Kommentar: Die Aufregung über Alexa ist paradox
Amazon Alexa erhitzt die Gemüter. Warum eigentlich?
Amazon
Wir Deutsche haben ein gespaltenes Verhältnis zu neuen Technologien. Das äußert sich besonders beim Thema Sprachassistenten immer wieder: Kaum eine Woche vergeht ohne einen neuen Aufreger-Artikel über die "Wanze" Alexa. Doch in Zeiten von Smartphones ist diese Empörung ziemlich verlogen. Gerade aktuell: Amazon Mitarbeiter hören Gespräche mit. Massenhaft wird die Meldung in den sozialen Netzwerken geteilt und meist mit "Wer sich so einen Spion ins Haus holt, ist doch selber schuld" kommentiert. Doch in Zeiten von Smartphones ist die Aufregung ziemlich verlogen.
Im Freundes- und Bekanntenkreis beobachte ich oft die ablehnende Haltung gegenüber Sprachassistenten. Die Argumente sind immer dieselben: "Wie kannst Du Dir nur so einen Spion ins Haus holen?".
Alexa pfui, Smartphone hui?
Amazon Alexa erhitzt die Gemüter. Warum eigentlich?
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Womit aber gleichzeitig kaum einer ein Problem hat, ist das eigene Smartphone. Und genau diese Haltung ist paradox, denn ein Smartphone ist die viel bessere Wanze.
Ein Smartphone hat mehr, als nur ein eingebautes Mikrofon zum Mithören. Ein Smartphone verfügt über eine Kamera und kann via WLAN, GPS und die Mobilfunkzelle auf den Meter genau geortet werden. Auf einem Smartphone lassen sich Apps unzähliger Hersteller installieren. Nur die wenigsten interessieren sich überhaupt dafür, welche Daten diese Apps anschließend von ihren Benutzern abgreifen.
Im Gegensatz zu Alexa kann ein Smartphone nicht nur mithören, es verfolgt auch unser Surfverhalten, es speichert unser Bewegungsprofil und die neuen Modelle sogar unseren Fingerabdruck. Ein Smartphone lässt sich von Dritten mit relativ einfachen Mitteln anzapfen und unbemerkt fernsteuern. Ein Smartphone ist das perfekte Überwachungsgerät. Und genau die Leute, die gerade noch Alexa als Wanze bezeichnet haben, tragen dieses Smartphone rund um die Uhr mit sich herum und posten ihren Rant über Alexa womöglich auch noch auf ihrem Facebook-Account.
Bei soviel selektiver Wahrnehmung bleibt mir die Spucke weg
Um die KI von Alexa weiter zu entwickeln, bleibt Amazon kaum etwas anderes übrig, als Sprachdaten zu analysieren. Das kann auch jeder in den Datenschutzeinstellungen der Alexa-App nachlesen. Dafür gibt es die recht übersichtlichen Datenschutzeinstellungen in der Alexa-App. Die finden sich unter "Einstellungen - Alexa Konto". Dort gibt es den Punkt Legen Sie fest, wie Ihre Daten Alexa verbessern sollen und sogar fettgedruckt der Hinweis: Sprachaufnahmen verwenden, um bei der Entwicklung neuer Funktionen beizutragen. Und genau dieser Funktion kann man als Kunde widersprechen, indem man sie mit einem Fingerwisch deaktiviert.
Kritiker monieren, aus den Nutzungsbedingungen von Amazon ginge nicht eindeutig genug hervor, dass die Auswertung der Sprachdaten nicht vollautomatisch erfolge. Das ist naiv. Es geht ja gerade darum, einer Software das richtige Verständnis von gesprochenen Sätzen beizubringen. Wenn das bereits vollautomatisch mit einem Algorithmus funktionieren würde, was sollte man Alexa dann noch beibringen können?
Was bleibt, ist die Lust am Skandal. Amazon verkörpert für viele ohnehin das personifizierte Böse. Was macht da mehr Freude, als über die böse "Wanze" Alexa zu schimpfen. Am besten via Smartphone. Auf Facebook.
Die ausführliche Version dieses Kommentars Alexa, German Angst und die Lust am Skandal ist auf LinkedIn Pulse erschienen.