Themenspezial: Verbraucher & Service Datenskandal

Facebook-Skandal: Datenschützer sehen Mitverantwortung bei Netzwerk

Der jüngste Skandal um millionenfach ausspionierte Facebook-Profile weitet sich mehr und mehr aus. Doch die Schuld soll nicht nur bei der Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica allein liegen. Datenschützer kritisieren auch das soziale Netzwerk.
Von dpa / Dominik Haag

Facebook-Icon Facebook steht im Kreuzfeuer der Kritik.
dpa
Facebook schlittert in eine schwere Krise nach dem Skandal um den massiven Missbrauch von Nutzer-Informationen durch die Datenanalyse-Firma des Wahlkampfteams von Donald Trump. Rufe nach mehr staatlicher Aufsicht über Online-Plattformen werden lauter. Die Aktie fiel um rund sieben Prozent und löschte über 35 Milliarden Dollar Börsenwert aus. Gründer und Chef Mark Zuckerberg und seine rechte Hand Sheryl Sandberg würden sich erst zu dem Fall äußern, wenn interne Untersuchungen abgeschlossen seien, berichtete der Finanzdienst Bloomberg. Mittlerweile erklärte das Unternehmen, wie entsetzt es sei und sich vor allem selber in der Opferrolle.

Nutzerdaten unter falschen Voraussetzungen erfragt

Facebook-Icon Facebook steht im Kreuzfeuer der Kritik.
dpa
Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica illegal an einige Informationen von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern gekommen war. Um sie zu sammeln, hatte ein Professor eine Umfrage zu Persönlichkeits-Merkmalen aufgesetzt, die bei Facebook als wissenschaftliche Forschung angemeldet wurde. Die Daten gingen dann ohne Wissen der Nutzer an Cambridge Analytica. Facebook sperrte die Analyse-Firma aus, weil sie die unrechtmäßig erhaltenen Nutzerdaten entgegen früheren Zusicherungen nicht gelöscht habe. Allerdings zeigen sich Politiker entsetzt, dass es für Cambridge Analytica überhaupt möglich war, leicht nicht nur an Informationen der Nutzer zu kommen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, sondern auch von deren Freunden. Die britische Datenschutzbehörde beantragte einen Durchsuchungsbefehl für die Londoner Zentrale von Cambridge Analytica. Die Firma habe innerhalb einer gesetzten Frist nicht auf eine Anfrage reagiert, sodass die Behörde nun gerichtlich versuche, auf den Systemen der Beratungsfirma Beweise zu sichern, wie das Information Commissioner's Office (ICO) britischen Medien zufolge mitteilte. Facebook habe eine eigene Untersuchung bei der britischen Firma, zu der Berichten zufolge Facebook-Analysten nach London gereist waren, auf Wunsch der Behörde abgebrochen. "Solch eine Suche hätte das Potenzial, eine behördliche Untersuchung zu gefährden", sagte eine Sprecherin der Datenschutzbeauftragten Elizabeth Denham dem Guardian.

Erpressungsversuche vor versteckter Kamera gestanden

Cambridge Analytica geriet weiter unter Druck, nachdem ihr Chef vor versteckter Kamera mit Erpressungsversuchen von Wahlkandidaten geprahlt haben soll. Ein Reporter des britischen Senders Channel 4 hatte sich für den Vertreter eines potenziellen reichen Kunden ausgegeben, der für den Erfolg mehrerer Kandidaten bei einer Wahl in Sri Lanka sorgen wolle. Cambridge Analytica wurde bekannt als die Firma, deren Datenauswertung Donald Trump zum Sieg bei der US-Präsidentenwahl 2016 verholfen haben soll. Der Undercover-Reporter traf sich mit Cambridge-Analytica-Chef Alexander Nix und anderen Top-Managern mehrfach in Londoner Hotels von November 2017 bis Januar 2018. An einer Stelle antwortete Nix dem Channel-4-Bericht zufolge auf die Frage nach der Möglichkeit, negative Informationen über politische Opponenten zu beschaffen, seine Firma könne "Mädchen zum Haus des Kandidaten schicken". Ukrainerinnen seien "sehr schön, ich finde, das funktioniert sehr gut". Eine weitere Vorgehensweise sei, einem Kandidaten viel Geld für seinen Wahlkampf anzubieten, zum Beispiel mit Land als Gegenleistung - und das ganze auf Video aufzunehmen und später zu veröffentlichen.

Facebook-Sicherheitschef verlässt das angeschlagene Unternehmen

Cambridge Analytica erklärte am späten Montag, der Bericht sei irreführend zusammengeschnitten, die Darstellung entspreche nicht der Vorgehensweise der Firma und versuche, den Spieß umzudrehen: Man führe routinemäßig Unterhaltungen mit potenziellen Kunden, um bei ihnen mögliche unethische oder illegale Absichten aufzudecken. Nix erklärte dem Wall Street Journal, er habe lediglich in der Konversation "mitgespielt" und bereue das.

