Kürzere Vertragslaufzeiten: Mehr Flexibilität, höhere Kosten?
Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht
Bild: Christoph Soeder/dpa
Das geplante Gesetz gegen "Kostenfallen" (wir berichteten) findet Widerhall
bei Lesern, Verbrauchern und betroffenen Unternehmen. Dass sich ein Handy-Vertrag um einen langen Zeitraum
verlängert, nur weil der Kunde nicht rechtzeitig gekündigt hat oder nach einem Werbetelefonanruf der
Verbraucher unwissentlich seinen Stromversorger gewechselt hat, soll (so einfach) nicht mehr vorkommen,
umgangssprachlich formuliert, sollen Verbraucher sollen besser "vor Abzocke geschützt" werden.
Die lesenswerten Pläne von Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD) [Link entfernt] sollen unter anderem die Laufzeit von Verträgen etwa für Handys, Fitnessstudios oder Zeitungs-Abos auf ein Jahr begrenzen. Auch die Kündigungsfristen werden deutlich verkürzt.
Energielieferung nur gegen Rückbestätigung
Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht
Bild: Christoph Soeder/dpa
Lambrecht sprach von einem "großen Problem". Für Energielieferungen soll eine schriftliche
Bestätigungslösung verpflichtend eingeführt werden. Das bedeutet: Die Wirksamkeit eines
telefonischen Vertragsabschlusses, etwa mit dem neuen Energielieferanten, soll davon abhängig
gemacht werden, dass der Versorger sein Angebot in Textform bestätigt und der Verbraucher
diesen Vertrag explizit genehmigt.
Handyverträge am Telefon: Unterschrift notwendig
Auch für auf diese Weise entstandene Handy-Verträge soll es eine schriftliche Einwilligung geben müssen. "Es geht nicht darum, dass Verträge billiger werden", betonte Lambrecht. Vielmehr müssten Verbraucher, wenn sie ein für sich günstigeres Angebot haben, wechseln können und dürften nicht durch überlange, unfaire Laufzeiten gebunden sein.
Verbraucherschützer begrüßen die Pläne
Verbraucherschützer begrüßten die Gesetzespläne als "wichtigen, längst überfälligen Schritt", fordern aber weitergehende Regelungen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) findet, zur ohnehin unerlaubten Telefonwerbung gehe der Gesetzentwurf nicht weit genug. "Die Regelung muss (...) für alle telefonisch geschlossenen Verträge gelten", forderte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Zu Telefonverträgen lägen den Verbraucherzentralen zahlreiche Beschwerden über unerlaubte Telefonwerbung vor. Die geplante Laufzeitverkürzung für Verträge gebe Verbrauchern mehr Freiheit und belebe den Wettbewerb.
Aus Verbrauchersicht wünschenswert
Aus Verbrauchersicht sind kürzere Vertragslaufzeiten natürlich wünschenswert. Allerdings würde sich speziell im Mobilfunk die bisherige Praxis der Finanzierung von Endgeräten stark verändern. Wenn ein "subventioniertes" Smartphones künftig über 12 statt wie bisher über 24 Monate finanziert werden muss, verdoppelt das natürlich die monatliche Rate oder - wenn der Preis für das Handy in der Grundgebühr enthalten ist - die Grundgebühr für den Mobilfunk-Vertrag wird deutlich teurer. Eine Trennung von Hardware-Finanzierung und Mobilfunk-Vertrag bringt allerdings auch mehr Transparenz, was den Kunden letztlich zugute käme.
Telekom: 1 Jahr Laufzeit schon heute möglich
Zu den Einzelheiten des vorgelegten Gesetzentwurfs konnte ein Sprecher der Deutschen Telekom leider nichts sagen, wies aber darauf hin, dass die Telekom die im EU-Kodex festgelegten Regelungen zu Vertragslaufzeiten für TK-Verträge erfüllt. Und wörtlich: "Bereits heute erhalten unsere Kunden sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk selbstverständlich Verträge mit einer Laufzeit von 12 Monaten und entsprechender Kündigungsfrist. Der Kunde hat also unabhängig von einer veränderten Gesetzgebung schon heute die Wahl zwischen verschiedenen Vertragslaufzeiten." Wer allerdings wirklich für nur 12 Monate buchen will, muss sich tief durch das Bestellverfahren wühlen und sehr beharrlich bleiben.
Vodafone: Weniger Wahlfreiheit?
Der Mobilfunkkonzern Vodafone warnte, das Gesetz werde "zu weniger Wahlfreiheit in der Angebotspalette und höheren Kosten für viele Verbraucher führen". Denn wegen der kürzeren Vertragslaufzeit würden "entweder die monatlichen Preise für finanzierte subventionierte Handys oder aber die einmalig zu zahlenden Preise deutlich steigen".
