Niedersachsen: Linke und Piraten setzen sich für DAB+ ein
Linke und Piraten machen sich fürs Digitalradio DAB+ stark
Foto: Hama
Unter dem Deckmantel "Für eine digitale Radiozukunft" hatten die niedersächsischen Landtagsparteien einstimmig für ein Aus des digital-terrestrischen Hörfunks DAB+ und gegen eine UKW-Abschaltung gestimmt. Kritik kommt nun nicht nur von öffentlich-rechtlichen Radiosendern, Geräteherstellern und Medienpolitikern von außerhalb, sondern auch von Parteien, die nicht im Landtag vertreten sind.
Die Linke sieht in dieser Entscheidung einen herben Rückschritt, denn das vom Landtag gegenüber DAB+ bevorzugte 5G, das die neuste Ausbaustufe des Mobilfunknetzes darstellt und bisher nicht über Testinstallationen hinaus der Öffentlichkeit zugänglich war, sei im Vergleich zu DAB+ ein reiner Kurzstreckenfunk. Flächendeckend werde es somit nur in Ballungsgebieten aufgebaut werden und kann auch nur dort wirtschaftlich betrieben werden, für ein Flächenland wie Niedersachsen sei das fatal. Das Argument der Landesregierung, dass "DAB+ eine unnötige Übergangstechnologie sei, da sich mittelfristig das Internetradio durchsetzen werde", ist laut der Linken ein Scheinargument.
DAB+ ist barrierearm
Linke und Piraten machen sich fürs Digitalradio DAB+ stark
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DAB+ hingegen sei, ähnlich wie UKW, eine barrierearme, terrestrische Übertragungsart, für dessen Empfang lediglich ein entsprechendes Empfangsgerät erforderlich ist. Die Kosten für dieses Empfangsgerät seien einmalig. Die von der Landesregierung vorgeschlagenen Benutzung der Internetradios habe mehrere Nachteile, da für die Benutzung stets ein Internetzugang benötigt wird. Für die Bereitstellung des Internetzugangs allein, unabhängig von der Nutzung der Internetradios, fallen monatlich laufende Kosten an, die die Anschaffung eines DAB+ Gerätes in der Summe bei Weitem übersteigen.
"Bei jeder Nutzung der Internetradios – bedingt durch die Nutzung des Internets – werden Daten im Internet hinterlassen, deren Datensicherheit und Weiternutzung ungeklärt ist (zum Beispiel Einschalt-/Ausschaltzeitpunkt, persönliche Präferenzen durch die Wahl des Internetradios und des dort angebotenen Programms, etc.). Die Benutzung eines DAB+ Gerätes sei gelebte Anonymität", ergänzt Lars Leopold, Landesvorsitzender der Linkspartei in Niedersachsen.
Obwohl es 75 Millionen DAB-Geräte weltweit gibt, das europaweite Ausland sich für eine Nutzung von DAB+ entschied und ab 2021 eine Digitalradio-Pflicht für Neuwagen existiert, habe sich das niedersächsische Landesparlament als erstes und einziges gegen DAB+ ausgesprochen.
Die bislang am häufigsten genutzte Übertragungsmöglichkeit, UKW, stoße jedoch an ihre technischen Grenzen. "Unserer Ansicht nach ist es von essentieller Bedeutung Radioempfang auch jenseits von Handys und Mobilfunknetz zu sichern, besonders in akuten Notsituationen. Wir befürworten daher, dass der NDR sich, insbesondere in Betracht der steigenden Beliebtheit von DAB+ in Deutschland und Europa, für einen weiteren Ausbau auch in Norddeutschland einsetzt. Anstatt die privaten UKW-Radio-Sender vor Wettbewerb zu schützen, sollte die Förderung von DAB+ weiter fortgesetzt werden", fordert Heidi Reichinnek, Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen.
Piraten unterstellen Landtag Unwahrheiten
Auch die Piraten in Niedersachsen setzen sich für DAB+ an und unterstellen dem Landtag Unwahrheiten. So heißt es im Landtagsbeschluss, DAB+ habe sich "auch nach 20 Jahren" nicht durchgesetzt, sei "Geldverschwendung" und lediglich eine "Übergangslösung". DAB+ wurde laut der Piraten in Wirklichkeit jedoch erst 2011 in Deutschland offiziell eingeführt, nachdem zuvor der alte DAB-Standard gescheitert war. Zudem attestiere der Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten stetig steigende Hörerzahlen.
Für die vom Landtag vorgeschlagene Alternative 5G existiere bisher keine entsprechende Infrastruktur für den Sendebetrieb. Und die demnächst entstehende werde weder den öffentlich-rechtlichen noch den privaten Sendern gehören. "Hier stellt sich also die Frage, womit denn eigentlich gesendet werden soll. Jetzt also unbedrängt eine Entscheidung zu treffen, die das Zeug dazu hat, die Informationsfreiheit massiv zu beschränken, ist nicht akzeptabel", so die Partei.
Aus Sicht der Piraten sei es sinnvoll, die letzten Monopole im UKW-Radiomarkt aufzubrechen und auf eine konsequente Digitalisierung dieses Marktes zu setzen. "Während das digitale Fernsehen bereits Standard ist, setzt man beim Radio weiter auf Technologie aus dem letzten Jahrtausend, nur um eigene Sendegebiete vor der Konkurrenz zu schützen". Erst wenn ein Ende der UKW-Ära definitiv feststehe, sei der Weg für ein modernes und vielfältiges Radioangebot in Deutschland frei. "Wenn es soweit ist, ist 5G eine Geschichte, die man seinen Enkeln an einem Kamin erzählt. Denn UKW wird erst sterben, wenn die heutigen Reichweitenvorteile durch digitale Technologien wirklich schlagbar sind", so die Partei.