Schrank sendet

5G-Netz aus dem Schaltverteiler?

Ein kleines mittelständisches Unternehmen aus Berlin hat eine Idee, wie die 5G-Netzversorgung, wenigstens in den Städten, kostengünstiger werden könnte.
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Die Schaltkästen der Telekom und ihrer Mitbewerber könnten bei 5G eine ungeahnte Rolle spielen, als Senderstandorte für 5G. Die Schaltkästen der Telekom und ihrer Mitbewerber könnten bei 5G eine ungeahnte Rolle spielen, als Senderstandorte für 5G.
Foto: Deutsche Telekom
Bei der Diskussion um das künftige 5G-Netz geht es insbesondere um die Zahl der notwendigen Antennen, um eine "flächendeckende Versorgung" zu erzielen. Etwa 70 000 Mobilfunk-Sender gibt es derzeit bundesweit. Um das Ziel zu erreichen, bekommt man - je nachdem, wen man fragt - Zahlen zwischen einigen Hunderttausend, bis über 1 Million Sender genannt. Dabei sollten wir uns von der Idee eines Antennenturms aus Stahlbeton oder eines Gitterstahlmasten, wie wir ihn von Überlandleitungen kennen, aber auch von wuchtigen Antennenkonstruktionen, die man oft auf Hochhäusern findet, verabschieden. Viele Antennen werden in Zukunft "unsichtbar" sein, bzw. wir sehen sie, wissen aber nicht, dass es Funkantennen sind.

Einfache Idee

Die Schaltkästen der Telekom und ihrer Mitbewerber könnten bei 5G eine ungeahnte Rolle spielen, als Senderstandorte für 5G. Die Schaltkästen der Telekom und ihrer Mitbewerber könnten bei 5G eine ungeahnte Rolle spielen, als Senderstandorte für 5G.
Foto: Deutsche Telekom
Eine originelle, wie auch naheliegende Idee hat das Unternehmen Berthold Sichert aus der Klitzingstraße in Berlin-Marienfelde. Sichert stellt Gehäuse her, wie sie zu Tausenden an den Straßenrändern stehen. Darin verbaut sind die aktiven und passiven Verteiler für Kupfer-DSL, VDSL oder Supervectoring bzw. G.fast oder Glasfaser der Telekom und ihrer zahlreichen Mitbewerber, dort oft auch "Multifunktionsgehäuse" genannt.

Die Idee aus dem Hause Sichert ist so simpel wie genial: Warum kann man in diese Gehäuse nicht gleich kleine 5G-Sender mit einbauen? Die Gehäuse der Firma Sichert sind aus Polycarbonat (ein Kunststoff), aber dennoch extrem stabil. Die Funkwellen könnten also weitgehend ungehindert aus dem Gehäuse gesendet und darin empfangen werden.

Über 30 000 Multifunktionsgehäuse alleine im "Deutschen DSL-Netz" hat das 1923 in Berlin gegründete Familienunternehmen nach eigenen Angaben schon an die Deutsche Telekom und deren Mitbewerber geliefert, insgesamt seien mehr als 180 000 Gehäuse outdoor montiert. In den robusten Outdoorgehäusen und Sockeln aus Kunststoff stecken mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Telekommunikations- und Breitbandkabelnetzbranche, teilt das Unternehmen mit.

Der Hersteller von Outdoor-Gehäusen will 5G-Antennen in seine Festnetz-Multifunktionsgehäuse aus Polycarbonat integrieren, weil sie die Funkstrahlung nicht abschirmen. Das berichtet die in Düsseldorf erscheinende Wirtschaftswoche unter Berufung auf die Unternehmensführung: "Wir bringen 5G auf die Straße", sagte Sichert-Geschäftsführer Julian Graf von Hardenberg dem Wirtschaftsmagazin.

Small Cells weiter gedacht

Ganz neu ist die Idee wohl nicht. Kleinzellen (Small Cells) werden schon länger verbaut. Gängige Frequenzen sind 1800 MHz für LTE (früher GSM), 2100 MHz (für UMTS und künftig verstärkt LTE), 2600 MHz für LTE und künftig auch 3,4-3,8 GHz hoch bis 6 GHz oder sogar 60 GHz für 5G.

