EuGH-Urteil

EuGH-Urteil: Amazon muss nicht telefonisch erreichbar sein

Deut­sche Verbrau­cher­schützer waren der Ansicht, dass ein Handels­unter­nehmen per Telefon und Fax erreichbar sein müsste und zogen vor Gericht. Der euro­päische Gerichtshof hat heute geur­teilt, anders als gedacht.
Von mit Material von dpa

Der Handelskonzern Amazon muss nicht unbedingt eine Telefonnummer bekannt geben, um erreichbar zu sein. Der Handelskonzern Amazon muss nicht unbedingt eine Telefonnummer bekannt geben, um erreichbar zu sein.
Foto: Picture Alliance / dpa
Müssen Internet-Händler per Telefon und Fax erreichbar sein? Nach Ansicht von Verbrau­cher­schüt­zern in Deutsch­land sollte das so sein. Viele Firmen wie die Deut­sche Telekom haben die Erreich­barkeit per Fax längst aufge­geben oder stark einge­schränkt.

Nur im juris­tischen Bereich wird das Fax noch gerne verwendet, weil das Fax nach bishe­riger Rechts­spre­chung als "rechts­sicher zuge­stellt" gilt. Nur stehen in vielen Büros längst keine Faxge­räte mehr, sondern höchs­tens noch Fax-Modems oder man greift auf die zahl­reichen Mail-2-Fax- oder Fax-2-Mail-Ange­bote (z.b. von T-Online, GMX oder anderen Anbie­tern) zurück. Dabei werden ankom­mende Faxe auto­matisch in eine PDF-Datei umge­wandelt und per E-Mail zuge­stellt. Verschickt werden kann ein Fax hingegen dadurch, dass eine E-Mail mit Anhang an eine spezi­elle aus der Faxnummer gebil­deten E-Mail-Adresse geschickt wird. Bei T-Online wäre das Faxnummer @fax.t-online.de. Das funk­tioniert aber nur, wenn die Mail vom eigenen T-Online-Konto abge­schickt und eine Bezahl­möglich­keit (beispiels­weise über die Tele­fonrech­nung) hinter­legt ist.

Wie müssen die Firmen erreichbar sein?

Der Handelskonzern Amazon muss nicht unbedingt eine Telefonnummer bekannt geben, um erreichbar zu sein. Der Handelskonzern Amazon muss nicht unbedingt eine Telefonnummer bekannt geben, um erreichbar zu sein.
Foto: Picture Alliance / dpa
Muss es per Telefon und/oder Fax sein? Diese Frage lag dem Euro­päischen Gerichtshof (EuGH) zur Entschei­dung vor. Das Urteil (Rechts­sache C-649/17) wurde heute Morgen in Luxem­burg gefällt: Online-Händler wie der US-Riese Amazon müssen für Verbrau­cher nicht unbe­dingt per Telefon erreichbar sein. Sie müssen aller­dings ein Kommu­nika­tions­mittel bereit­stellen, über das sie schnell kontak­tierbar sind und effi­zient kommu­nizieren können.

Hinter­grund des Falls war eine Klage des Bundes­verbandes der Verbrau­cher­zentralen gegen den Versand-Händler Amazon in Deutsch­land. Die Verbrau­cher­schützer bemän­gelten, dass der Händler nicht ausrei­chend über Erreich­barkeiten per Telefon infor­miert habe, eine Fax-Nummer werde gar nicht ange­geben.

Die obersten Richter in der Euro­päischen Union erklärten nun, dass Unter­nehmen nicht verpflichtet seien, einen Tele­fonan­schluss oder ein E-Mail-Konto neu einzu­richten, damit Verbrau­cher stets mit ihnen in Kontakt treten könnten. Firmen könnten auch andere Wege nutzen, etwa elek­troni­sche Kontakt­formu­lare, Internet-Chats oder ein Rück­rufsystem. Die Infor­mationen dazu müssten Kunden aber klar und verständ­lich zugäng­lich gemacht werden.

Die Vorge­schichte

Schon in den Vorin­stanzen waren die Verbrau­cher­schützer mit ihrem Anliegen geschei­tert. Ein Gutachter am EuGH hatte argu­mentiert, eine Online-Platt­form wie Amazon könne nicht verpflichtet werden, dem Verbrau­cher eine Tele­fonnummer zur Verfü­gung zu stellen. Aller­dings müssten eine schnelle Kontakt­aufnahme und eine effi­ziente Kommu­nika­tion garan­tiert werden. Die Infos darüber müssten klar und deut­lich mitge­teilt werden. Diesem Tenor folgte das Gericht.

"Im deut­schen Verbrau­cher­recht ist die Angabe einer Tele­fonnummer bisher - jeden­falls nach dem Wort­laut der entspre­chenden Vorschrift - Pflicht", sagte Heiko Dünkel vom Verbrau­cher­zentrale Bundes­verband. "Im Ausgangs­fall hatte der Versand­händler Amazon seinen Kunden zwar einen Rück­rufser­vice und einen Chat ange­boten. Eine direkte Anruf­möglich­keit war aller­dings nicht auf den ersten Blick zu finden. Verbrau­cher mussten sich viel­mehr mühsam bis zu einer Rufnummer durch­klicken."

Die Hotline-Nummer im Eigen­versuch

Ein Eigen­versuch auf www.amazon.de führte schnell zu FAQs mit typi­schen Fragen zu aktu­ellen Bestel­lungen. Eine Tele­fonnummer von Amazon findet man schneller mit Google, sie lautet 0800-3638469 (ohne Gewähr!). Bevor man aber einfach dort anruft, sollte man sich besser durch den umfang­reichen Hilfe­bereich von Amazon durch­klicken und dort das Problem so präzise wie möglich eingrenzen, das ist die schnel­lere Methode. Gerade inter­natio­nale Konzerne sind nicht in jedem Land glei­cher­maßen präsent, es kann also sein, dass man Telefon eine(n) Mitar­beiter/in erwischt, der/die in einem anderen Sprach­raum aufge­wachsen ist. Das kann zu zeit­raubenden Miss­verständ­nissen führen.

Hilf­reich kann es auch sein, vorher das "Problem" einem Bekannten, der mit Internet wenig zu tun hat, zu erklären. Wenn der/die es verstanden hat, sind die Chance gut, es auch dem Unter­nehmen erklären zu können, damit es eine zufrieden stel­lende Lösung gibt.

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