Totalausfall

Usedom: Zeitweise alle Mobilfunk-Netze offline

Man stelle sich vor: Alle drei Netz­betreiber auf einem Standort. Der wird komplett umge­baut und solange sind alle drei Netze weg. Nur vor Ort weiß keiner was davon. Kommu­nika­tion und Tele­kommu­nika­tion sind wohl inkom­patibel.
Von mit Material von dpa

Direkt am Strand von Zinnowitz liegt der riesige Komplex des Hotel Baltic, auf dessen Dach die Sendeanlagen von Telekom, Vodafone und o2 komplett umgebaut werden. Direkt am Strand von Zinnowitz liegt der riesige Komplex des Hotel Baltic, auf dessen Dach die Sendeanlagen von Telekom, Vodafone und o2 komplett umgebaut werden.
Foto: Baltic Hotel
Wenn ein Mobil­funk-Sender ausfällt, ist das ärger­lich. Wenn es dann Tage und Wochen dauert, wird es unan­genehm. In Zinno­witz auf der Insel Usedom in Meck­lenburg-Vorpom­mern haben seit Wochen etliche Handy­nutzer keinen Empfang mehr. Ende November sei der Funk­mast auf dem Hotel Baltic "ohne Vorankün­digung abge­baut worden", schimpfte der ehren­amtliche Bürger­meister des rund 4.000 zählenden Ostsee­bades, Peter Usemann, gegen­über der Deut­schen Pres­seagentur.

Zwei Wochen Total­ausfall: Komplett ohne Netz

Direkt am Strand von Zinnowitz liegt der riesige Komplex des Hotel Baltic, auf dessen Dach die Sendeanlagen von Telekom, Vodafone und o2 komplett umgebaut werden. Direkt am Strand von Zinnowitz liegt der riesige Komplex des Hotel Baltic, auf dessen Dach die Sendeanlagen von Telekom, Vodafone und o2 komplett umgebaut werden.
Foto: Baltic Hotel
Und dann sei zwei Wochen lang das gesamte Mobil­tele­fonnetz (also Telekom, Voda­fone und Telefónica o2) lahm­gelegt gewesen. "Und das in einer Zeit, wo Urlauber ihre nächsten Ferien planen und buchen wollen", kriti­sierte Usemann. Viele Feri­enwoh­nungs-Vermieter seien nicht erreichbar gewesen. Auch Taxi­fahrer und Geschäfts­leute schauten gewaltig in die Röhre.

Notlö­sung: Mobile Sende­masten

Die Anbieter Voda­fone und Telekom konnten vergleichs­weise schnell reagieren und stellten im Ort mobile Ersatz-Sende­masten auf. Telefónica (o2) hatte hier offenbar keine Möglich­keit, so kurz­fristig nach­zuziehen. Wie von Bürger­meister Usemann aus Usedom weiter zu hören war, müssten die Kunden im Netz von o2 noch bis zum 8. Februar warten, bis der Funk­mast wieder funk­tioniere. Usemann kriti­sierte deut­lich, dass er bei den Tele­fonge­sell­schaften keine zustän­digen Ansprech­partner gefunden habe. Von Telefónica habe er ledig­lich die Auskunft bekommen, dass ein Bauteil aufgrund von Liefer­schwie­rigkeiten fehle und dass sich die Nutzer bis zum 8. Februar gedulden müssten. Die monat­lichen Grund­gebühren sollen (wohl auf Antrag) erstattet werden. Mit Scha­dener­satz rechnet der Bürger­meister eher nicht.

Was ist da passiert?

Wir haben versucht, dazu mehr heraus­zufinden, was aufgrund der Feri­enzeit nicht ganz einfach war. Ein offi­zielles State­ment der betrof­fenen Netz­betreiber liegt uns bis jetzt noch nicht vor (wir werden es ggfs. nach­reichen). Ein Insider, der auf gar keinen Fall genannt werden wollte, verriet uns, dass es sich hier um einen gemeinsam von Telekom, Voda­fone und Telefónica genutzten Standort auf dem Hotel Baltic handelt, einem riesigen Hotel­komplex, der unmit­telbar am Strand von Usedom bei Zinno­witz steht. Dieser Standort wird unter der Regie der Deut­schen Funk­turm (DFMG, die Mobil­funk­sende­mast-Tochter der Telekom) für alle drei Netz­betreiber verwaltet und aktuell komplett umge­baut.

Dieser Umbau scheint - so der Eindruck von Beob­achtern der Szene vor Ort - offenbar eine komplette Demon­tage der bishe­rigen Anlage sein, gefolgt von einem komplett frischen Neuaufbau aller notwen­digen Kompo­nenten wie dem neuen Verlegen von Leitungen, einschließ­lich Kabel­trassen, Funda­mente, Neu-Montage der Sender­einheiten und so weiter. Für diese wohl schon länger geplante Maßnahme dürfte wohl bewusst der Winter gewählt worden sein, weil man davon ausging, dass um diese Zeit "nicht so viel los wäre".