Dreieinhalb Jahre hätte das Unternehmen Sichert daran entwickelt, "mit Ericsson wurden erfolgreiche Testläufe gemacht", verriet von Hardenberg im Gespräch mit golem.de. Die "SiCab" genannten Schaltkästen sind neutral, es ließen sich also Antennen von jedem Netzbetreiber einbauen, möglicherweise auch mehrere auf einmal.

"Mit unseren Netzbetreiber-Partnern denken wir Infrastruktur neu und unsere traditionellen Stadtmöbel bieten heute Lösungen für die Smart City, wie W-LAN und 5G-Hotspots", erläutert von Hardenberg in einer Selbstdarstellung beim Verband für Telekommunikations- und Mehrwertdienste (VATM).

Genug Gehäuse als Standorte wären sicher vorhanden: Wirft man einen Blick in die Ausbaupläne der Deutschen Telekom, soll es bis im Jahr 2020 etwa 200 000 MFGs (auf deutsch Multifunktionsgehäuse) alleine bei der Telekom geben.

Reichweite 300 Meter

Bei den von Sichert gelieferten Kunststoffgehäusen ist fast alles aus Kunsstoff, außer den Lüftungsschlitzen im Deckel, die sind aus Metall. Diese müssten für 5G dann ausgetauscht werden, aber Sichert hat bereits ein solches Teil aus Polycarbonat entwickelt. Zwei im Dach der Gehäuse montierte 5G-Sendeantennen würden genügen, um Netzversorgung im Umkreis von 300 Metern zu bieten.

Die Wirtschaftswoche hat auch bei der Telekom nachgefragt. "Multi­funktions­gehäuse sind eine gute Ergänzung im Rahmen unseres Mobil­funkausbaus", hieß es dort. Aber: "Sie ersetzen aber nicht den kontinuierlichen Ausbau der großen Sende-Standorte."

Mitbewerber wie die renommierte Firma Rittal bauen Schaltschränke ganz aus Metall. Auch hier scheinen schon Versuche mit externen 5G-Antennen oben auf dem Stahlgehäuse gemacht worden zu sein. So ein Rittal-Schrank bekäme dann eine "Mütze" aus Kunststoff, worunter eine Sendeantenne versteckt ist.

Bei Sichert ist man der Meinung, dass ihre Idee bislang zu wenig Beachtung fände. In Bochum baut die Telekommunikation Mittleres Ruhrgebiet (TMR), welche den Stadtwerken und Sparkassen gehört, aktuell ein kommunales Glasfasernetz auf. Dabei kommen Verteilerschränke von Sichert zum Einsatz. Die ersten 100 Standorte seien schon so ausgewählt worden, dass sie für 5G-Antennen geeignet wären. Darin ist "genug Platz, um die Antennen mehrerer Mobilfunkbetreiber einbauen zu können", betonte ein Sprecher der TMR gegenüber der Wirtschaftswoche.

Gerade kleinere Stadtnetzbetreiber wie wilhelm.tel planen, sich um lokale 5G-Frequenzen bei 3,8 GHz zu bemühen. Für sie ist diese Schaltschranklösung ziemlich sexy, da keine teuren Standorte auf Funkmasten der Konkurrenz gemietet werden müssten.

Hohe Senderdichte, geringere Belastung

Die Schaltverteilerlösung hat ihren Charme. Die Sendeleistung dieser Schaltschränke kann wesentlich geringer als auf den weit entfernten Sendemasten sein und die Versorgung im Umkreis von 300 Meter könnte wesentlich gleichmäßiger sein, weil dann schon wieder der nächste Schaltschrank senden könnte.

Stadtnetzbetreiber könnten so in den Städten möglicherweise eine Flächenabdeckung erreichen, die so interessant wäre, dass eines Tages überregionale Mobilfunkanbieter motiviert sein könnten, mit den Stadtnetzbetreibern extra Roamingabkommen zu schließen.

Ganz ohne Sendemasten wird es nicht gehen, um auch die unbesiedelten Regionen mit viel Wald, aber wichtigen Verbindungsstraßen oder Eisenbahnstrecken optimal versorgen zu können.

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