Rückblick

CEBIT-Rückblick: Die Messe, die sich überflüssig machte

Digitalisierung erfasst alles - sei es das Auto, die Fabrik oder die eigene Wohnung. Aber wie nötig ist eine Digitalmesse, wenn Digitalisierung so gut wie alle Lebensbereiche prägt? Die Welt nimmt Abschied von der CEBIT.
Von dpa /

Arnold Schwarzenegger aiuf der CEBIT 2009 mit einem Google-Phone von HTC Arnold Schwarzenegger aiuf der CEBIT 2009 mit einem Google-Phone von HTC
Bild: dpa
Nach über 30 Jahren ist die CEBIT Geschichte: Die einst weltgrößte Computershow wird eingestellt. Rückläufige Buchungen für 2019 erhöhten zuletzt den Druck auf die Deutsche Messe AG. Die deutsche Wirtschaft habe in den vergangenen Jahren immer wieder thematische Überschneidungen der CEBIT und der weitaus größeren Hannover Messe beklagt, sagte Deutsche-Messe-Vorstandschef Jochen Köckler. Darüber hinaus ist Digitalisierung der Megatrend der meisten Branchen - und damit der meisten Messen. Eine Messe wie die CEBIT stoße daher auf sinkende Nachfrage.

"Das ist ein herber Verlust für die Wirtschaft in Niedersachsen", meinte der Chef der Unternehmerverbände des Bundeslandes (UVN), Volker Müller, und betonte: "Dass so ein Thema beerdigt wird, ist auch ein fatales Signal für den Standort Deutschland." Ein Ende mit Schrecken sei jedoch besser als ein Schrecken ohne Ende. Mit der CEBIT verliere der Messestandort Hannover eins seiner wichtigsten Standbeine - diese Ansicht teilt auch die IHK Niedersachsen (IHKN). Die Messe habe das Image des Wirtschaftsstandorts weltweit geprägt, meinte IHKN-Präsident Helmut Streiff und forderte: "Diese Kompetenz darf uns nicht verloren gehen."

Die oppositionelle FDP im Landtag in Hannover sprach von einem "Desaster" und einer krachenden Niederlage für Niedersachsens Digital- und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlein meinte: "Während die Bundesregierung von einer Führungsrolle bei der digitalen Transformation träumt, zeigt das Ende der einst weltgrößten Digitalmesse, wo wir in Deutschland wirklich stehen: Auf dem digitalen Nebengleis."

CEBIT wird wieder in Hannover Messe eingebunden

Arnold Schwarzenegger aiuf der CEBIT 2009 mit einem Google-Phone von HTC Arnold Schwarzenegger aiuf der CEBIT 2009 mit einem Google-Phone von HTC
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Wie geht es weiter? Die "industrienahen Digitalthemen" sollen in die Hannover Messe, die weltgrößte Industriemesse, eingebunden werden. Und der Rest? Dafür sind nach Veranstalterangaben Fachveranstaltungen geplant, die sich "gezielt an Entscheider ausgewählter Branchen" richten sollen. Dabei hatten die Organisatoren im Sommer noch vergeblich versucht, die CEBIT als "Europas führendes Digital-Event" neu zu positionieren. Insgesamt lockte die CEBIT in neuem Gewand aber nur 120 000 Menschen aufs Messegelände - noch einmal deutlich weniger als 2017 mit 200 000 Besuchern.

Dennoch zogen die CEBIT-Macher noch ein positives Fazit für ihr neues Konzept: Erstmals war die Messe in runderneuertem Gewand mit Festival-Charakter an den Start gegangen. Messe-Vorstand Oliver Frese sagte damals, alle Ziele seien erreicht worden.

Zu besten Zeiten um die Jahrtausendwende hatte die Messe noch bis zu 800 000 Besucher gezählt, dann ging die Kurve kontinuierlich nach unten. Ein Grund war dafür auch hausgemacht: Die CEBIT wollte sich zu den Hoch-Zeiten des Personal Computers immer wieder von den als "Beutelratten" verschmähten Privatbesuchern trennen und speziell auf Business-Kunden ausrichten. Unterhaltungselektronik wie Spielekonsolen war nicht mehr gern gesehen. Und nicht zuletzt zog auch die stetig wachsende Mobilfunkmesse Mobile World Congress nach ihrem Umzug von Südfrankreich nach Barcelona immer mehr Stammkunden aus der Telekommunikations-Branche aus Hannover ab.

Auch Verlegung in den Monat Juni rettete die Messe nicht

Die alte und neue CEBIT seien nicht zu vergleichen, betonte Frese Mitte Juni. Aussteller und Partner seien allesamt zufrieden gewesen. In wirtschaftlichen Zahlen spiegelte sich diese Begeisterung allerdings nicht unbedingt wider: Event statt Messe, Streetfood statt Bratwurst - das funktionierte offensichtlich nicht.

Erstmals hatte die CEBIT im laufenden Jahr im Sommermonat Juni statt im Schneeregen des März stattgefunden. Roboter und autonome Fahrzeuge wurden präsentiert, der Software-Konzern SAP steuerte mit einem Riesenrad zur lockeren Atmosphäre bei - und spendierte der Messe ein neues Wahrzeichen. Große Messe-Kunden wie Hewlett Packard Enterprise, Vodafone und Salesforce unterstützten den Angaben zufolge das neue Messe-Konzept. Microsoft dagegen hatte in diesem Jahr auf eine CEBIT-Präsenz verzichtet.

