Funkloch: Wenn das Müllauto die Netzversorgung misst
Mit 9 Handys in einer Plastiktüte können die Netze reproduzierbar vermessen werden
Foto: Hessischer Rundfunk (HR)
Über schlechten Handyempfang klagen viele Nutzer, speziell auf dem Land. Um ein Gefühl zu bekommen, welcher Anbieter an welchen Orten wie gut versorgen könnte, gibt es die Abdeckungskarten der Netzbetreiber im Internet. Doch diese Karten sind oft "berechnet" und nicht überall vor Ort nachgemessen.
Um die Diskussion um den Netzausbau zu versachlichen, werden die Netze von Privatpersonen, aber auch von darauf spezialisierten Fachfirmen nachgemessen. Die verwendeten Methoden sind teilweise richtig kreativ. Wie die Fernsehsendung Hessenschau [Link entfernt] des Hessischen Rundfunks (früher Hessen3) herausgefunden hat, muss jetzt die Müllabfuhr helfen.
Müllauto als Messfahrzeug
Mit 9 Handys in einer Plastiktüte können die Netze reproduzierbar vermessen werden
Foto: Hessischer Rundfunk (HR)
Dazu hatten die Müllfahrzeuge, die in der Wetterau (nordöstlich von Frankfurt am Main) gelbe Säcke einsammeln, eine Spezialaufgabe: Macht mal eine Handymessung.
Und das geht so: Auf neun baugleiche Smartphones wurde eine spezielle Mess-Software aufgespielt, dann untereinander mit einem speziellen Ladekabel mit einer Zuführung zu neun Ladebuchsen der Handys verbunden und in eine Art überdimensionalen Plastikbeutel gesteckt. Das Stromkabel führte zum Zigarettenanzünder, die Tüte lag auf dem Armaturenbrett. Bei drei Netzen und drei Technologien (nämlich 2G, 3G und LTE) waren 9 Handys notwendig.
Die Idee hatte die schwedische Firma Iqmtel, die sich auf Netzmessungen spezialisiert hat. Die Messergebnisse lassen sich die Techniker von IQMtel direkt auf einer Karte anzeigen. Zur Vereinfachung gibt es grüne, gelbe und rote Punkte. Rot bedeutet schlechter Empfang. Björn Meschenmoser leitet die deutsche Niederlassung von Iqmtel in München und hat das Pilotprojekt initiiert. "Finden wir an einem Ort mehrere rote Punkte, gehen wir von einem Funkloch aus", erklärt er.
Der Gag an der Idee: Die Müllfahrzeuge kommen überall vorbei, selbst auf dem kleinsten Dorf und fahren feste, wiederkehrende Routen. Das ist für reproduzierbare Messungen ideal. Eigentlich sollten die berechneten Karten der Netzbetreiber genügend Hinweise geben, wo es geht oder nicht. Aber die Topographie oder "Störfaktoren" wie Bäume, hohe Gebäude oder ein schlichter Baukran können den Empfang stören. Aufgrund solcher Störfaktoren passiert es immer wieder, dass die Karten des Netzbetreibers von gutem Empfang ausgehen. Die Realität ist allerdings eine andere.
Spricht man mit den Technikern der Anbieter, so räumen sie schnell ein, dass sie als Netzbetreiber eigentlich schon "wissen, wo es nicht richtig geht". Aber oft findet sich kein passender Standort für eine Antenne, weil Anwohner protestieren oder Behörden ewig brauchen und dann spielen auch die Baukosten eine Rolle - besonders bei Netzbetreibern, die aufgrund internationaler Verpflichtungen eine angespannte Kassenlage haben.
Die Firma IQMtel macht Netzmessungen mit Müllautos
Bild: IQMtel.de, Screenshot: teltarif.de
Die Messungen der Müllautos haben den winzigen Ort Bindsachsen gefunden, der zur Gemeinde Kefenrod (Wetterau, Hessen) gehört. Die Messungen haben bestätigt, dass Bindsachsen in einem Funkloch liegt. Nun muss den Mobilfunkanbietern noch klar gemacht werden, dass hier Abhilfe geschaffen werden muss.
Und Bindsachsen ist kein Einzelfall. Die Müllautos beweisen eigentlich nur, was beispielsweise in der Wetterau die Nutzer schon längst wussten: Besonders auf dem Land, im östlichen Teil der Wetterau, ist der Empfang oft ziemlich schlecht.
Aber diese Erkenntnis liegt nun reproduzierbar erhoben vor. "Nun kann die Politik den Netzbetreibern so auf Augenhöhe gegenübertreten", erklärt Meschenmoser. Und das, so bestätigt es der Kreisbeigeordnete Matthias Walther (CDU), "ist das Ziel der Mess-Aktion". Walther ist für die Entwicklung des Wetteraukreises und somit auch für die Mobilfunknetz-Abdeckung zuständig. "Wir versuchen mit den Messungen die Funklöcher zu finden, um sie dann beseitigen zu können." Besonders von Gewerbetreibenden bekommt Walther viele Beschwerden.
Mit gutem Netz in die Zukunft
Dabei geht es Walther vorerst gar nicht um den kommenden Standard 5G. Viele Bürger wollen wenigstens verlässlich mobil telefonieren können. Der Wunsch des Dezernenten: Vollständige Netzabdeckung des Wetteraukreises. Zusammen mit dem Breitbandausbau sei Mobilfunk ein großer Standortvorteil und wichtig für die Zukunft der boomenden Region.
Das Ergebnis der vierwöchigen Pilotphase in der Wetterau wurde heute auf dem hessischen Gigabit-Gipfel in Frankfurt vorgestellt. Andere Regionen haben bereits Interesse an der Methode bekundet. So wird längst auch im Rheingau-Taunus-Kreis und im bayerischen Lichtenfels.
Eine Einschätzung:
Es ist gut, das sich Landesregierungen, Landkreise und Kommunen endlich einmal sachlich um das Thema Mobilfunk kümmern. Mobilfunk ist heute unentbehrlich geworden, er wird in vieler Hinsicht gebraucht. Da muss das Thema Netzversorgung neu gedacht werden. Wer aber die Geister ruft, muss auch klar sagen, wie der bessere Netzausbau finanziert werden soll. Mit Billig-Inklusiv-Tarifen für 3 bis 4 Euro im Monat wird das auf die Dauer nicht klappen. Besonders wenn wichtige Milliarden in endlosen Frequenz-Auktionen verheizt werden, die heute schon für den Netzausbau fehlen.
Länder, Kreise und Kommunen werden auch verstehen, dass sie es in der Hand haben, durch schnellere Genehmigungsverfahren oder das aktive Finden und Ausweisen von Standorten, den besseren Netzausbau in Bewegung zu bringen.
Die 5G-Frequenzauktion in Mainz ist nach wie vor im Gange. Details zur aktuellen Situation lesen Sie in einer weiteren Meldung.