Telefónica: Schon heute einmonatige Laufzeit möglich
Bei Telefónica o2 sieht man die Initiative gelassen: "Schon heute bieten wir für Kunden, die eine hohe Flexibilität schätzen, verschiedene Alternativen zu zweijährigen Laufzeitverträgen. Neben Prepaid lassen sich auch die meisten o2-Verträge auf Wunsch mit einer einmonatigen Laufzeit buchen. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Mehrheit der Kunden die 24 Monate wählt, da sich hier sehr günstige Kombi-Angebote für den Kunden kalkulieren lassen. Eine rechtliche Einschränkung dieser Möglichkeiten kann aus unserer Sicht nicht im Interesse der Kunden sein. Unser Ziel ist es, unseren Kunden auch weiterhin eine große Vielfalt an attraktiven Angeboten bieten zu können."
Da o2 aber schon heute die "my Handy" Variante anbietet, die einen Handy-Kauf auf Kredit erlaubt, dürfte sich für diese Kunden wenig ändern.
VATM: Gesetz gefährdet Glasfaserausbau
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) sieht mit dem „Verbot von Zwei-Jahres-Verträgen" die "Interessen der Kunden verletzt“. Ja schlimmer noch: Das geplante Gesetz würde nicht nur günstige Handyverträge verteuern, sondern sogar den Glasfaserausbau behindern.
Dabei sieht man beim VATM durchaus, dass "einige Ideen von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht in die richtige Richtung" gehen. Die Vertragslaufzeit in der Telekommunikation auf höchstens ein Jahr zu begrenzen, halten wir gerade für die Kunden für absolut kontraproduktiv“, findet VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner.
Im Mobilfunk-Bereich nutzen viele Kundinnen und Kunden zum Beispiel die Möglichkeit, ein meist deutlich subventioniertes Endgerät zu erhalten, das dann über eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren refinanziert werden kann. Neueste Technologie ist ein Treiber der Wirtschaft und sogar der Austauschservice, um jedes Jahr das neueste Smartphone zu erhalten, wird über solche Verträge gerne genutzt.
„Aus ökonomischer Sicht ist eine Laufzeitverkürzung für die Kunden doppelt teuer, da nicht nur die Handy-Subventionen nicht mehr klappen, sondern auch der Verwaltungsaufwand, der zum Vertragsbeginn entsteht, auf die kürzere Laufzeit verteilt werden müsste“, so Grützner.
Die Verbraucher entschieden sich ganz überwiegend für die deutlich vorteilhafteren Zwei-Jahres-Verträge, obwohl schon seit 2012 alle TK-Unternehmen mindestens eine Vertragsoption mit einer einjährigen Laufzeit anbieten. Kunden, für die zum Beispiel ein subventioniertes Endgerät nicht im Vordergrund steht und die keine lange Laufzeit wünschen, nutzen die üblichen Prepaid-Angebote ohne jede Laufzeit. „Die Verbraucher sind also völlig frei in ihrer Entscheidung." Es brauche kein Gesetz gegen die vom Kunden am meisten gewählte Vertragslaufzeit.
Gefährdet das Gesetz den Glasfaserausbau?
Für den Glasfaserausbau wären aus Sicht des VATM die Folgen außerordentlich negativ, denn hier entstehen mit dem Anschluss eines Hauses an ein neues Glasfasernetz ganz erhebliche Kosten. „Vertragslaufzeiten von zwei Jahren sind auch hier als ein Minimum von Planungssicherheit für die Anbieter wichtig". Ein staatliches Eingreifen sei nicht nur unnötig, sondern ginge zu Lasten der in aller Regel sehr zufriedenen Kunden und der Digitalisierung unseres Landes.“
VATM macht Zugeständnisse
Grützner räumt ein: „Sicherheit und Transparenz beim Vertragsabschluss und kürzere Kündigungsfristen nach der Erstlaufzeit können diskutiert werden. Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Für den Telekommunikationsbereich bestehe bereits eine ganz besondere Transparenzverpflichtung mit dem "Produktinformationsblatt". Zusätzliche, für die Branche sehr aufwendige Transparenzmaßnahmen auf der monatlichen Rechnung bereits heute Standard: Dort wird die kundenindividuell ausgerechnete Kündigungsfrist und der explizit im Rechnungsdokument ausgewiesene letzten Kalendertag genannt, an dem die Kündigung eingehen muss, wenn eine Vertragsverlängerung nicht mehr gewünscht wird.
Eine Stellungnahme der Freenet AG (Mobilcom-Debitel, Klarmobil etc.) liegt derzeit noch nicht vor und wird gegebenenfalls nachgereicht.