Umbrüche

CeBIT-Geschichte: Als die Mobilfunk-Preise sich noch täglich änderten

Die Geschichte der CeBIT ist legendär: In den verrückten Zeiten des Mobilfunks bestimmten Firmen wie Nokia und Viag Interkom das Messegeschehen - doch dann begannen die Veränderungen. Auch bei der CeBIT 2016 wird es Umbrüche geben.
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Die Messe Hannover verwandelte die beschauliche Landeshauptstadt an der Leine jedes Jahr in den Nabel der Welt. Immer mehr Firmen zeigten Bagger, Kräne, Motoren, Maschinen und andere Technik. Mit der Zeit wurden die Geräte immer kleiner und landeten im Büro: Elektrische Schreibmaschinen, erste "Heim"-Computer oder kleinere Telefonanlagen - bald sogar "ohne Schnur". Da beschloss die Messegesellschaft, in der Halle 2 eine Unterausstellung zum Thema Büro und Informationstechnik einzurichten, die sie "Centrum Büro und Informations Technik" kurz "CeBIT" nannte.

Diese CeBIT wuchs und gedieh so gut, dass sie eines Tages als eigene Messe startete. Sie war der Dreh- und Angelpunkt der aufblühenden Computer und Telekommunikationswelt. Alle Anbieter, die in Deutschland etwas zu sagen hatten, waren dort zu finden. Auf dem großräumig geplanten Messegelände wurden neue Hallen gebaut, die schnell ausgebucht waren, denn alle Netzbetreiber, Service-Provider, Gerätehersteller und Zubehör-Lieferanten pilgerten zur CeBIT. Nokia Communicator auf der CeBIT 1996 Nokia Communicator auf der CeBIT 1996
Bild: dpa

So bedeutend war die CeBIT für den Mobilfunk

Bestimmte Pressekonferenzen waren für die Journalisten Kult, beispielsweise bei Nokia. Wer zu spät kam, kam nicht mehr rein. Legendär, wenn Anssi Vanjokki seine neuen Geräte vorstellte.

Die CeBIT war der wichtigste Termin im jährlichen Mobilfunkjahreskalender. Regelmäßig wurden neue Mobilfunktarife vorgestellt, und jährlich wurde es ein kleines bisschen günstiger. Der Netzanbieter E-Plus war zwar im Zirkuszelt in Berlin gestartet, doch richtig bemerkbar wurde er erst nach einer Pressekonferenz im Keller des sogenannten Thyssen-Pavillons. Der vierte Netzanbieter VIAG Interkom (heute o2) baute einen kultigen Stand mit sphärischer Lounge-Musik auf und staubte Preise für den besten und schönsten Messestand ab.

In einem Jahr wurde es extrem: Die Mobilfunkpreise änderten sich - teilweise noch während der Pressekonferenzen der vier großen Anbieter und danach ging es täglich weiter abwärts. Vertriebsbeauftragte und Händlervertreter an ihren Ständen gerieten in Panik, weil sie gar nicht mehr wussten, welche Preise im Moment aktuell gültig waren.

In einem Jahr baute sich die Deutsche Telekom eine eigene Halle, ein Jahr später konnte die damals nagelneue Halle 26 bezogen werden, worin die Deutsche Telekom einen Großteil der Fläche übernahm. Man fand darüber hinaus Marken wie Nokia Mobile Phones, Siemens und viele andere in dieser Halle. VIAG Interkom: Bester Messestand auf der CeBIT 2000 VIAG Interkom: Bester Messestand auf der CeBIT 2000
Bild: dpa

