Sigfox: Das weltweite Mobilfunk-Netz?
Zusammen mit dem Automobilkonzern PSA hat der Software-Gigant IBM eine Verfolgung für Teilecontainer entwickelt.
Foto: Sigfox
Das Internet der Dinge ist das aktuelle "nächste große Ding". Sensoren, wohin man schaut, die irgendwie ihre Daten und Informationen loswerden wollen. Ist der Glasmüllcontainer voll? Ist der Parkplatz Nummer 34593 am Bahnhof noch frei? Wie viel Energie haben Müllers in ihrem Wohnzimmer letztes Jahr "verheizt" ? Wieviel Wasser ist bei Schulzes durch die Leitung geflossen, seitdem sie ihren neuen Swimming-Pool nutzen? Alle möglichen Geräte ("Devices") möchten Daten übertragen. Bisher brauchte man dafür ein "Handy" oder wenigstens ein "Modem" mit SIM-Karte und Vertrag und dann konnte es per SMS oder Datenprotokoll losgehen. Doch für jede SIM-Karte wollen die Netzbetreiber Geld haben. SIM-Karten müssen angemeldet und verwaltet werden - lästig. Wenn viele tausend oder noch mehr Geräte einer Firma funken sollen, geht das irgendwann ins Geld.
Der "unbekannte" Mobilfunkanbieter Sigfox
Zusammen mit dem Automobilkonzern PSA hat der Software-Gigant IBM eine Verfolgung für Teilecontainer entwickelt.
Foto: Sigfox
Der weithin unbekannte Mobilfunkanbieter Sigfox bezeichnet sein Netz als "0G-Netz". Es arbeitet auf allgemein zugänglichen Frequenzen (z.B. 433 oder 860 MHz), die sonst für Autoschlüssel, Kopfhörer, WLAN und was auch immer genutzt werden. Die Frequenzkosten: Null, weil diese Frequenzen in vielen Ländern allgemein genehmigt ("zugeteilt") sind. Genutzt wird eine "Ultra Narrow Band Modulation", Sigfox braucht nur 200 kHz Bandbreite für seine Nachrichten. Jede Nachricht ist nur 100 Hz "breit" und wird mit 100 oder 600 Bit/s Datenrate übertragen. Wohlgemerkt: Bits pro Sekunde, ohne Kilo, ohne Mega, einfache einzelne Bits. Die genaue Datenrate hängt von der jeweiligen Region ab. Dadurch werden hohe Reichweiten erzielt und das Signal ist auch noch gegen Störungen durch andere Nutzer ziemlich immun.
Durch geschickte Verträge hat Sigfox seine kostengünstige Stationen überall verteilt, teilweise sogar auf Mobilfunkmasten der großen Konkurrenz, etwa bei Telefónica International und damit auch bei o2 in Deutschland.
Hoher Anspruch
SigFox nimmt für sich in Anspruch "in 60 Ländern verfügbar" zu sein, decke ganz Europa ab und will weltweit eine Milliarde Menschen erreichen. Jetzt soll noch ein Satellit dazu kommen und dann werde der gesamte Erdball abgedeckt, das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Dennoch: SigFox existiert. Nur ist es für Außenstehende schier unmöglich abzuschätzen, was Wunsch des Marketings und was Realität ist. Mehr als 500 Millionen Euro hätten Sigfox und die lokalen Netzbetreibern investiert, um dieses einzigartige Funknetzwerk aufzubauen, das zugleich auch das Fundament für das weltweit größte IoT-Ökosystem bilden soll. Ende Dezember 2018 ist Polen der Familie der Sigfox-Netzbetreiber beigetreten, damit sei Sigfox der "einzige Betreiber mit voller europäischer Abdeckung".
Die erste Antennen-Installation startete 2011 in Frankreich. Heute sind nach Auskunft des Unternehmens 6,2 Millionen Geräte mit dem Sigfox-Netzwerk verbunden, rund 13 Millionen Small-Data-Telegramme werden täglich übermittelt. Damit stiegen Einnahmen und Umsätze enorm an. Im Jahr 2018 unterzeichnete Sigfox wichtige Verträge mit Unternehmen wie Dachser (Spedition), Getrak (Standortverfolgung) [Link entfernt] , Michelin (Reifen und Mobilität), NEC (japanischer Mischkonzern), Netstar (Südafrika), PSA/IBM (Autohersteller in Verbindung mit IBM) oder Total (Energie und Mobilität) für das "Asset-Tracking" (Verfolgung von wichtigen Gütern). Damit habe man gezeigt, dass Sigfox eine zu 100 Prozent tragfähige Lösung zur Digitalisierung einer großen Anzahl industrieller Güter ist. Auch wichtige Zulieferer der Automobil- und Mobilitätsindustrie wie Alps und LiteOn sind dem Sigfox-Ökosystem beigetreten.
