Abkassiert

Editorial: Teurer Poker

Telefónica muss nach der aktuellen Frequenzauktion mehr Frequenzen zurückgeben, als sie neu ersteigert hat. Kann das gutgehen? Und warum haben die anderen Netzbetreiber so viel für 1800 MHz geboten?
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Am Ende zog sich Telefónica zurück und reduzierte die Zahl ihrer Gebote deutlich. Danach war die Frequenzauktion dann recht bald beendet. 5,1 Milliarden Euro zahlen die drei Netzbetreiber somit für das Recht, insgesamt 270 MHz Bandbreite in den Bereichen um 700, 900, 1500 und 1800 MHz bis Ende 2033 zu nutzen. Die Zuteilungen erfolgen technologieneutral, das heißt, die Netzbetreiber können selber entscheiden, ob sie 2G/GSM, 3G/UMTS, 4G/LTE oder 5G darauf einsetzen.

"Alte" Frequenzen sind mehr wert

Analyse: Das sind die Folgen der Frequenzauktion für die Netzbetreiber. Analyse: Das sind die Folgen der Frequenzauktion für die Netzbetreiber.
Bild: dpa
Auffällig ist, dass die Netzbetreiber deutlich mehr Geld für die Verlängerung von Lizenzen in den bisher vor allem für GSM genutzten Frequenzbereichen um 900 und 1800 MHz ausgegeben haben als für neue Frequenzbereiche. "Nur" 1,5 Milliarden Euro und damit unter 30 Prozent der Gesamtsumme fließen in die zweite Digitale Dividende bei 700 MHz, das Spektrum um 1500 MHz und einen bisher ungenutzten Block (den so genannten DECT-Schutzabstand) am oberen Ende des Frequenzbereichs um 1800 MHz. Dabei waren über 40 Prozent des gesamten zur Auktion stehenden Frequenzpakets neue Frequenzen.

Grund für die relative Zurückhaltung der Netzbetreiber bei den neuen Frequenzen dürfte die unsichere Endgerätesituation sein: Bei 900 und 1800 MHz gibt es bereits unzählige Geräte im Markt, die diese Frequenzen unterstützen, nicht nur für GSM, sondern auch und gerade für 3G und 4G. Bei 700 MHz und noch viel stärker bei 1500 MHz muss sich erst zeigen, in wie vielen anderen Ländern diese Bänder ebenfalls für den Mobilfunk umgewidmet werden, und wie viele Endgeräte diese Bänder folglich künftig unterstützen werden. So werden beispielsweise auch in Europa Geräte verkauft, die kein LTE 800 unterstützen. Selbst das erste iPhone mit LTE-Unterstützung musste bei LTE 800 passen.

Probleme bei LTE auf 1500 MHz

Bei 1500 MHz kommt noch hinzu, dass es sich um ungepaarte Frequenzblöcke handelt, die nicht für das bei LTE in Europa bisher übliche FDD-Verfahren (Frequency Division Duplex) geeignet sind: Bei FDD werden für Up- und Downlink verschiedene, aber nahe beeinanderliegende Frequenzen verwendet. Alternativ könnte bei 1500 MHz das TDD-Verfahren (Time Division Duplex) zum Einsatz kommen: Hierbei senden Basisstation und Endgerät im Wechsel auf derselben Frequenz. Eine weitere Alternative ist SDL (Supplemental Down Link): Die Frequenzblöcke bei 1500 MHz würden dann als reiner Downlink eingesetzt, die einen Uplink-Kanal aus einem anderen Frequenzband (z.B. 800 MHz) mitbenutzen.

TDD hat einige Nachteile, insbesondere aufgrund der komplexeren Koordination zwischen Basisstation und Endgerät und der niedrigeren Gesamtbitrate (Up- und Downstream zusammengerechnet). Andererseits hat TDD bei einem hohen Downstream-Anteil (wie er bei Mediennutzung über das Internet üblich ist) Effizienz-Vorteile, da bei FDD der Upstream-Kanal meist deutlich schlechter ausgelastet ist als der Downstream-Kanal.