Bei Facebook rumort es unterdessen. Die New York Times berichtete, dass der in Fachkreisen angesehene Sicherheitschef Alex Stamos Facebook verlassen wolle. Er habe sich dafür eingesetzt, offener über die russische Einmischung in den US-Präsidentenwahlkampf 2016 zu informieren, sei aber von anderen Managern abgebügelt worden, schrieb die Zeitung. Stamos habe bereits im Sommer 2016 erste Untersuchungen eingeleitet und zum November klare Hinweise auf die Einmischung aus Russland gehabt. Die Firmenführung habe jedoch damit gezögert, die Informationen öffentlich zu machen. Erst nach Untersuchungen im US-Kongress räumte das Online-Netzwerk schrittweise ein, dass 150 Millionen Nutzer von Facebook und Instagram mit politischer Propaganda aus Russland in Berührung gekommen sein dürften.

Facebook trägt Mitverantwortung

Im Skandal um millionenfach angezapfte Nutzerprofile von Facebook sieht der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar auch eine Mitverantwortung bei dem Netzwerk. "Ohne dieses Geschäftsmodell von Facebook hätte es dieses riesige Datenloch nicht gegeben", sagte Schaar heute im Deutschlandfunk [Link entfernt] . Die Plattform habe auf jeden Fall eine Mitverantwortung. Facebook basiere darauf, dass man sehr viel über die Benutzer wisse. Diese Kenntnisse würden anderen verkauft, um ihre Werbung zielgenau platzieren zu können. "Das ist das Geschäftsmodell von Facebook, davon leben die ganz wesentlich", so Schaar, der die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) leitet.

Reales, riesiges Problem

Der europäische Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli mahnt grenzübegreifende Lösungen im Umgang mit Internet-Giganten an. "Gesetze sind national, Daten sind es nicht", sagte Buttarelli heute in Brüssel. Deshalb müssten auch internationale Lösungen gefunden werden. Dieser Fall sei nur die Spitze des Eisbergs, sagte Buttarelli. Er zeige, wie Daten zur Manipulation genutzt werden könnten. "Das Problem ist real und riesig."

Nutzer bemerken Manipulation nicht

Um die Daten zu sammeln, wurde eine Umfrage zu Persönlichkeits-Merkmalen aufgesetzt, die bei Facebook als wissenschaftliche Forschung angemeldet wurde. Dazu hatten die betroffenen Nutzer ab Juni 2014 die scheinbar harmlose App thisisyourdigitallife heruntergeladen und ihr Zugriffsrechte auf das eigene Facebook-Konto eingeräumt. Facebook hatte dies dem Entwickler der App, dem Cambridge-Wissenschaftler Aleksandr Kogan, erlaubt. Die Daten gingen dann ohne Wissen der Nutzer an Cambridge Analytica.

Solche Facebook-Daten würden nicht nur verwendet, um im Netz gezielt Werbung zu machen, sagte Schaar. Die Daten würden auch genutzt, um im realen Leben Wahlkampf zu betreiben, etwa durch Hausbesuche. "Das ist das große Problem, das man als Betroffener gar nicht mitbekommt, wie man manipuliert wird", so der Datenschützer.

Mitteilen der Daten kann eingeschränkt werden

Wer ein Facebook-Konto nutzt, teilt zwangsläufig Daten mit dem Netzwerk und seinen Partnern. Was Nutzer einschränken können, ist zumindest der Umfang der geteilten Daten. Ein Weg ist der Verzicht auf die Nutzung von Apps und das Abschalten der App-Plattform. Diese Anwendungen von Drittanbietern haben teils umfangreichen Zugriff auf Informationen eines Nutzers. Was mit den gesammelten Daten aus Freundesliste, Vorlieben und persönlichen Angaben geschieht, ist in der Facebook-Datenrichtlinie geregelt. Eine Garantie, dass dies auch eingehalten wird, gibt es nicht.

Für einen Überblick über genutzte Apps und den Daten, die sie aus dem eigenen Facebook-Profil ziehen, genügt ein Klick in die Einstellungen und hier auf den Unterpunkt "Apps". Nutzer der Smartphone-App schauen in die "Kontoeinstellungen" und hier unter "Apps". Hier sind Facebook-Apps gelistet, bei denen Nutzer aktiv angemeldet sind. Hier lässt sich auch die komplette App-Plattform für das eigene Profil deaktivieren. Wer sich für diesen Schritt entscheidet, kann künftig keine Facebook-Spiele oder andere kleinere Programme mehr nutzen. Im Gegenzug wird aber auch eine Möglichkeit geschlossen, Informationen auszulesen. Erst vor kurzem wurde dem kalifornischen Unternehmen untersagt, Daten von WhatsApp-Nutzern zu verwenden.

Datenskandal bringt Facebook in Bedrängnis

Wer weiter Facebook-Apps und -Spiele nutzen möchte, kann deren Berechtigungen anpassen. Das geht in den Einstellungen unter "Apps" und dort per Klick auf das jeweilige Programm in der Liste. Hier können Nutzer sehen und teils auch einstellen, welche Informationen eine App abgreifen darf. Wichtig: nach der Auswahl auf "Speichern" klicken. Facebook selbst war nach den Enthüllungen auch in schweres Fahrwasser geraten. Die Aktie fiel am Montag um rund sieben Prozent - und das ließ den Börsenwert von Facebook um über 35 Milliarden Dollar schrumpfen. Auch die Mitglieder selber und Investoren erhöhen den Druck auf das Unternehmen. Unter anderem reichten einige Investoren bereits Klage gegen das Unternehmen ein.

Wenig hilfreich für ein soziales Netzwerk, welches erst vor kurzem eine Kampagne zu Datenschutz und Privatsphäre vorgestellt hat.

Mehr zum Thema Facebook