Die Entscheidung bedeutet auch einen tiefen Einschnitt für Frese: Der Messechef bat den Aufsichtsrat um Entbindung von seinen Aufgaben zum 31. Dezember - das Gremium erfüllte seinen Wunsch. Bernd Althusmann, Aufsichtsratschef und Niedersachsens Wirtschaftsminister, sprach von "Bedauern und Respekt". Es sei bedauerlich, einen so erfahrenen Messemacher zu verlieren, betonte der CDU-Politiker. Mit dem neuen Konzept der CEBIT habe Frese "Mut, Innovationskraft und Pioniergeist" bewiesen. "Der weitere Nachfragerückgang bei der neuen CEBIT ist umso bedauerlicher, gleichzeitig zeigt er aber auch, dass die CEBIT-Idee in der gesamten Wirtschaft angekommen ist", sagte Althusmann.

Diese Ansicht teilt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: "Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die CEBIT ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges", sagte der SPD-Politiker. "Ein wichtiges Kapitel der Messen in Hannover geht zu Ende, und das ist sehr schade."

Für die Deutsche Messe AG sinkt die Bedeutung der CEBIT auch in wirtschaftlicher Hinsicht schon seit Jahren. Das Unternehmen sei angesichts anderer starker Veranstaltungen und das wachsende Auslandsgeschäft "sicher und solide" aufgestellt, sagte Köckler. Die Marke CEBIT will die Deutsche Messe im Ausland weiter nutzen. Ganz verschwindet die CEBIT also nicht.

Erste CEBIT begann gleich mit einem Todesfall

Zumal die Computershow 1986 - vor 32 Jahren - als Paukenschlag begann: Denn ihre Premiere wurde gleich von einem Todesfall überschattet. Der Computer-Unternehmer Heinz Nixdorf brach auf einer Messe-Party auf der Tanzfläche mit einem Herzinfarkt zusammen und starb. 1995 stimmte Microsoft-Gründer Bill Gates auf der CEBIT auf das - damals - neue Zeitalter des Betriebssystems ein. Ein Jahr später war Windows 95 etabliert. Aber auch die Messe-Konkurrenz wurde stärker.

Promis, Stars und Sternchen: Auf der CEBIT suchten sie Zukunftstrends

Die CEBIT war im Laufe ihrer 32-jährigen Existenz nicht nur ein Spiegelbild der technischen Entwicklung, sondern stets auch ein Laufsteg für Stars und Sternchen, Politiker und Prominente aus Technik, Sport und Gesellschaft. In Hannovers Messehallen ließen sie sich beim staunenden Blick auf die Zukunftstrends mit den jüngsten Neuerungen ablichten.

Dabei wurde schon im offiziellen Namen schnell klar, wie schnell sich die Messe dem Wandel der Zeit anpassen musste. Begonnen hatte sie als Centrum der Büro- und Informationstechnik, später wurde daraus Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation. Auch die Schreibweise wurde aufgefrischt: Bis 2017 wurde das "e" im Kürzel noch kleingeschrieben (CeBIT), danach dann durchgehend in Großbuchstaben (CEBIT). 2017 endeten auch die berühmten Kanzler-Rundgänge mit den Staats- oder Regierungschefs der jeweiligen Partnerländer. Einige Highlights aus der Messe-Geschichte:

1986 lässt sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) strahlend vor einer für damalige Verhältnisse futuristisch anmutenden Bildtelefon-Zelle von Sony ablichten.

1992 wird in Hannover ein europäisches Mobilfunknetz nach dem Standard Global System for Mobile Communications (GSM) angekündigt.

1995 stellt Microsoft-Chef Bill Gates Details seines neuen Betriebssystems Windows 95 vor. Die CEBIT zählt 750 000 Besucher.

1996 informiert sich die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) über das einstige Zukunftsthema "Surfen im Internet".

1997 kündigt die US-Firma Progressive Networks den Dienst "RealVideo" an, der Fernsehen über das Internet erlauben sollte.

1998 schaut sich der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) durch eine 3D-Brille auf der Messe das Bild eines menschlichen Herzens an.

2000 präsentiert das Unternehmen Höft & Wessel ein "Webpanel", das dem Konzept des iPad sehr nahe kommt; mit dem "skeye.pad" sollte man über eine Mobilfunkverbindung drahtlos im Internet surfen können.

2001 zeigt IBM in Hannover seine "Smart Watch" - eine klobige Armbanduhr mit dem Betriebssystem Linux, die Kontakt zu Computern und Mobiltelefonen aufnimmt sowie Kalender und Adressbuch enthielt.

2002 kündigt Vodafone in Hannover den Start der Infrastruktur für die dritte Mobilfunkgeneration UMTS an. Messe-Zugpferd ist das kurz zuvor auf den Markt gekommene Microsoft-Betriebssystem Windows XP.

2005 hält der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein neuartiges Laptop mit dem Foto seiner damaligen Frau Doris vor die Kameras und posiert mit ihr vor einem modernen Münztelefon.

2009 präsentiert der damalige kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger lächelnd ein Google-Phone mit Kanzlerinnen-Porträt.

2010 bestaunt Bundeskanzlerin Angela Merkel die erste Datenbrille.

2013 zeigt Merkel dann in Hannover stolz ihr abhörsicheres Kanzlerinnen-Handy, das ihr die Firma Secusmart überreicht.

2014 erklärt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales auf der CEBIT seine Expansionspläne für die von ihm gegründete Online-Enzyklopädie.

2017 sichtet Kanzlerin Merkel mit dem damaligen japanischen Premierminister Shinzo Abe die ersten Drohnen auf der CEBIT.

Mittlerweile haben sich auch Netzbetreiber wie die Telekom oder Vodafone zum Aus der CEBIT geäußert.

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