"Digital First" beim HR: TV nur noch als Zweitverwertung
Radikaler Umbau beim Hessischen Rundfunk
Foto: hr/hessenschau.de
Der Hessische Rundfunk (hr) steht vor einem radikalen Umbau, der auch Vorbild für andere ARD-Anstalten sein könnte. Bei einer Strategie-Klausur wurde die Richtung, in die der öffentlich-rechtliche Sender gehen soll, beschlossen und in der vergangenen Woche auch den ersten Mitarbeitern präsentiert.
"Wir richten den HR für die digitale Zukunft aus, indem wir uns noch stärker an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer orientieren und auf jüngere Zielgruppe konzentrieren", sagte Intendant Manfred Krupp laut einem Bericht des Magazins "DWDL" vor Mitarbeitern. Der Schwerpunkt könne nicht mehr länger allein auf älteren Zielgruppen liegen. Fernsehdirektorin Gabriele Holzner: "Wenn ich die Älteren im Blick habe, sammle ich in aller Regel die Jüngeren nicht ein, umgekehrt geht das dagegen schon".
Lineares Fernsehen soll nur noch Zweitverwertungs-Bühne sein
Radikaler Umbau beim Hessischen Rundfunk
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Da man die angepeilten jüngeren Zielgruppen zunehmend on demand und nicht mehr klassisch im linearen Fernsehen erreicht, wolle man neue Produkte konsequent für die zeitunabhängige Internet-Ausspielung entwickeln. "Weg von der linearen Fernseh- hin zu einer Videostrategie", erläutert die Fernsehdirektorin. Das Fernsehen wäre für solche Formate dann nur noch eine Zweitverwertungs-Bühne. Viele bisher bekannte Fernsehformate wie das "hessenquiz" sollen wegfallen, da sie nicht mehr zeitgemäß sind.
Um bei der linearen Verbreitung Geld zu sparen, wolle man auf einen zeitnahen Abschaltung der SD-Verbreitung drängen, sofern die KEF dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach 2020 dafür ohnehin kein Geld mehr zuerkennt. Auf der Fachmesse Anga Com im Juni hieß es, dass die ARD das zweite Halbjahr 2020 für die Abschaltung in Standardqualität über Satellit anpeilt.
Der hr bringe laut DWDL zudem eine "Zusammenschaltung von Sendestrecken" zu Randzeiten ins Gespräch. Es stelle sich die Frage, ob jedes Dritte ein 24-Stunden-Programm mit Inhalten, die über weite Strecken gar nicht regional sind, bestreiten und dieses deutschlandweit verbreiten müsse.
Großer Umbau auch beim Hörfunk
Einen großen Umbau soll es auch beim Hörfunk geben. Hier reagiert der hr auf dramatische Hörerverluste in der aktuellen Media Analyse vor allem beim analogen UKW-Empfang, heißt es im Magazin "Infodigital".
Die bisherige Kulturwelle hr2-Kultur soll unter dem Namen "hr2-Klassik" in eine durchhörbare Welle vorrangig mit klassischer Musik umgebaut werden. Die bisherigen wortorientierten Elemente sollen entweder ins Nachrichtenradio hr-info wandern oder sogar nur noch non-linear als Podcast über Internet und App verbreitet werden. Betroffen sein könnten hiervon unter anderem auch Hörspiele und Features.
Bei der älteren Popwelle hr1 und der Oldie-/Schlagerwelle hr4 wolle man Investitionen auf den Prüfstand stellen, ergänzt "DWDL", konsequent stärken wolle man hr3 als jüngere Popwelle und "klares Flaggschiff der Hörfunkflotte". Die Jugendwelle YouFM spiele künftig eine "herausragende Rolle, die junge Zielgruppe mit Angeboten des hr zu erreichen". Geprüft werde hier eine "digitale Weiterentwicklung", die über den klassischen Radiobegriff hinausgeht. In jedem Fall soll das Smartphone künftig Dreh- und Angelpunkt für die You FM-Hörer werden. Über die App bekommen sie dann neben dem linearen Programm und diversen Stream-Ablegern auch Video- und Audio-on-Demand-Formate sowie jede Menge Interaktion. Vor kurzem hat es einen ähnlichen Umbau bei der rbb-Jugendwelle Fritz gegeben.
Allgemein gehe es darum, die Gesellschaft besser in ihrer Diversität abzubilden. Generell wolle man sich hier lieber auf weniger, aber erfolgversprechende Produkte konzentrieren, heißt es vomn hr.