Unitymedia will IoT-Netzbetreiber werden
Wir kennen Unitymedia als Netzbetreiber und Programm-Anbieter von und in Kabel-TV-Netzen. Diese Netze können inzwischen längst Internet und Telefonieren. Auf der Messe Angacom in Köln tritt Unitymedia als Funknetzbetreiber auf. Die Zauberformel heißt „LoRaWAN“.
Ferngesteuerte Straßenbeleuchtungen, die Messung der Luftqualität, Füllstandsmeldungen von Glasmüll-Containern, die Anzeige wirklich "freier" Parkplätze - all das möchte Unitymedia mit seinem „flächendeckenden Funknetzwerk“ auf der Basis der „LoRaWAN“-Technologie anbieten.
LoRaWAN steht für Long Range Wide Area Network, einem „einfachen“ Netzwerk für die Verbindung von IoT-Sensoren. LoRaWAN ist ein genormtes Netzwerkprotokoll für Funknetzwerke. Verwendet werden für die Allgemeinheit zugelassene Frequenzbereiche im 433 und 862 MHz Bereich (sogenannter ISM-Bereich). Dort kann „Jedermann“ funken, wenn er bestimmte Grenzwerte einhält, es gibt aber keine „Aufsicht“ und keine Frequenzkoordination, d.h. alle Teilnehmer müssen irgendwie miteinander klarkommen und aufeinander Rücksicht nehmen. Auf den Frequenzen tummeln sich funkgesteuerte Autoschlüssel, drahtlose Kopfhörer, Babymonitore und möglicherweise noch einfache Funksprechgeräte aus der LPD-Ära.
Anmelde und gebührenfrei - sofort loslegen
So stellt sich Unitymedia die Nutzung seines IoT-Netzwerkes vor.
Grafik: Unitymedia
Der Charme: Man muss keinen Antrag stellen, keine Frequenzen ersteigern oder mieten, sondern kann sofort loslegen. Einfach Sender aufstellen, Antenne ausrichten und los gehts. Bei optimalem Standort könnten Reichweiten von fünf bis zu zwölf Kilometer möglich sein. LoRaWAN hat den Charme, schon heute verfügbar zu sein, wann 5G (in Deutschland) kommt, ist im Moment ja eher nicht abschätzbar.
Unitymedia hat sich den Markt der für IoT (Internet der Dinge) passenden Netztechnologien angeschaut:
- NFC (NearField Communication) und BlueTooth schieden aufgrund der viel zu geringen Reichweite aus.
- Standards wie ZWave, ZigBee oder WiFi (WLAN) sind für inhouse Anwendungen in Wohnungen gedacht.
Blieben LoRa, NB-IoT (Mobilfunk basiert mit SIM-Karte) oder Sigfox. Letzteres ist ein sehr einfaches angeblich „weltweit“ aktives Netz, doch hier hätte Unitymedia erst einmal 30 Prozent des Umsatzes als Provision abgeben müssen. Das kam aufgrund der erwarteten Verdienstmöglichkeiten überhaupt nicht in Frage. NB-IoT funktioniert mit SIM-Karten und arbeitet auf offiziell dafür reservierten Mobilfunkfrequenzen, doch hier hätte Unitymedia eine Vorleistung „fremd“ einkaufen müssen (die geplante Fusion mit Vodafone steht ja noch unter dem Vorbehalt der EU-Kommission).
Folglich fiel die Entscheidung für das weltweit standardisierte LoRaWAN-Protokoll, das unter anderem auch der Mobilfunk-Pionier Swisscom einsetzt.
Unitymedia will mit Unternehmen und Kommunen kooperieren
Moderatorin Claudia Bechstein hat sich tief ins Thema IoT eingearbeitet.
Foto: Henning Gajek / Teltarif.de
Das Netzwerk von Unitymedia
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soll mit Unterstützung von kommunalen und regionalen Versorgern, Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie Partnern aus der Wirtschaft aufgebaut werden. Unitymedia möchte die Gateways liefern, welche die Schnittstelle zwischen „Funk“ und „Festnetz“ darstellen und betreibt das Netz für Lösungen aus den Bereichen Internet of Things und Industrie 4.0. Als Infrastrukturpartner hat Unitymedia Städte, Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften oder andere Unternehmen im Visier , mit denen gemeinsame Standorte definiert werden können. Dort installiert Unitymedia die Gateways, um das Funknetz auszustrahlen. Nach abgeschlossener Montage betreibt und überwacht das Unternehmen das gesamte Netzwerk zwischen Sensor und der Ziel-Datenbank, wo die gewonnenen Daten ausgewertet und verarbeitet werden.