Ob TDD oder FDD besser ist, ist wahrscheinlich eine Glaubensfrage. Fakt ist, dass sich Endgeräte-Hersteller und Netzbetreiber bisher kaum an einen Mischbetrieb (Mixed Mode) von TDD und FDD wagen. SDL wäre daher eine echte Alternative, um auch ohne Mixed Mode endlich das ungepaarte Spektrum zu nutzen. SDL bringt dafür aber spezifische andere Probleme mit sich: Weil man auf den fremden Uplink-Kanal angewiesen ist, sind Endgeräte die aufgrund der spezifischen Empfangssituation nur den SDL-Kanal empfangen können, nicht aber den Basiskanal, faktisch im Funkloch. Werden zudem zwei (gepaarte) Blöcke LTE-800 mit vier (ungepaarten) Blöcken LTE-SDL-1500 kombiniert, liegt das (Funk-)Bandbreitenverhältnis von Down- zu Uplink bei 3:1. Da zudem die Effizienz im Uplink-Kanal geringer ist (pro MHz werden weniger MBit/s erreicht als im Downlink) könnte es dann ganz schnell eng auf dem Uplink werden. TDD/FDD Mixed Mode ist daher mit Sicherheit die flexiblere Lösung, aber technisch auch anspruchsvoller.

Ungepaartes Spektrum besitzen alle Netzbetreiber seit den Frequenzauktionen aus dem Jahr 2000 bei 2100 MHz und seit 2010 auch bei 2600 MHz. Es ist bisher jedoch bei allen Netzbetreibern so gut wie ungenutzt. Telefónica-Chef Thorsten Dirks hatte bereits im Vorfeld der Auktion gegenüber Journalisten erklärt, wie unsinnig es sei, hier weiteres Spektrum anzusammeln. In der Folge hielt sich Telefónica bei den Geboten um die Blöcke im Bereich um 1500 MHz komplett heraus.

Selbst, wenn künftig TDD oder SDL tatsächlich verstärkt eingesetzt werden wird, steht Telefónica aber nicht mit leeren Händen da: Bei 2100 MHz verfügt sie über fünf Blöcke TDD-Spektrum, während dort Deutsche Telekom und Vodafone nur über jeweils einen Block verfügen. Indem letztere nun vier Blöcke bei 1500 MHz nachkaufen, verringern sich die Unterschiede der Ausstattung der Netzbetreiber mit ungepaarten Frequenzen. Sollte Mixed Mode TDD/FDD und/oder SDL in den kommenden Jahren tatsächlich üblich werden, steht zumindest anfangs dem möglichen Nachteil der geringeren Reichweite der Signale bei 2100 MHz gegenüber 1500 MHz wahrscheinlich der Vorteil der breiteren Endgeräte-Unterstützung für 2100 MHz gegenüber.

1800 MHz schlagen 900 MHz

Während aus den vorgenannten Gründen verständlich ist, dass die "alten" Frequenzbänder höhere Preise erzielten als die "neuen", gibt es an anderer Stelle eine echte Überraschung: Für Blöcke im Bereich um 1800 MHz wurde deutlich mehr bezahlt als für Blöcke im Bereich 900 MHz! Haben wir nicht bisher alle gelernt, dass "D" besser ist als "E", dass 900 MHz höhere Reichweiten und somit auch höhere Netzabdeckung zulässt als 1800 MHz? Bei der Auktion 2010 waren die Bänder im Bereich um 1800 MHz für knapp über oder unter 20 Millionen Euro pro Block versteigert worden - weniger als ein Zehntel des Preises, der dieses Mal aufgerufen wurde!

Auch die Bundesnetzagentur sah die Frequenzen um 900 MHz als wertvoller an und setzte für diese ein doppelt so hohes Mindestgebot fest wie für 1800 MHz. Doch Bietrunde für Bietrunde näherten sich die Preise für einen Block um 1800 MHz denen für 900 MHz an und überholten letztere schließlich.

Woher kommt das Wettbieten bei 1800 MHz? Und wie wird Telefónica damit klarkommen, bei 1800 MHz zahlreiche Blöcke zurückgeben zu müssen? Lesen Sie weiter auf Seite 2 dieses Editorials.

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