Joint Venture

Joint Venture: Telekom & EWE starten "Glasfaser Nordwest"

Nach zwei Jahren Vorlauf- und Geneh­migungs­zeit ist die Glas­faser Nord­west von Telekom und EWE AG gestartet. Erste FTTH-Anschlüsse sollen im Herbst laufen.
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Lange hat es gedauert, fast zwei Jahre von der Absichts­erklä­rung bis hin zur Frei­gabe durch das Kartellamt: Die Glas­faser Nord­west, das gemein­same Unter­nehmen ("Joint Venture") von Telekom Deutsch­land und der EWE AG ist nun offi­ziell in Olden­burg i.O. (Nieder­sachsen) gestartet. Beide Mütter halten daran jeweils 50 Prozent Anteile.

Ziel des Unter­nehmens ist der Ausbau von Glas­faser bis in die Wohnung (FTTH) oder das Gebäude (FTTB), was für die einzelnen Unter­nehmen alleine viel zu teuer und risi­koreich gewesen wäre. Das Joint-Venture erlaubt mehr Wett­bewerb für die Kunden. "Das schafft ein einzelner für ganz Deutsch­land nicht", betonte Telekom-Deutsch­land-Chef Dirk Wössner gegen­über Jour­nalisten.

Das letzte Jahr sei mit der Geneh­migung gut ausge­gangen, "nun nehmen wir den Spaten in die Hand und fangen aus auszu­bauen." Mit der EWE habe man "einen der ganz großen" Anbieter in Deutsch­land ins Boot geholt. Stefan Dohler, Geschäfts­führer der EWE AG, lobte die Telekom, die teil­weise über ihren Schatten gesprungen sei und es fühle sich gut an, hier das Land voran­zubringen.

Nach­haltige Infra­struktur bauen

Das Ausbaugebiet der Glasfaser Nordwest reicht von Paderborn bis zur Nordseeküste und kurz vor Hamburg Das Ausbaugebiet der Glasfaser Nordwest reicht von Paderborn bis zur Nordseeküste und kurz vor Hamburg
Grafik: Glasfaser Nordwest
Um nach­haltige Infra­struktur für Deutsch­land bauen zu können, passe die Glas­faser Nord­west hervor­ragend in Telekom-Ausbau­stra­tegie, betont Wössner, es ist die "größte Firmen­grün­dung in Deutsch­land für den Glas­faser­ausbau" Die Nach­frage nach "hoch­bitfä­higen" Verbin­dungen steigt konti­nuier­lich. Da stößt die vorhan­dene Infra­struktur an ihre Grenzen. Stei­gende Tief­baupreise erschweren den Ausbau, gemeinsam könnten zwei starke Partner mehr errei­chen, z.B. durch Nutzung von Syner­gieef­fekten in den eigenen Bestands­netzen oder durch Austausch von Know How.

Dieses Vorhaben, so Telekom und EWE unisono, stehe "für die Kraft des Wett­bewerbs und den Geist der Koope­ration: Dafür brau­chen wir keine Regu­lierung. Der Markt bringt vernünf­tige Teil­nehmer dazu, mitein­ander zu fairen Kondi­tionen zu koope­rieren." Und die ist "auf Dauer ange­legt": In den nächsten 10 Jahren sollen 1,5 Millionen Haus­halte und Gewer­bebe­triebe erschlossen werden, dafür sollen rund zwei Milli­arden Euro inves­tiert werden. Zwar wollte Wössner keine Namen nennen, aber es soll weitere Koope­rati­onspro­jekte und Firmen­grün­dungen mit klei­neren Part­nern geben.

Wer kann bei der Glas­faser Nord­west einkaufen?

Künftig werden sowohl die Telekom, als auch EWE oder andere TK-Anbieter bei der Glas­faser Nord­west einkaufen und diese Lei(s)tungen dann ihren eigenen Kunden zur Verfü­gung stellen. Ein Endver­brau­cher oder einzelner Gewer­betrieb kann bei der neuen Firma direkt gar nichts kaufen. Er bestellt seinen Anschluss wie üblich bei einem Tele­kommu­nika­tions­anbieter seiner Wahl. Das können neben der Telekom oder der EWE auch andere Anbieter wie beispiels­weise Telefónica, 1&1 oder ein ganz anderes Unter­nehmen sein, das einen Einkaufs- und Belie­ferungs­vertrag mit der Glas­faser Nord­west abge­schlossen haben muss.

Damit wird eine Bedin­gung des Kartell­amtes erfüllt, das großen Wert darauf legte, dass auch Dritt­anbieter diskri­minie­rungs­frei ("Open Access") diese Leis­tungen bekommen können. Und - darauf legen Wössner und Dohler größten Wert - alle Käufer zahlen bei der Glas­faser Nord­west den glei­chen Preis, sowohl Telekom, als auch EWE oder Dritt­anbieter.