Nokia als wichtiger Player und Konkurrenz durch MWC

Nokia trieb damals viel Aufwand. Eine komplette Reparatur- und Serviceabteilung wurde auf dem Messegelände aufgebaut, hier konnten sogar Endkunden und Händler ihre Geräte überprüfen und reparieren lassen. Einst meldete sich ein hochrangiger Vertreter eines deutschen Mobilfunkanbieters bei teltarif.de-Autor Henning Gajek: Sein Nokia Communicator 9110 hatte im falschen Moment den Geist ausgehaucht, wichtige Daten nicht erreichbar - eine Katastrophe. Ein Kontakt zum technischen Produktkoordinator von Nokia war schnell hergestellt, doch selbst der "Affengriff" zum Reboot des Communicators durch den Fachmann wollte nicht helfen. Man tauschte Visitenkarten und der Nokia-Mann nahm die Ruine mit. Einen Tag später trafen wir den Mobilfunkvertreter überglücklich: Nokia hatte noch auf der Messe in der Reparaturabteilung alle Daten aus den Speicherchips des defekten Gerätes herauskopiert und frisch auf ein brandneues Gerät überspielt. Solche Reparaturen sind nur in sauberen "reinen" Räumen möglich, man kann also erahnen, welchen Aufwand Nokia seinerzeit für seine Kunden betrieben hatte. Kein Wunder: Damals war Nokia unumstrittener Marktführer.

Nebenan konnten Sendestationen von Nokia und Ericsson im Probebetrieb bestaunt werden. Eines Tages schlug die Hiobsbotschaft in Hannover ein: Nokia sagte die CeBIT ab. Die Branche stand unter Schock. Es folgten weitere Anbieter, die auf einmal nicht mehr nach Hannover kommen wollten.

Ein Grund: Der Mobile World Congress, der damals noch für wenige Insider in Cannes (Südfrankreich) stattfand und später nach Barcelona in Spanien umzog, weil Cannes buchstäblich aus allen Nähten platzte. Dieser MWC lag wenige Wochen vor der CeBIT und brachte alle Informationen und Neuigkeiten, die sonst zur CeBIT präsentiert worden wären. Darüber hinaus ist der Mobile World Congress international, die CeBIT war das immer nur sehr bedingt.

Vielleicht lag es auch an der Schwerfälligkeit der Verantwortlichen in Hannover, neue Trends zu erkennen, vielleicht an der spannenden Frage, welche Zielgruppe man in Hannover bräuchte, um echten Erfolg zu haben.

Mit der Zeit kristallisierte sich die CeBIT wieder zur "Business to Business"-Veranstaltung heraus (B2B), aber dank großzügiger Eintrittskartenspenden kamen weiter private Multiplikatoren, Meinungsführer, Fans und Freaks nach Hannover. Debitel auf der CeBIT 2004 Debitel auf der CeBIT 2004
Bild: teltarif.de

Versuchsballon: CeBIT Home

Derentwegen hatte man einmal mit einer Untermesse namens "CeBIT Home" experimentiert, genau für diese wichtige "private" Zielgruppe. Die Erwartungen waren damals hoch, doch dann standen auf einmal Schüler und Studenten an der Theke und fragten die Vertriebsleute, warum das Board-Layout nur mit diesem Chip erhältlich sei und warum die BIOS-Software jenen Interrupt an dieser Adresse und nicht dort habe? Da rollten die Vertriebsleute mit den Augen und die CeBIT Home wurde schnell wieder eingestampft.

Die letzten Jahre war es immer klarer: Die CeBIT für die Industrie und Geschäftskunden, ruhigere Hallen, intensivere Gespräche, leicht rückläufige Besucherzahlen. Der Messestart wurde auf Montag gelegt, also mussten die wichtigen Pressekonferenzen schon am Sonntag vorher, vielleicht schon am Samstag stattfinden, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Zum Jahreswechsel vor der Messe wurde in München und Hamburg zu CeBIT-Preview-Events geladen, was einerseits die Vorfreude auf die kommende CeBIT erhöhen sollte, andererseits auch das Gefühl verstärkte, "das lohnt sich für mich nicht, da muss ich gar nicht unbedingt hin".

Nichts bleibt wie es war: Auch die CeBIT 2016 wird wieder einige Umbrüche und Veränderungen bringen. Lieb gewonnene Veranstaltungen fallen aus oder werden ins Internet verlegt. Auf der zweiten Seite unseres CeBIT-Artikels berichten wir, was Telekom und VATM in diesem Jahr anders machen und welches Partnerland 2016 die CeBIT beehrt.

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