VATM sieht Glasfaser-Indoor-Streit gelassen
Jürgen Grützner, langjähriger Geschäftsführer des VATM sieht die Indoor-Problematik gelassen.
Foto: vatm.de
Die Indoor-Entscheidung der Bundesnetzagentur wurde von den auf Glasfaser konzentrierten Verbänden BREKO und Buglas heftig kritisiert (wir berichteten). Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) sieht die Lage durchaus "entspannter". Die Einschätzung von teltarif.de teilt auch der VATM. Somit sind Unternehmen, die FTTH ausbauen, also Glasfaser nicht nur bis ins Haus (FTTB), sondern bis in die Wohnung (Fiber to the Home = FTTH), nicht betroffen, denn sie nutzen die alte Kupferleitung nicht. Der Problemfall, so bestätigt es Jürgen Grützner vom VATM, "tritt nur ein, wenn in dem jeweiligen Gebäude ein Endkunde ein Vectoring-Produkt über die Telekom-Leitung bezieht, bevor dort ein anderer Anbieter sein FTTB-Angebot platziert, für das die gleiche Inhaus-Verkabelung genutzt werden soll."
Kommt darauf an, wer zuerst kommt
Jürgen Grützner, langjähriger Geschäftsführer des VATM sieht die Indoor-Problematik gelassen.
Foto: vatm.de
Wo der Glasfaseranbieter sein FTTB-Angebot zuerst einbringen könne, könne die Telekom nicht mit Vectoring nachziehen und die Glasfasernutzung nachträglich beschränken. Die BNetzA habe aufgrund der bestehenden Rechtslage nur Bestandskunden geschützt, die bereits ein Vectoring-Produkt der Telekom beziehen. Dass dies möglich ist und die Telekom dann Regelungen treffen darf, ist aufgrund des Gestattungsvertrages des Hauseigentümers zulässig.
Und auch aus dieser Falle gibt es einen Ausweg, denn der sogenannte "Gestattungsvertrag" kann vom Hauseigentümer meist in kurzer Zeit gekündigt werden und die Versorgung einem anderen, FTTB ausbauenden Unternehmen überlassen werden, schreibt der VATM. FTTB ausbauende Unternehmen würden zukünftig ohnehin entsprechende Verträge mit dem Hauseigentümer abschließen, um Planungssicherheit für die Investitionen zu schaffen.
Einschränkung nur bei nachgewiesener Störung
Damit überhaupt erst eine Beschränkung in der Nutzung der Endleitung für den FTTB-Anbieter in Betracht kommt, müsse die Telekom eine Störung einer tatsächlich bereits bestehenden Versorgung nachweisen. Potentielle Störungen reichten ebenso wenig wie Versorgungsleistungen unterhalb der Vectoring-Qualität, z. B. aufgrund langer Kupferleitungen gerade im ländlichen Bereich. Wo solche Störungen im Parallelbetrieb beider Unternehmen in der Praxis vorkommen, müssen FTTB-Anbieter auf der Inhouse-Kupferleitung auf einen Teil der Frequenznutzung verzichten.
Das führt nach Recherche der BNetzA zu einer Bandbreitenverringerung, im schlechtesten Fall bei den Vectoring-Produkten auf 125 bis 150 MBit/s, bei dem FTTB-Anbieter auf 400 bis 600 MBit/s, hat der VATM herausgefunden. Es gehe hier also nicht grundsätzlich um Glasfaser versus Vectoring. In vielen Fällen nutzen die Glasfaser ausbauenden Unternehmen nicht den Verteilerpunkt im Keller (APL) und die alte Kupferleitung im Haus, sondern bauen Glas bis zum Endkunden oder nutzen da, wo es möglich ist, die erheblich schnellere Koaxialleitung.
Verschiedene Lösungsansätze
Die Bundesnetzagentur habe auch deutlich gemacht, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, den Konfliktfall und das so genannte „Frequenzshaping“ zu vermeiden. Aus Sicht des VATM werde der Hauseigentümer in der Regel ein erhebliches Interesse daran haben, seinen Mietern einen möglichst guten Anschluss anzubieten. Der Eigentümer könne dies über den Gestattungsvertrag steuern.
Die BNetzA hat bereits angekündigt, dass der Beschluss keine „Ewigkeitsentscheidung“ sein kann und dass diese überprüft wird, wenn ein gestiegener Bandbreitenbedarf und -wunsch der Endkunden erkennbar ist. Entsprechend hat sie sich auch schon auf Twitter geäußert:
Zauberformel Voucher Lösung - TKG anpassen
Der VATM schlägt davor der Politik vor, auf die immer wieder ins Spiel gebrachte Voucher-Lösung zu setzen – nicht nur beim neuen NRW-Pilotprojekt, sondern in ganz Deutschland. Brüssel habe erst vor wenigen Tagen eine Voucher-Lösung für Griechenland genehmigt.
Grützner findet es "sehr bedauerlich, dass die Regulierungsbehörde für ganz besondere Konfliktfälle eine solche Regelung aufgrund des derzeitigen Telekommunikationsgesetzes (TKG) treffen musste, da darin die Gigabit-Ziele der Bundesregierung noch nicht verankert sind". Und weiter: Die Bundesregierung müsse dringend das TKG anpassen, damit eine klare Entscheidung der BNetzA in allen Konstellationen zugunsten von Gigabit-Anschlüssen möglich ist.
Was hier in wenigen Zeilen dargestellt ist, umfasst bei der Bundesnetzagentur etwa 570 Seiten für die "Teilentscheidung zum TAL-Standardangebot". Der VATM werde sich mit den Details noch beschäftigen.