Nur im Nord­westen aktiv

Die Glasfaser Nordwest ist ein "50:50 Joint Venture" von Telekom Deutschland und EWE Die Glasfaser Nordwest ist ein "50:50 Joint Venture" von Telekom Deutschland und EWE
Grafik: Glasfaser Nordwest
Zu beachten ist, dass die Glas­faser Nord­west nur im Nord­westen Deutsch­lands aktiv ist, ein Endkunde aus Bayern oder ein nur dort tätiges TK-Unter­nehmen beispiels­weise kann bei der Glas­faser Nord­west nicht einkaufen.

Beim Ausbau des Nord­westens operiert das neue Unter­nehmen eigen­ständig, das von zwei Geschäfts­führern Chris­toph Meurer (EWE) und Oliver Prostak (Telekom) geleitet wird und aus zunächst etwa 35 Mitar­beite­rinnen und Mitar­beiter bestehen wird.

Ausbau nicht überall möglich

Glas­faser Nord­west wird den Ausbau "komplett ohne Förde­rung" also "eigen­wirt­schaft­lich" voran­bringen. Dadurch werden weniger Förder­mittel notwendig, es können auch mehr Verbrau­cher digital versorgt werden.

Aller­dings wird auch das neue Unter­nehmen nicht komplett flächen­deckend ausbauen können. Es bleiben weiter Sonder­fälle, die extrem dünn besie­delt sind, wo eine staat­liche Förde­rung trotzdem notwendig werden könnte. Für diese Projekte werden sich Telekom und EWE weiterhin im gegen­seitigen Wett­bewerb direkt bewerben.

Was wird geboten?

Die Glas­faser Nord­west wird als Stan­dard-Produkt Glas­faser-Anschlüsse bis ins Haus oder ins Gebäude mit einer Geschwin­digkeit von bis zu 1 Gigabit/s zur Verfü­gung stellen. Zu einem späteren Zeit­punkt sind auch höhere Geschwin­digkeiten denkbar, wenn es der Markt erfor­dert. Die Kunden-Endpreise legen Telekom, EWE oder der jewei­lige TK-Anbieter des Kunden selbst fest. Sie werden in dem Bereich liegen, "wie sie heute schon verlangt werden, nur, dass es jetzt Glas­faser statt Kupfer ist."

Wie kommt der Anschluss in die Regionen?

Auch bei der Glas­faser Nord­west wird es eine Vorver­mark­tung geben, die aber nicht von einem Unter­nehmen, sondern von allen Anbie­tern durch­geführt wird, die in einem Gebiet Anschlüsse verkaufen möchten. Es wird auch eine Mindest­abnah­memenge geben. Dafür beginnt der Ausbau, kurz nachdem die Vorver­mark­tung gestartet wurde.

Die Glas­faser Nord­west will dazu "komplett neue Prozesse" aufsetzen und diese in den Pilot­gebieten Belm und Clop­penburg austesten, die ersten Kunden werden dort ab Herbst 2020 ins Netz gehen können. Weitere Ausbau­gebiete befinden sich in den Orten Achim, Bremen, Bremer­haven, Delmen­horst, Emsdetten, Georgs­mari­enhütte, Olden­burg, Stade, Tostedt, Weyhe und Vechta, wobei eine detail­lierte Ausbau­ankün­digung nochmal je nach Ausbau­gebiet erfolgt. Vermark­tung und Ausbau sollen im Sommer oder Herbst 2020 beginnen. Weitere Orte werden folgen.

Vor dem Ausbau plant die Glas­faser Nord­west auch eigene Infor­mati­onsver­anstal­tungen, wie die frei­geschal­tete Home­page verrät. Darüber hinaus sollten Bewohner der Ausbau-Regionen auf Ankün­digungen der regional tätigen Tele­kommu­nika­tions­anbieter und in der örtli­chen Presse achten.

Wird die Telekom jetzt Mitglied im BREKO?

Ange­deutet wurde diese nicht ganz ernst­gemeinte Idee schon einmal. Die Satzung des BREKO nennt "Unter­nehmen im Wett­bewerb zur Telekom" als mögliche Mitglieder. Fakt ist, dass sich Telekom und BREKO auf gewissen Feldern immer mehr annä­hern und gleiche Ziele verfolgen, "es gibt aber beispiels­weise bei der Kupfer­leitung noch unter­schied­liche Ansichten", wie der bei der Tele­fonkon­ferenz anwe­sende BREKO-Präsi­dent Norbert Westfal auf Nach­frage von teltarif.de betonte.

Man darf gespannt sein, wie sich das Joint Venture entwi­ckelt und welche ähnli­chen Projekte im rest­lichen Bundes­gebiet reali­siert werden können. Dafür dürften die Geneh­migungs­hürden jetzt deut­lich nied­riger sein, weil im Nord­westen quasi eine Muster­zulas­sung durch­laufen wurde.

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