Keine volle Flächendeckung notwendig?
Die Struktur des möglichst einfach aufgebauten Sigfox Netzes. Dadurch ist es extrem kostengünstig.
Grafik: Sigfox
Dabei scheint für Sigfox eine lückenlose volle Flächendeckung gar keine Rolle zu spielen. Es reicht wohl in vielen Fällen, wenn das Gerät unterwegs irgendwann einmal nur kurz irgendwo eine Sendestation "erwischt", um darüber kurz "Bescheid" zu sagen.
Sogar die klassischen Mobilfunker sehen Sigfox als "Fallback-Lösung". Der französische Tiefstpreis-Mobilfunker und Festnetz-Internet-Anbieter "Free", der zur Iliad Group gehört, hat eine FreeBox Delta entwickelt. Das ist eine All-in-One-Konsole für 10 Gigabit-Internet, Telefonie, Fernsehen, Ton und Haussteuerung in einer Box. Wohlgemerkt: Diese hohen Daten-Geschwindigkeiten sind niemals über das Sigfox-Netz zu erzielen! Sigfox bietet nur die Möglichkeit, ein kurzes Datentelegramm des betroffenen Routers ("Ich habe ein Problem", oder "Hilfe, mein Netz ist weg") an eine Service-Leitstelle zu übertragen und die Techniker zur Reparatur hinauszuschicken.
Selbst Sicherheitsunternehmen wie Securitas haben beispielsweise 2,8 Millionen Alarmmeldungen über das Sigfox-Netzwerk abgesetzt.
Sigfox legt Details offen
Mehr als 200 Universitäten und Entwicklungspartner sowie mehr als 1.200 Startups entwickeln offenbar auf Basis der wirklich einfachen Sigfox-Technologie Geräte und Anwendungen für möglichst viele Menschen, teilt Sigfox stolz mit. Nach der aktuellen Offenlegung der Spezifikationen für Sigfox-Geräte sei die Sigfox-Technologie "demokratisiert" worden. Damit sollen Lösungen entwickelt werden, um all das anzubinden, was bislang nicht angebunden werden konnte.
Die Welt allein ist nicht genug
Doch soviel Erfolg scheint den Machern immer noch nicht zu reichen. Bis Ende 2023 will das Unternehmen eine Milliarde Geräte an sein "globales 0G-Netz" anschließen. Dazu steht die "strategische Expansion" in die Länder Indien, Russland und China auf der Agenda.
In Zusammenarbeit mit Eutelsat will Sigfox im zweiten Halbjahr 2019 seinen ersten Satelliten testen: Der kommerzielle Start der ‚ELO‘-Konstellation steht 2020 auf der Agenda. Die Idee: Den gesamten Planeten unter einem einzigen Dach abzudecken und zwar durch eine einfache und leistungsstarke Kombination aus Boden- und Satellitennetzen. Dabei müsste das "Sigfox-Ökosystem" und die bereits verteilten Geräte nicht verändert werden, verspricht Sigfox.
Es sei heute kein Traum mehr, Vermögenswerte über Kontinente hinweg mit Trackern zu verfolgen, die nur ein paar Dollar kosten und jahrelange Autonomie bieten, schreibt Sigfox weiter. Es ist bereits Realität. Nur ein "globales 0G-Netzwerk" könne diese Leistung erbringen.
Und der Wettbewerb?
Die klassischen Mobilfunker sind beim Thema IoT auch nicht untätig. Sie nutzen die LTE-Netze mit den Protokollen "NB IoT" mit höherer Reichweite und geringeren Frequenz-Bandbreite oder LTE-M, wenn etwas mehr Daten zu übertragen sind, zumeist auf 800 MHz. Der Vorteil der "klassischen" Lösung: Die Geräte sind wie ein normales Handy im Netz eingebucht und bei Bedarf auch zuverlässiger für "Rückfragen" erreichbar. Weiterer Vorteil: LTE NB-IoT oder LTE-M sind international genormt. Der Kunde kann sich daher den Netzbetreiber oder Diensteanbieter frei auswählen. Der Nachteil: Die Preise pro Endgerät und SIM-Karte (oder eSIM) liegen offenbar deutlich höher.
Der Vorteil der Sigfox-Lösung: Sie scheint unglaublich billig zu sein. Der Nachteil: Es ist ein proprietärer Standard, der nur mit dem Sigfox-Netz funktioniert. Will der Kunde den Anbieter wechseln, braucht er wohl neue Endgeräte.