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Internet: Russland errichtet sein eigenes Internet

Präsident Wladimir Putin unterzeichnete ein entsprechendes Gesetz. Kritiker befürchten Zensur und Isolation Russlands.
Von Wolfgang Korne mit Material von dpa

Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste
picture alliance/Alexander Zemlianichenko/AP/dpa
Russ­land bekommt ein eigen­stän­diges Internet. Präsi­dent Wladimir Putin unter­zeich­nete ein entspre­chendes Gesetz, das die Regie­rung gestern veröf­fent­lichte. Demnach soll der russi­sche Inter­net­ver­kehr künftig über Server im eigenen Land gelenkt werden. Damit solle bei einem Ausfall oder einem großen Cyber­an­griff durch ein anderes Land das Internet unab­hängig sein und weiter funk­tio­nieren, hatten Regie­rung und Parla­ment argu­men­tiert. Das umstrit­tene Gesetz soll zum 1. November in Kraft treten.

Inter­net­frei­heit in Gefahr

Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste
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Bis zu einem gewissen Punkt kann man der Argu­men­ta­tion sogar folgen. Seekabel etwa sind empfind­lich und können durch Anker leicht beschä­digt werden. Zudem gab es bereits Ende letzten Jahres Gerüchte, dass die USA einen Cyber­an­griff auf Russ­land vorbe­reite. Eine Tren­nung des russi­schen Netzes vom übrigen, von ameri­ka­ni­schen Servern beherrschten Web, könnte eine solche Gefahr verrin­gern.

Aller­dings: Viel höher scheint die Gefahr, dass die Frei­heit im Netz einge­schränkt wird. Viele Russen befürchten, dass ihr Land digital isoliert und vor allem Zensur und Über­wa­chung leichter möglich gemacht werden könnten. Es wäre nicht die erste Maßnahme hierfür. So hatte das Land bereits 2014 die Anony­mität von Blog­gern aufge­hoben. Wer mehr als 3000 Leser hatte, wurde als Medium einge­stuft und musste sich regis­trieren lassen. 2016 wurde eine, wenn auch von den Provi­dern bisher nicht umge­setzte, Vorrats­da­ten­spei­che­rung einge­führt. Der russi­sche Geheim­dienst FSB sollte dabei auch etwaige Verschlüs­se­lungs­codes erhalten und die Möglich­keit zur Einsicht der Daten bekommen, auch ohne rich­ter­li­chen Beschluss. Und zuletzt waren Gesetze verab­schiedet worden, die hohe Geld­strafen oder sogar Arrest für die Verbrei­tung falscher Infor­ma­tionen im Internet vorsehen.

Bedenken zurück­ge­wiesen

Die Bedenken der Inter­netak­ti­visten waren vom Gesetz­geber aber als unbe­gründet zurück­ge­wiesen worden. Auch im Parla­ment gab es nur weniger Kritiker. Die Duma hatte das Vorhaben in drei Lesungen gebil­ligt. Danach wurde es dem Föde­ra­ti­onsrat, dem Ober­haus des Parla­ments, vorlegt. Für Internet-Nutzer dürfte es künftig schwerer werden, Beschrän­kungen der Behörden zu umgehen. Die Medi­en­auf­sichts­be­hörde Rosk­om­nadsor bekommt mehr Möglich­keiten, in den Internet-Verkehr einzu­greifen.

Anfang März hatten in Russ­land Tausende Menschen gegen das Gesetz demons­triert. In der Kritik standen auch die Kosten. Wie die Moscow Times vorrechnet, soll der Aufbau des natio­nalen Inter­nets umge­rechnet etwa 360 Mio. Euro kosten, der jähr­liche Betrieb mit 1,68 Mrd. Euro zu Buche schlagen.

Die Einfüh­rung eines natio­nalen Inter­nets ist eine Mammut­auf­gabe und Russ­land ist bereits an klei­neren Projekten geschei­tert. Etwa am Versuch, vor rund einem Jahr den Messenger-Dienst Tele­gram in Russ­land zu sperren. Die Nutzer waren einfach auf VPN-Dienste ausge­wi­chen.

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