Gaming

Editorial: Spiele in der Wolke

Cloud Gaming gilt als Zukunfts­markt für die Netz­betreiber. Oder machen doch wieder andere den Reibach?
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Wird sich Cloud-Gaming durchsetzen? Im Bild: Google Stadia Wird sich Cloud-Gaming durchsetzen? Im Bild: Google Stadia
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Bei den Mario-Hüpf­spielen von Nintendo gibt es ziem­lich viele Level, die in den Wolken spielen. Diese sind aber hier nicht gemeint. Viel­mehr geht es darum, dass bei Compu­terspielen die aufwen­digen 3D-Berech­nungen nicht mehr von der heimi­schen Konsole, sondern von Servern in der Cloud ausge­führt werden könnten. Der Vorteil dieser Technik für den Nutzer: Er braucht sich selbst für High-End-Spiele keine neue Hard­ware anschaffen. Auch sind keine stun­denlangen Down­loads mehr nötig. Ebenso kann man Spiel­stände problemlos spei­chern und später an einem anderen Ort auf einem anderen Endgerät wieder abrufen - gerade bei Spie­lekon­solen ist die Spei­cher­funk­tion oft an die Geräte gebunden. Zudem muss man sich nicht alle Spiel­titel einzeln anschaffen. Einen neuen Titel mal kurz anzu­spielen, um zu prüfen, ob er einen gefällt, wird voraus­sicht­lich deut­lich güns­tiger möglich sein als bisher.

Jedoch hat Cloud Gaming auch Nach­teile: Wenn die Anbin­dung zwischen Spieler und Rechen­zentrum nicht optimal ist, dann steigt die Latenz, also die Verzö­gerung zwischen einem Spiel­kommando und der zuge­hörigen Reak­tion auf dem Bild­schirm. Und wer viel zockt, für den dürften die Cloud-Gaming-Abos am Ende eher teurer werden als die Anschaf­fung eines hoch­wertigen Spiele-PCs und einer Auswahl von Spielen. Auch gehören Cloud-Spiele nicht dem Nutzer: Wenn er sie nach ein paar Jahren nochmal durch­spielt, muss er erneut für die Spiel­zeit bezahlen.

Tele­kommu­nika­tions­anbieter sehen in Cloud Gaming einen inter­essanten Zukunfts­markt, können sie doch voraus­sicht­lich den Spiel­nutzern hoch­wertige und damit auch hoch­prei­sige Inter­netzu­gänge und den Spie­leplatt­form­betrei­bern wiederum gut ange­bundene Server­farmen verkaufen. Folg­lich wird das Thema in der Branche bereits seit Jahren heiß disku­tiert. Anders als das bereits etablierte Video-Strea­ming ist Cloud Gaming aber noch nicht beim Kunden ange­kommen.

Google prescht vor

Wird sich Cloud-Gaming durchsetzen? Im Bild: Google Stadia Wird sich Cloud-Gaming durchsetzen? Im Bild: Google Stadia
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Inter­essan­terweise kündigt nun Google mit Stadia als einer der ersten Großen einen Cloud-Gaming-Dienst an. Zwar verfügt Google über zahl­lose Rechen­zentren und dank Peta­bytes an YouTube-Traffic auch über hervor­ragende Inter­connects mit den Netz­betrei­bern. Doch dürfte die Dichte der Google-Rechen­zentren eher nicht ausrei­chen, um Stadia flächen­deckend mit der nötigen nied­rigen Latenz anzu­bieten. Und auch die Auswahl an Spiel­titeln ist zum Start eher über­schaubar.

Beides - die Dichte der Rechen­zentren und die Auswahl an Titeln - lässt sich aber auch nach­träg­lich ausbauen. Und zu einer Zeit, wo die Konkur­renz noch am Planen (oder mögli­cher­weise bereits am Aufbauen) von dichten Edge-Compu­ting-Zentren in ihren Netzen ist, gibt es auch keine Konkur­renz, zu der Kunden abwan­dern könnten. Doch konkur­riert Stadia auch mit der heimi­schen Konsole und so besteht sehr wohl die Gefahr, dass Google die Stadia-Pionier-Kunden vergrätzt, wenn der Dienst lagt oder die Spiele-Auswahl frus­triert. Dem wird Google mit selek­tivem Marke­ting gegen­steuern: Sie wird Stadia zum Beispiel über Strea­ming-Anzeigen in YouTube nur gegen­über solchen Kunden bewerben, die sich in der Nähe eines Google-Rechen­zentrums aufhalten. Und es werden nur solche Kunden auf die Anzeigen klicken, denen die dort bewor­benen Spiele auch gefallen.

Die Fest- und Mobil­netz­betreiber sind damit unter Zugzwang. Sie beklagen schon seit Jahren, dass sie die Netze mehr oder weniger zum Selbst­kosten­preis betreiben, während Dienste- und Inhal­tean­bieter wie Google, Face­book oder Amazon die großen Gewinne einfahren. Google arbeitet beim Zukunfts­markt Cloud Gaming daran, dass diese Auftei­lung so bleibt. Schaffen es die Netz­betreiber dieses Mal, sich durch­zusetzen?

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