Telefónica Kunden offline

Für die betrof­fenen Kunden von Telefónica-o2 kommt erschwe­rend hinzu, dass sowohl Telekom als auch Voda­fone vor Ort noch einen zweiten (nicht bein­träch­tigten) Sende-Standort haben, Telefónica aber nur diesen einen. Zusätz­lich verfügen Telekom und Voda­fone über große Flotten mobiler Sende­masten und konnten das Problem somit kurz­fristig über­brücken.

Eine Einschät­zung

In Zeiten, wo viele Privat­personen oder Klein­unter­nehmer gerne auf einen Fest­netz­anschluss verzichten möchten, um die zusätz­lichen Kosten zu sparen, wirkt sich so ein zeit­weiser "Total­ausfall" aller drei Netze natür­lich extrem aus. Hilf­reich wäre gewesen, wenn die Netz­betreiber proaktiv auf die Gemeinde zuge­gangen und im Vorfeld umfas­send über die Auswir­kungen dieses Umbaus infor­miert hätten. Dieses "Wird schon gut gehen, das machen wir jetzt, bevor es über­haupt jemand merkt", kann schnell ins Gegen­teil umschlagen.

Am stärksten betroffen sind aktuell die Kunden von Telefónica-o2. Jetzt mit dem Finger auf o2 zu zeigen ("Da siehste, die mal wieder"), trifft es auch nicht, wenn o2 nur als "Unter­mieter" auf die "Zulie­ferung" anderer konkur­rierender Anbieter ange­wiesen ist. Hier sollten für die Zukunft prag­mati­sche Rege­lungen gefunden werden, durch die Ausstrah­lung eines weiteren Netz­anbieter-Codes auch die Kunden eines temporär gestörten Netzes mit versorgen zu können.

Für die inner­örtliche Kommu­nika­tion auf Usedom könnte solange der gute alte CB-Funk eine Alter­native bieten. Die Geräte dafür sind günstig zu bekommen (ab 100 Euro inkl. Antenne), die Reich­weiten sollten auf der Insel ausrei­chend sein und das vom Bundesrat beschlos­sene absolut praxis­fremde Mikrofon-Nutzungs­verbot während der Fahrt tritt erst ab dem 1. Juli 2020 in Kraft. Bis dahin könnte die Station "Baltic" wieder am Netz sein.

Update von 14.18 Uhr

Inzwi­schen liegt uns eine Stel­lung­nahme von Telefónica-Germany (o2) vor: In Zinno­witz wurde eine Mobil­funk­anlage auf dem Hotel Baltic zum Jahres­ende durch den zustän­digen Stand­ortei­gentümer komplett umge­baut. Unter anderem wurden zwei neue Zentralm­asten für die Antennen der Netz­betreiber geschaffen. Für unsere Netz­tech­niker hat es oberste Prio­rität, die erfor­derli­chen Aufbau­maßnahmen an der neuen Anlage so zügig wie möglich umzu­setzen. Teile der dafür erfor­derli­chen System­technik werden im Laufe des Januars gelie­fert, sodass wir aktuell davon ausgehen, den Mobil­funk­standort bis Ende Januar wieder voll­umfäng­lich in Betrieb nehmen zu können. Die Errich­tung einer tempo­rären Ersatz­anlage würde im vorlie­genden Fall keine schnel­lere Lösung bieten.

Für die damit verbun­denen, zwischen­zeit­lichen Einschrän­kungen für unsere Kunden vor Ort möchten wir uns ausdrück­lich entschul­digen. Betrof­fene Kunden können sich jeder­zeit an unseren Kunden­service wenden, um eine indi­vidu­elle Lösung zu finden. Umlie­gende Anlagen auf der Insel Usedom sind nicht betroffen.

Nach erfolg­reichem Abschluss der Arbeiten wird unseren Kunden in Zinno­witz wieder eine zuver­lässige Mobil­funk­versor­gung sowie ein deut­lich verbes­sertes Netz zur Verfü­gung stehen. Wir werden Zinno­witz in diesem Zuge erst­mals mit LTE über das o2 Netz versorgen. Für eine schnelle mobile Daten­nutzung und ein leis­tungs­starkes Netz werden unsere Netz­tech­niker direkt mehrere LTE-Träger­frequenzen instal­lieren. Zudem weiten wir die UMTS-Versor­gung aus. Die neue Basis­station wird darüber hinaus mit ener­gieef­fizi­enter Technik ausge­stattet.

Soweit die Stel­lung­nahme. Die Kunden in Zinno­witz müssen also noch eine Weile durch­halten und können sich dann auf LTE (und UMTS) freuen.

Mehr zum Thema Netzausbau