Unitymedia stellt sich „Ecosystem-Partnerschaften“ mit anderen IoT-Unternehmen vor. Dabei soll spezielles Abrechnungssystem zum Einsatz kommen: Jeder Sensor, der über die Infrastruktur angesprochen wird, bringt zusätzlichen Umsatz.
Um Kommunen den Einstieg in das Internet of Things zu "vereinfachen", hat Unitymedia ein Förderprogramm ins Leben gerufen: die ersten 50 Städte und Gemeinden, die sich für ein LoRaWAN Funknetz entscheiden, erhalten die Funkinfrastruktur, die sogenannten Gateways, kostenlos.
Die Bahnhofsuhr "schaut" Unitymedia
Die gute alte Bahnhofsuhr. Optisch unverändert, innerlich mit LoRa-WAN Empfänger und WiFi-Detektor oder DFC77-Empfänger.
Foto: Henning Gajek / Teltarif.de
Einen ersten Partner stellte das Unternehmen auf der Messe Angacom in Köln vor: Die Deutsche Bahn. Sie rüstet ihre Bahnhofsuhren mit LoRaWAN aus. Und das schöne: Die Uhr sieht aus wie früher, wird aber intelligenter. Die Deutsche Bahn hatte überlegt, die Bahnhofsuhren abzuschaffen, da die allermeisten Fahrgäste sowieso ein Handy oder eine Armbanduhr dabei haben, die Uhr sei "identitätsstiftend".
Im Innern einer heutigen Uhr ist oft ein DCF77-Empfänger (DCF77 ist der amtliche Zeitzeichensender in der Nähe von Frankfurt) oder das Zeitsignal wird über eine Signalleitung zur Uhr geliefert. Künftig sollen die Uhren mit LoRaWAN versorgt werden. Ein "WiFi-Detector" lauscht nach Aktivitäten auf WiFi-Frequenzen. Ist dort mehr los als üblich, kann man daraus den Schluss ziehen, dass auf dem Bahnhof mehr los ist (vielleicht ist in der Nähe ein Rockkonzert?) und mal nach dem Rechten schauen (Papierkörbe leeren?).
Dass die allgemein genehmigten Frequenzen "überlastet" sein könnten, sieht man bei der Bahn nicht. Der sogenannte Duty Cycle beträgt ein Prozent, d.h. die Sender dürfen nur ein Prozent einer bestimmten Zeitspanne aktiv senden. Wenn auf einem Bahnhof die Uhr "kein Netz" hat, kann mit einfachen und preiswerten Gateways Abhilfe geschaffen werden. 5G könnte irgendwann Abhilfe schaffen, "LoRaWAN gibts heute schon und es ist preiswert".
Selbst die Bahn könne auf ihren Bahnhöfen keine komplette Funkversorgung durchsetzen, die Netzbetreiber würden sofort über hohe Baukosten jammern. Für die aktuell im Mainz diskutierten 6 Milliarden Euro ließe sich ein flächendeckendes LoRaWAN-Netz bauen. Man geht bei Unitymedia und der Deutschen Bahn von einer Koexistenz der verschiedenen Techniken aus.
Wer ist Unitymedia?
Unitymedia hat seinen Hauptsitz in Köln ist derzeit noch eine Tochter der Liberty Global. Neben der Vodafone-Kabel-Deutschland ist Unitymedia (wozu auch die ehemalige Kabel-BW gehört) einer der größeren Kabelnetzbetreiber in Deutschland. Das Unternehmen erreicht in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg insgesamt 13,1 Millionen Haushalte über seine Breitbandkabel-Dienste. Neben klassischem Kabel-TV wird sogenanntes „Triple-Play“ angeboten, also digitales Kabelfernsehen, Breitband-Internet und Telefonie. Zum 31. März 2019 hatte Unitymedia 7,2 Millionen Kunden, die 6,3 Millionen TV-Abonnements und 3,6 Millionen Internet- sowie 3,4 Millionen Telefonie-Abos (RGUs) bezogen haben.