Internet: Russland errichtet sein eigenes Internet
Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste
picture alliance/Alexander Zemlianichenko/AP/dpa
Russland bekommt ein eigenständiges Internet.
Präsident Wladimir Putin unterzeichnete ein entsprechendes Gesetz,
das die Regierung gestern veröffentlichte. Demnach soll der
russische Internetverkehr künftig über Server im eigenen Land gelenkt
werden. Damit solle bei einem Ausfall oder einem großen Cyberangriff
durch ein anderes Land das Internet unabhängig sein und weiter
funktionieren, hatten Regierung und Parlament argumentiert. Das
umstrittene Gesetz soll zum 1. November in Kraft treten.
Internetfreiheit in Gefahr
Die Pläne der russischen Regierung stoßen auf massive Proteste
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Bis zu einem gewissen Punkt kann man der Argumentation sogar folgen. Seekabel etwa sind empfindlich und können durch Anker leicht beschädigt werden. Zudem gab es bereits Ende letzten Jahres Gerüchte, dass die USA einen Cyberangriff auf Russland vorbereite. Eine Trennung des russischen Netzes vom übrigen, von amerikanischen Servern beherrschten Web, könnte eine solche Gefahr verringern.
Allerdings: Viel höher scheint die Gefahr, dass die Freiheit im Netz eingeschränkt wird. Viele Russen befürchten, dass ihr Land digital isoliert und vor allem Zensur und Überwachung leichter möglich gemacht werden könnten. Es wäre nicht die erste Maßnahme hierfür. So hatte das Land bereits 2014 die Anonymität von Bloggern aufgehoben. Wer mehr als 3000 Leser hatte, wurde als Medium eingestuft und musste sich registrieren lassen. 2016 wurde eine, wenn auch von den Providern bisher nicht umgesetzte, Vorratsdatenspeicherung eingeführt. Der russische Geheimdienst FSB sollte dabei auch etwaige Verschlüsselungscodes erhalten und die Möglichkeit zur Einsicht der Daten bekommen, auch ohne richterlichen Beschluss. Und zuletzt waren Gesetze verabschiedet worden, die hohe Geldstrafen oder sogar Arrest für die Verbreitung falscher Informationen im Internet vorsehen.
Bedenken zurückgewiesen
Die Bedenken der Internetaktivisten waren vom Gesetzgeber aber als unbegründet zurückgewiesen worden. Auch im Parlament gab es nur weniger Kritiker. Die Duma hatte das Vorhaben in drei Lesungen gebilligt. Danach wurde es dem Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments, vorlegt. Für Internet-Nutzer dürfte es künftig schwerer werden, Beschränkungen der Behörden zu umgehen. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor bekommt mehr Möglichkeiten, in den Internet-Verkehr einzugreifen.
Anfang März hatten in Russland Tausende Menschen gegen das Gesetz demonstriert. In der Kritik standen auch die Kosten. Wie die Moscow Times vorrechnet, soll der Aufbau des nationalen Internets umgerechnet etwa 360 Mio. Euro kosten, der jährliche Betrieb mit 1,68 Mrd. Euro zu Buche schlagen.
Die Einführung eines nationalen Internets ist eine Mammutaufgabe und Russland ist bereits an kleineren Projekten gescheitert. Etwa am Versuch, vor rund einem Jahr den Messenger-Dienst Telegram in Russland zu sperren. Die Nutzer waren einfach auf VPN-Dienste ausgewichen.