Hasskommentare

Gesetz gegen Hass im Netz: Warum ist das Maas-Gesetz so umstritten?

Dass Hass und Hetze im Internet bekämpft werden müssen, darin sind sich wohl alle einig. Die Koalition will noch vor der Sommerpause ihr Hate-Speech-Gesetz durchsetzen. Aber die Kritik ist enorm, selbst aus den eigenen Reihen. Warum eigentlich?
Von dpa / David Rist

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verfolgt am 19.05.2017 im Bundestag in Berlin die Debatte. Der Gesetzentwurf von Heiko Maas sorgt derzeit für viel Kritik
Bild: dpa
Jetzt soll es ganz schnell gehen: Justiz­minister Heiko Maas (SPD) will sein umstrittenes Gesetz gegen Hass im Netz noch in den nächsten Wochen umsetzen. Am Freitag wurde der Entwurf erstmals im Bundes­tag debattiert. Warum schlägt ihm soviel Kritik entgegen?

Worum geht es in dem geplanten Gesetz?

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verfolgt am 19.05.2017 im Bundestag in Berlin die Debatte. Der Gesetzentwurf von Heiko Maas sorgt derzeit für viel Kritik
Bild: dpa
Maas will die Netz­werke zwingen, Hass und Hetze im Internet schneller zu entfernen. Damit soll das geltende Recht aus dem Tele­medien­gesetz konsequenter durch­gesetzt werden. Facebook, Twitter und Co. bekommen Lösch­fristen aufgebrummt, offen­kundig straf­bare Inhalte sollen binnen 24 Stunden gelöscht werden. In komplizierteren Fällen bleiben sieben Tage Zeit. Auch müssen die Unter­nehmen künftig einen Ansprech­partner in Deutschland benennen, an den sich Bürger und Behörden richten können. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro.

Der Gegenwind ist enorm, auch vom Koalitions­partner, warum?

"Die Kritik ist selten so einhellig wie in diesem Fall", sagt Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Das Gesetz löse keine Probleme, sondern schaffe neue. So warnen die Kritiker - darunter Wirtschafts­verbände, Netz­aktivisten, Journalisten, NGO's, Juristen und selbst Koalitions­politiker - vor einer Bedrohung der Meinungs­freiheit und vor einer Privatisierung der Rechts­durchsetzung. Bayerns Wirtschafts­ministerin Ilse Aigner (CSU) sagt: "Ich kann nicht erkennen, was beispiels­weise Facebook dafür qualifiziert, Inhalte darauf­hin zu über­prüfen, ob sie rechts­widrig sind."

Zudem fürchten viele, dass aufgrund der knappen Fristen und hohen Strafen, Inhalte vorschnell entfernt werden. "Gründlich­keit muss vor Schnellig­keit gehen", warnte Alexander Rabe vom Verband für Internet­wirtschaft eco. Es sei nicht richtig, Dinge im Zweifel schneller zu löschen, als sie juristisch sauber zu prüfen.

Wurde denn inzwischen nach­justiert?

Ja, in einigen Bereichen. Eine Änderung - allerdings nur in der Gesetzes­begründung - stellt klar, dass die Straf­kosten nur verhängt werden, wenn soziale Netz­werke "kein taugliches Verfahren" zur Löschung der Inhalte einrichten. "Die Bußgelder drohen dann, wenn es ein systematisches Versagen der Netz­werke gibt", betont Maas. Zudem wurden die Anwendungs­bereiche präzisiert: Auf Mail­dienste wie gmx und Web.de, auf berufliche Netz­werke wie LinkedIn und Xing und auf Dienste wie WhatsApp ist das Gesetz nicht anwendbar.

Was genau bemängeln Rechts­experten?

Der Bitkom verweist auf zwei Rechts­gutachten, die im Auftrag des Digital­verbands erstellt wurden. Diese seien zum Ergebnis gekommen, dass der Entwurf gegen das Grund­gesetz verstoße und europa­rechts­widrig sei. Aus verfassungs­rechtlicher Sicht wiege am schwersten, dass die kurzen Lösch­fristen die Meinungs­frei­heit beeinträchtigen. Aus europa­rechtlicher Sicht ist laut dem Gutachter Gerald Spindler von der Universität Göttingen problematisch, dass die Regeln nicht nur auf in Deutschland ansässige Provider, sondern auch auf Anbieter in der EU und darüber hinaus ausgedehnt werden sollen. Das wider­spreche dem Ursprungs­land­prinzip der E-Commerce-Richtlinie.

Kann das Regel­werk denn seitens der EU ausgebremst werden?

Ja, bis Ende Juni läuft noch das sogenannte Notifizierungs­verfahren bei der Europäischen Kommission. Diese prüft, ob das Gesetz mit dem EU-Recht vereinbar ist. Erst wenn diese drei­monatige sogenannte Still­halte­frist verstreicht, ohne dass die EU Einspruch erhebt, darf das Gesetz in Kraft treten.

Gleichwohl hat es den Anschein, als würde das Gesetz in einem Hau-Ruck-Verfahren durch­gesetzt?

Genau das verärgert viele. "Der Einsatz gegen Hass­rede und Kriminalität im Netz ist zu wichtig, als dass er mit einem über­hasteten und hand­werklich schlechten Gesetz geführt werden kann, das vor den Gerichten keinen Bestand hätte", sagt Bernhard Rohleder vom Branchen­verband Bitkom. Und Netz­aktivist und Blogger Sascha Lobo kritisierte in der taz die Herangehens­weise in der großen Koalition "20 Minuten vor der Bundes­tags­wahl".

Der Streit­punkt ist, was die beste Vorgehens­weise gegen den Hass ist. Für Markus Beckedahl von Netzpolitik.org ist massives Löschen nicht der richtige Weg. Die Hater lernten, sich so zu artikulieren, dass ihre Posts nicht offensichtlich rechts­widrig sind. "Das löst aber nicht das Problem." Statt­dessen sollten sie schneller vor Gericht gestellt werden: "Das ist die bessere Form der Abschreckung."

Erst Mitte März wurde bekannt, dass Bundesjustizminister Heiko Maas Facebook & Co. zur Löschung von Hass­kommentaren per Gesetz verpflichten will.

Mehr zum Thema Bundesregierung