Was ist eigentlich mit ...

Warten auf Galileo: Warum die GPS-Alternative aus Europa nach 10 Jahren immer noch nicht fertig ist

Finanzierungs­probleme, Strahlen­schäden und euro­päisches Kompetenz­gerangel: Ursprüng­lich war ein Start für 2008 ange­kündigt. Nun könnte zum Jahres­wechsel zumindest ein Teil­betrieb von Galileo beginnen.
Von Susanne Kirchhoff

Galileo Galileo Galileo: Das europäische Satelliten-System
Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet die EU am Aufbau ihres eigenen Satellitensystems für Positionsbestimmung und Navigation, Galileo. Einst als GPS-Konkurrenz geplant, ist das System bis heute nicht über den Testbetrieb hinaus­gekommen. Doch ein Teilbetrieb von Galileo könnte schon in diesem Jahr beginnen - falls sein Start nicht erneut verschoben wird.

Finanzen, Strahlen, Zuständigkeiten: Die vielen Feinde von Galileo

Galileo Galileo Galileo: Das europäische Satelliten-System
Ursprünglich war beabsichtigt, sowohl den Aufbau als auch den Betrieb von Galileo an ein Konsortium aus der freien Wirtschaft zu vergeben. Dieses sollte eine Konzession zum Betrieb des Satellitensystems erhalten und das Geld für die dadurch entstehenden Kosten selbst erwirtschaften. Die Suche nach einem Konzessionär blieb angesichts des nicht unerheblichen finanziellen Risikos allerdings erfolglos. In der Folge übernahm die EU selbst das Ruder (und die Finanzierung). Die Verantwortung für Aufbau und Betrieb wurde der Europäischen GNSS Agentur (GSA) zugewiesen. Billig war diese Entscheidung nicht: Allein bis 2013 wurden für die Entwicklung und den Systemaufbau der Infra­struktur von Galileo über fünf Milliarden Euro benötigt. Daher überrascht es nicht, dass jeder Entscheidung über die Zukunft von Galileo innerhalb der EU hitzige Debatten vorausgingen.

Ursprünglich sollte das System schon 2008 an den Start gehen, nun ist ein Teil­betrieb zum Jahres­beginn 2015 geplant, der Vollbetrieb hingegen frühestens ab 2018. Für den dazu notwendigen Ausbau und laufenden Betrieb bis 2020 sieht die EU weitere sieben Milliarden Euro vor.

Von den 30 geplanten Galileo-Satelliten wurden bislang sechs auf ihre Umlauf­bahn im All gebracht. Während der Entwicklungsphase fanden die ersten Satelliten Giove-A 2005 und Giove-B 2008 ihren Weg ins All. Giove-B fiel allerdings kurz nach seinem Start aufgrund hoher Weltraum­strahlung erst einmal aus. Weitere Satelliten-Starts folgten in den Jahren 2011 und 2012.

Container mit Galileo-Satelliten Ein Container mit zwei Galileo-Satelliten verlässt das Test-Zentrum der ESA in den Niederlanden.
Bild: ESA / Anneke Le Floc’h
Die Europäische Kommission gab im Frühjahr an, dass in diesem Jahr sechs weitere Galileo-Satelliten in die Umlaufbahn gebracht werden sollen, um den Teilbetrieb zu beginnen. Sie sollen jeweils paarweise mithilfe von Sojus-Raketen vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ins All kommen. Die Starts der Träger-Raketen waren für Juni, Oktober und Dezember angekündigt. Nun wurde der Termin für den ersten Satelliten-Start bereits wieder verschoben - auf August. Ob der weitere Plan für dieses Jahr eingehalten werden kann, ist offen.

Von der Konkurrenz aus China und Russland überholt

In der Zwischenzeit ist bereits ein alternatives Satelliten­system in den Vollbetrieb gegangen: GLONASS aus Russland hat wie GPS einen militärischen Ursprung. Im Jahr 2011 wurde es für die zivile Nutzung freigegeben. GLONASS besitzt heute eine Konstellation von mindestens 24 funktionsfähigen Satelliten, welche zum weltweiten Betrieb notwendig ist. Aktuelle Smartphones unterstützen meistens den GLONASS-Empfang. Dieser wird in der Regel allerdings vom Gerät nur dann ergänzend genutzt, wenn zu wenig GPS-Signale verfügbar sind.

Ebenfalls deutlich schneller als bei Galileo läuft der Ausbau des chinesischen Beidou-Systems. Dieser begann im Jahr 2007 mit dem Start des ersten Test-Satelliten. Aktuell befinden sich 16 der geplanten 35 Beidou-Satelliten im All, daher ist das System nur regional im asiatisch-pazifischen Raum verfügbar. Der weltweite Vollbetrieb ist eigentlich erst für 2020 geplant, doch Medienberichten zufolge kündigte die zuständige Behörde im Mai an, dass man schon 2017 fertig sein werde.

Offene Frage: Welche Endgeräte unterstützen überhaupt Galileo?

Herauszufinden, mit welchen Geräten Galileo überhaupt verwendet werden könnte, ist nicht einfach. So wirbt beispielsweise Chip-Hersteller Qualcomm damit, dass mehrere Prozessor-Systeme (SoC) aus Qualcomms Snapdragon-Reihe bereits den Empfang von Galileo und Beidou prinzipiell unterstützen. Dazu gehören der Snapdragon 800, der sich in Smartphones wie Google Nexus 5, LG G2, Nokia Lumia 930, Samsung Galaxy Note 3 und Sony Xperia Z1 findet, sowie der Snapdragon 801, der etwa im HTC One (M8), Samsung Galaxy S5 und Sony Xperia Z2 verbaut ist. Ob und inwieweit Smartphones mit einem Snapdragon 800 oder 801 gleich nach dem Start des Galileo-Teilbetriebs mit den Signalen arbeiten können, oder ob zusätzliche Firmware-Updates dazu notwendig sind, wollte das Unternehmen gegenüber teltarif.de aber nicht erklären.

GPS, Galileo, Glonass, Beidou: Komplementär, nicht alternativ

Verbreitet scheint mittlerweile die Einschätzung, dass Galileo (und auch Beidou) ebenso wie GLONASS eher eine ergänzende Rolle gegenüber dem US-amerikanischen GPS spielen werden als die einer kompletten System-Alternative. Insbesondere in engen Straßen­schluchten innerhalb von Großstädten kann die erweiterte Satelliten-Konstellation für einen zuverlässigeren Empfang sorgen.

Weitere Meldungen aus der Serie "Was ist eigentlich mit...?"