie beherrschen daher nur 2G (GSM), oft auch 3G (UMTS). Das für Telefonie notwendige VoLTE (Sprache über LTE) beherrschen sie meistens noch gar nicht oder die verbauten SIM-Karten sind dafür gar nicht freigeschaltet. Bei 5G ist die Sprachübertragung noch gar nicht endgültig definiert.
Was wird passieren, wenn bald - wie geplant - alle 3G-Sender abgebaut und durch 4G oder künftig auch 5G ersetzt werden? Dann könnten die Notrufmodule nur noch über 2G Hilfe holen. Einige Länder haben aber bereits die Abschaltung von 2G vorgesehen oder sogar schon vollzogen. Wird dadurch der Notruf bald wesentlich eingeschränkt?
Die Gefahr ist real: Die Telekom Deutschland will bis Ende 2021 ihr komplettes 3G-Netz abschalten, auch bei Vodafone soll in etwa zwei Jahren Schluss mit UMTS sein, Telefónica peilt den gleichen Zeitraum an. Erste vorsichtige Frequenz-Umstellungen werden hier und da schon erprobt.
Die Netzbetreiber fühlen sich durch Vorgaben der Bundesnetzagentur zum Netzausbau unter Druck. Für den parallelen Betrieb von vier Mobilfunkgenerationen (2G-5G) fehlen ihnen die Möglichkeiten oder es wäre zu teuer.
Nachrüstungen unwahrscheinlich
Bereits verbaute Geräte in den Fahrzeugen lassen sich nicht per einfachem Softwareupdate von 3G auf 4G umstellen. Stattdessen müsste in alle Autos ein komplett neues Sendemodul eingebaut werden. Nur wer soll diese Umrüstung bezahlen? Da diese Module irgendwo tief im Fahrzeug verbaut sind, wäre das mit großem Aufwand verbunden.
Forderung: 3G erst 2035 abschalten?
Damit nicht der Notruf in einigen Regionen bald gar nicht mehr funktioniert, fordern der ADAC und der Verband der Automobilindustrie (VDA) gemeinsam, von den Mobilfunknetzbetreibern, den Rückbau von 3G bis mindestens 2035 komplett zu stoppen. Auf europäischer Ebene will man die eCall-Verordnung bisher noch nicht ändern, teilte die EU-Abgeordnete Evelyne Gebhardt (SPD) dem Bayerischen Rundfunk [Link entfernt] mit. Immerhin versucht die EU-Kommission bereits zu ermitteln, wie der eCall mit 3G, 4G oder 5G weiter zuverlässig ermöglicht werden könnte.